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Illegale Tierversuche: Gravierende Verstöße in Versuchslaboren

Archivmeldung vom 20.11.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith
Tierversuche
Tierversuche

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

NDR Recherchen legen erstmals illegale Tierversuche in ganz Deutschland offen: Demnach führten Versuchslabore in insgesamt 9 von 16 Bundesländern in den vergangenen zwei Jahren Tierversuche ohne Genehmigung durch oder wichen von dieser ab. Das ergab eine bundesweite NDR Abfrage bei den jeweils zuständigen Behörden. Abgefragt worden waren Daten zu Kontrollen, den gefundenen Verstößen und den Strafen. Tierversuche müssen in Deutschland behördlich geprüft und genehmigt werden.

Allein in Niedersachsen wurden bei Kontrollen 24 Fälle im Zeitraum zwischen Mai 2022 und Juli 2023 festgestellt, bei denen Experimente ohne Genehmigung oder mit abweichendem Vorgehen durchgeführt wurden. In Nordrhein-Westfalen waren es 17 Fälle derart nicht genehmigter Tierversuche im Jahr 2022. Weitere illegale Experimente an Versuchstieren gab es unter anderem in Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die meisten Tierversuche werden von Universitäten und Forschungseinrichtungen durchgeführt zu allgemeinen Fragen in der Medizin. Auch Pharmafirmen machen Tierversuche, vorgeschrieben zum Beispiel für die Zulassung von Arzneimitteln. Betroffene Tierarten waren in den genannten Fällen neben Mäusen und Ratten auch Affen und Kaninchen.

Bei den illegalen Versuchen kam es mehrfach vor, dass die von den Behörden ursprünglich genehmigte Anzahl der Tiere überschritten wurde, also mehr Tiere einem Versuch ausgesetzt wurden als genehmigt. Andere Forschende wichen beispielsweise bei Experimenten an Kaninchen vom Versuchsablauf ab; ein gravierender Verstoß, weil die Belastung der Tiere vorher genehmigt werden muss. Und es kamen Fälle ans Licht, in denen Labore mehr Tiere als "Überschuss" töteten als erlaubt.

Massive Verstöße gab es auch bei der Schmerzbelastung von Versuchstieren. Sie bekamen zu wenig Medikamente zur Schmerzausschaltung. Die Daten der Aufsichtsbehörden zeigen, dass in mehreren Fällen Wissenschaftler*innen Narkoseverfahren einsetzten, die nicht der Genehmigung entsprachen.

Die unabhängige Berliner Landestierschutzbeauftragte Dr. Kathrin Herrmann hat selbst jahrelang behördliche Kontrollen in Tierversuchslaboren durchgeführt und findet die Zahl der Verstöße alarmierend. "Es ist erschreckend, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Dieses Ausmaß an illegalen Versuchen in Deutschland war bisher nicht bekannt und es muss der politische Wille da sein, dass man sagt, wir wollen hier das geltende Recht durchsetzen." Das sehe sie aber in vielen Bundesländern nicht.

Die Strafen für Verstöße, auch für Tierversuche ohne Genehmigung, sind nach NDR-Recherchen dagegen eher lasch. So gab es für das verspätete Aussetzen eines Versuchs, der das Leid der Tiere verlängerte, ein Bußgeld von rund 800 Euro, für das Abweichen von einem experimentellen Verfahren ein Bußgeld von 1500 Euro. Und selbst für das nicht genehmigte Töten von Tieren musste ein Labor nur 750 Euro zahlen. Viele Verfahren wurden sogar eingestellt oder die Verantwortlichen erhielten eine "Verwarnung ohne Verwarngeld".

Das CDU-geführte nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium teilt mit, nach Feststellung von Verstößen werde grundsätzlich die Überwachungsfrequenz der jeweiligen Tierversuchseinrichtung erhöht. Und: "Bei frühzeitiger und korrekter Antragsstellung wären die festgestellten Abweichungen genehmigungsfähig gewesen."

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte von den Grünen nimmt die NDR Abfrage zum Anlass und kündigt an, dass künftig mehr unangemeldete Kontrollen erfolgen sollen. "Gerade beim Thema Tierversuche muss auf 100 Prozent Korrektheit geachtet werden, das muss man ernst nehmen." Die Fälle gäben auch Hinweise darauf, dass der "Sanktionsrahmen nicht ausgeschöpft" worden sei. Doch das sei auch eine bundespolitische Angelegenheit. "Ich wünsche mir von der Koalition im Bund, dass der Bereich Tierversuche auch weiter aufgegriffen und im Gesetz verbessert wird."

Das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) überarbeitet derzeit das Tierschutzgesetz. Doch bisher soll es keine strengeren Vorgaben und Sanktionen für den Bereich Tierversuche geben. Die Zahlen zu illegalen Tierversuchen in vielen Bundesländern seien dem Ministerium bisher nicht bekannt gewesen, sagte die zuständige Staatssekretärin des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Dr. Ophelia Nick (Bündnis 90/Die Grünen) im Interview mit dem NDR.

Mehr zur NDR Recherche zeigt ab Montag, 20. November, 10.00 Uhr, die Dokumentation "45 Min - Das Schicksal der Laborhunde" in der ARD Mediathek https://1.ard.de/Das_Leiden_der_Laborhunde.

Die Dokumentation ist am selben Tag um 22.00 Uhr im NDR Fernsehen zu sehen.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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