"Es müssen endlich mehr Frauen ins All fliegen!" Interview mit Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich
Archivmeldung vom 18.07.2019
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Freigeschaltet durch André Ott21. Juli 1969. Mehr als 500 Millionen Menschen blicken zum Mond. Auch Deutschland ist im Mondfieber. Die Spiegel TV Doku "Mission Mond - Als die Welt den Atem anhielt" am Sonntag, 21. Juli 2019, um 22:50 Uhr in SAT.1 liefert spektakuläre Einblicke in die entscheidenden Stunden der Mondlandung.
Die Doku zeigt, wie schwierig die jahrelange Arbeit der NASA am Apollo-Programm war. SAT.1 sprach mit Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich - der potentiell ersten deutschen Frau im Weltall - über ihre bevorstehende Weltraummission, das Warten, sowie ihren Alltag als Astronautin, Meteorologin und dreifache Mutter.
Frau Dr. Thiele-Eich, Sie sind eine der beiden verbleibenden Anwärterinnen auf einen Flug zur internationalen Raumstation im Programm "Die Astronautin". Wie gut stehen Ihre Chancen, die erste deutsche Frau im Weltall zu werden?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Aktuell bereiten sich Frau Dr. Suzanna Randall
und ich auf einen Flug Ende 2020 vor. Sollte es SpaceX und Boeing in
diesem Sommer gelingen, Astronauten mit ihren kommerziellen
Programmen zur ISS zu fliegen, würde das die Chance auf unseren Start
deutlich erhöhen. Erstmal wird jedoch nur eine von uns ins All
fliegen. Ich habe also eine 50:50 Chance."
Das Leben eines Astronauten besteht also zum Großteil aus "Warten".
Teilweise warten die potentiellen Raumfahrer mehr als zehn Jahre auf
einen Flug. Wie gehen sie persönlich mit dieser Ungewissheit um?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Mein Vater hat zwölf Jahre auf seinen ersten
Flug gewartet, deswegen ist mir das 'Warten' durchaus vertraut. Ich
sehe das aber überhaupt nicht negativ, denn neben dem Training fülle
ich mein Leben ja auch mit anderen Dingen. Neben dem
Astronautentraining arbeite ich als Meteorologin an der Universität
Bonn. Aber natürlich ist man gespannt, wie lange es am Ende dauern
wird."
Die Mondlandung feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Welche Rolle spielt ein solches Ereignis für Sie als angehende Astronautin?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Zufälligerweise hatte ich erst vor kurzem ein
Mondsimulations-Training, bei dem Unterwasser die Schwerkraft des
Mondes simuliert wird. Zunächst dachte ich das wird einfach ein
anspruchsvolleres Tauchtraining, aber dann wurde ich wirklich
überrascht. Wir konnten die Schwerkraft auf dem Mond sehr real
nachempfinden. Ich kenne natürlich die Bilder von den
Apollo-Astronauten und konnte dann unter Wasser genauso herumhüpfen
wie Neil Armstrong und Buzz Aldrin. Das war eine spektakuläre
Erfahrung."
Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie die Originalaufnahmen
der Mondlandung das erste Mal gesehen haben?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Die Mondlandung ist mir vor allem aufgrund
meiner Schulzeit in den USA in Erinnerung geblieben. Sie wird dort
regelmäßig thematisiert, da sie natürlich ein wichtiger Teil der
eigenen Geschichte ist, und die Amerikaner sehr stolz auf dieses
Ereignis sind. Ich weiß noch ganz genau, wie der Lehrer den Fernseher
ins Klassenzimmer geschoben hat und wir dann die Aufnahmen der
Mondlandung auf Videokassette angeschaut haben. Ich finde die Bilder
aber auch heute noch absolut beeindruckend."
Nun würde Sie Ihre Weltraum-Mission nicht zum Mond, aber auf die
internationale Raumstation ISS führen. Welche Aufgaben würden Sie
dort wahrnehmen?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Konkret haben wir für unseren Aufenthalt auf der ISS bereits humanphysiologische Experimente geplant. Vor allem geht es darum herauszufinden, warum sich die Schwerelosigkeit auf den weiblichen Körper anders auswirkt als auf den männlichen. Auch hierfür wäre es notwendig, dass endlich mehr Frauen ins All fliegen, denn Deutschland liegen zu dieser Thematik bislang nur wenige Daten vor."
Gibt es überhaupt einen plausiblen Grund, warum bislang elf deutsche
Männer ins All geflogen sind, jedoch keine einzige Frau?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Tatsächlich gab es in Deutschland bereits
Raumfahrtanwärterinnen, die auch für Einsätze vorgesehen waren. Die
Politik strich dann jedoch Anfang der 90er Jahre das Budget, sodass
die Missionen auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Die beiden
angehenden Astronautinnen haben daraufhin auf das 'Warten' verzichtet
und sind aus dem Team ausgetreten."
Sie sind nicht nur angehende Astronautin, sondern auch Meteorologin
und Mutter. Wie stressig kann man sich Ihren Alltag vorstellen?
Schaffen Sie es überhaupt regelmäßig Sport zu machen?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Solange wir uns im Basistraining befinden,
genügt eine gute Grundfitness. Regelmäßiges Training ist dafür
natürlich trotzdem notwendig. Im Sommer nehme ich meine Kinder aber
einfach mit zum Schwimmtraining. Das lässt sich dann sehr gut
verbinden. Die Kinder machen ihre Schwimmabzeichen und ich mein
Sportprogramm."
Was würden Sie sagen, wenn Ihre Kinder ebenfalls den Traum
entwickeln, in den Weltraum zu fliegen?
Dr. Insa Thiele-Eich: "Ich würde ihnen wohl dasselbe sagen wie mein Vater damals zu mir: 'Macht diese Idee auf keinen Fall zu eurem Plan A'. Ehrlicherweise hat er mir sogar gesagt, dass dieser Wunsch unrealistisch ist, da grundsätzlich sehr selten Astronauten gesucht werden. Der Traum vom Flug ins Weltall könnte also für immer einer bleiben." [Verwendung des Interviews nur in Verbindung mit einem Sendehinweis auf die Doku "Mission Mond - Als die Welt den Atem anhielt" am Sonntag, 21. Juli 2019, um 22:50 Uhr in SAT.1.]
Quelle: SAT.1 (ots)