Schweine vom Fließband und wütende Bauern
Archivmeldung vom 14.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićLebewesen als industrielle Massenware: Rund 56 Millionen Schweine werden jährlich in Deutschland geschlachtet. Und: Viele Bäuerinnen und Bauern fühlen sich von Verbrauchern, Handel und Politik unter Druck gesetzt. Trecker-Demos in Innenstädten und grüne Kreuze am Feldrand sind sichtbarer Ausdruck ihres Ärgers.
Das SWR Fernsehen bringt mit "betrifft: Schweine vom Fließband - Bleibt der Tierschutz auf der Strecke?" und "Aufstand mit Trecker - Bauern, Frust und grüne Kreuze" einen Themenschwerpunkt über die derzeitige Situation der Landwirtschaft am Mittwoch, 30. Juni 2021, ab 20:15 Uhr. Im Anschluss sind die Filme in der ARD Mediathek abrufbar.
Tiere wie Ware: Züchtung "just in time"
Fleisch vom Fließband: So wie Autos oder Maschinen werden in Deutschland Schweine "just in time" gezüchtet, geschlachtet und zu Fleisch- und Wurstwaren verarbeitet. Doch diese durchgetaktete Massenproduktion ist durch die Corona-Krise ins Stocken geraten. Nach Infektionsfällen in der Belegschaft mussten Schlachthöfe ihren Betrieb über Monate zurückfahren oder zeitweise einstellen - mit verheerenden Folgen für die Landwirtinnen und Landwirte. Die Tiere drängten sich in den Ställen, die Preise für Schweinefleisch sanken auf ein historisches Tief. Seither machen die meisten Landwirtinnen und Landwirte täglich Verlust, die Probleme mit dem Tierschutz wachsen.
Rund 40 Millionen Schweine erleiden Liegeschäden durch Betonspaltenböden
Für Deutschlands obersten Schlachthofveterinär Dr. Kai Braunmiller ist nicht allein die Corona-Krise verantwortlich für die problematische Situation in vielen Ställen, sondern auch die Haltung der Tiere auf Betonspaltenböden. Davon bekommt rund die Hälfte aller Tiere mittlere bis schwere Liegeschäden. Nach seiner Einschätzung sind das nicht tolerierbare Straftatbestände. Folgt man seinen Ausführungen, würden von den rund 50 Millionen Schweinen, die pro Jahr in Deutschland gemästet werden, mehr als 90 Prozent rechtswidrig gehalten. Dies beträfe mehr als 40 Millionen Tiere.
Es gibt Alternativen zur Billigfleischproduktion
Die SWR Autoren Monika Anthes und Edgar Verheyen recherchieren seit Jahren zu den Auswirkungen der Billigfleischproduktion auf Menschen, Tiere und Umwelt. Sie haben mit Vertretern der Fleischindustrie, mit Politikern, Tierschützern und Landwirten gesprochen und zeigen: Bei zahlreichen Betrieben geht es auch anders - artgerecht und wirtschaftlich zugleich.
Viele Bauern am Wendepunkt
Über Jahrhunderte war die Landwirtschaft von Traditionen geprägt. Nun scheint sie an einem Wendepunkt angekommen. In "Aufstand mit Trecker - Bauern, Frust und grüne Kreuze" begleitet Autor Christoph Würzburger drei Bauern aus dem Südwesten, die sich in der Zwickmühle fühlen zwischen ruinösen Erzeugerpreisen und wachsender Reglementierung und Bürokratie.
Landwirtinnen und Landwirte protestieren
Thomas Frenk führt einen Familienbetrieb mit Äckern, Wiesen, Tierhaltung und eigenem Hofladen. Die Zahl solcher eher kleinen bis mittleren Betriebe, wie er einen führt, geht seit Jahren zurück. Angesichts immer neuer Standards bei Tierschutz, Qualität und Umweltschutz geben viele seiner Kolleg*innen auf. Andere schließen sich zusammen. Frenk zum Beispiel engagiert sich in der Organisation "Freie Bauern", die wie die Vereinigung "Land schafft Verbindung" mit spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam macht. Treckerkorsos, Blockaden, grüne Kreuze am Feldrand: Viele Bauern fühlen sich vom Bauernverband nicht mehr vertreten und gehen in die Offensive. Sie wollen, wie sie sagen, nicht länger die Sündenböcke einer verfehlten Agrarpolitik sein.
Junge Hofbetreiber suchen neue Wege
Auch Theresa und Christoph Pfeifer vom Kastanienhof in Mainz waren schon kurz davor, aufzugeben. Die Auflagen für ihre Obst-Plantagen seien immer abstruser geworden, sagen sie. Doch der Hof existiert bereits seit Generationen. Die beiden sind jung, haben Kinder und suchen nach neuen Wegen. In Helmenzen im Westerwald betreiben Silke und Matthias Augst einen konventionellen Familienbetrieb in der siebten Generation mit Ackerbau und Milchviehhaltung. Als ihre Molkerei pleiteging, bekam das Paar mit seinen beiden kleinen Söhnen Existenzangst. Mit "hybrider Landwirtschaft" wie einem Hühnermobil wollen sie jetzt konventionelle und biologische Bewirtschaftung verbinden.
Programmtipp
"Betrifft: Schweine vom Fließband - Bleibt der Tierschutz auf der Strecke?" und "Aufstand mit Trecker - Bauern, Frust und grüne Kreuze" am Mittwoch, 30. Juni 2021, um 20:15 bzw. 21 Uhr im SWR Fernsehen. Nach der Sendung sind die Filme für zwölf Monate in der ARD Mediathek abrufbar unter ardmediathek.de
Quelle: SWR - Südwestrundfunk (ots)