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betrifft: In der Gutachterfalle

Archivmeldung vom 08.12.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.12.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: "obs/SWR - Südwestrundfunk/Thomas Diehl"
Bild: "obs/SWR - Südwestrundfunk/Thomas Diehl"

Querulatorische Persönlichkeitsstörung - zu diesem Schluss kam ein Gutachter bei Ilona H. nachdem sie ihre Nachbarin angeblich mit einem Einkaufswagen verletzt haben soll. Weitere gefährlichere Straftaten seien zu erwarten. Eine anmaßende, schwer zu belegende Behauptung, so scheint es. Aber wenn ein Gutachter so etwas schreibt, bleibt das nicht ohne Folgen. Mit den Konsequenzen von Gutachten beschäftigt sich "betrifft" am Mittwoch, 9. Dezember, um 20.15 Uhr im SWR Fernsehen.

Der Richter entscheidet bei Ilona H., dass sie in eine forensische Klinik muss. Die Gesellschaft müsse vor ihr geschützt werden. Ganze sieben Jahre wird sie weggesperrt. Ähnlich ergeht es Michael P., der bis heute einsitzt. Seine Straftat: ein Faustschlag in das Gesicht des Sohnes seines Vermieters. Michaels Schwester kämpft verzweifelt um seine Entlassung.

Es gibt offenbar eine ganze Reihe von Gutachtern, die Menschen ohne lange zu zögern als "schuldunfähig" oder "vermindert schuldfähig" einstufen, auch bei Bagatelldelikten. Wohl wissend, dass das häufig viele Jahre im Maßregelvollzug bedeuten kann. Da viele Richter psychiatrische Gutachten nicht oder nur selten kritisch hinterfragen, machen sie die Gutachter zu den eigentlichen Richtern. Das ist vor allem deshalb bedenklich, weil Fehlgutachten nicht die Ausnahme, sondern fast die Regel sind, wie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum vermuten lässt: Die Gefährlichkeit von entlassenen Straftätern wurde in 85 Prozent der untersuchten Fälle falsch eingeschätzt.

Diese Erfahrung musste auch Nico machen. Er war nach Fehltritten in der Jugend insgesamt 14 Jahre in der Forensik. Nun will er Schadensersatz und Schmerzensgeld. Seine Anwältin macht ihm allerdings wenig Hoffnung: "Gutachter werden nicht zur Rechenschaft gezogen", sagt sie. Vor den Folgen eines vermeintlichen Fehlgutachtens floh Eberhard H. ins Ausland. Der zuständige Psychiatrieprofessor hat Eberhard H. nie persönlich gesprochen, diagnostizierte aber aufgrund von Schilderungen eine "gefährliche Manie".

Warum haben Gutachter eine solche Macht? Wer kontrolliert die Gutachter und die Vergabe von Gutachteraufträgen? Wie wird die Qualität von Gutachten überprüft? Fragen, die sich nicht erst seit dem spektakulären Fehlgutachten von Gustl Mollath stellen. Eine Reform soll die Macht und Willkür der Gutachter einschränken und für mehr Gerechtigkeit sorgen. Sie liegt dem Justizministerium vor und wird kontrovers diskutiert. Fehlt die Bereitschaft, wirklich etwas zu ändern?

"betrifft: In der Gutachterfalle" am Mittwoch, 9. Dezember, 20.15 Uhr, SWR Fernsehen

Quelle: SWR - Südwestrundfunk (ots)

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