Fritz Pleitgen: Krenz hat 1989 die Chance vertan, die DDR-Bevölkerung durch Offenheit für sich zu gewinnen
Archivmeldung vom 05.11.2014
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.11.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 9. November vor 25 Jahren fiel die Mauer. Aus diesem Anlass zeigt phoenix am kommenden Sonntag zum Jahrestag in dem Themenschwerpunkt "Als es noch zwei Deutschlands gab" um 10.30 Uhr das Originalgespräch von Fritz Pleitgen mit Egon Krenz. Der WDR-Chefredakteur und spätere Intendant Pleitgen sprach am 23. November 1989 mit Krenz, dem damaligen Partei- und Staatschef der DDR, über die Zukunftsperspektiven nach der Grenzöffnung. Der Titel der Sendung lautet "Die Ansichten des Egon Krenz - Ein Gespräch mit dem Partei- und Staatschef der DDR". Im Interview mit der phoenix-Presseabteilung erzählt Fritz Pleitgen, wie er das Gespräch, das für viel Aufsehen sorgte, damals wahrgenommen hat.
Herr Pleitgen, am 23. November 1989 haben Sie als erster westdeutscher Journalist Egon Krenz, den Nachfolger Erich Honeckers als Partei- und Staatschef der DDR, in Berlin interviewt. Wie haben Sie ihn erlebt?
Als ich ankam, räumte mein Kamerateam gerade das ehemalige Honecker-Büro um, damit es für das Fernsehen interviewtauglich wurde. Plötzlich stand Krenz bei uns und sagte mir: "Für mich steht bei diesem Interview viel auf dem Spiel, ich bin es auch nicht gewohnt, von West-Journalisten interviewt zu werden. Was raten Sie mir?" Ich sagte ihm, er solle immer die Wahrheit sagen und offen sein. Das käme beim Publikum am besten an.
Hat er sich an Ihren Rat gehalten?
Nach der ersten Frage merkte ich, dass er wie immer redete. Da war nichts von Offenheit. Als er nach der zweiten Frage weiter im gleichen Stil antwortete, wurde mir klar, dass ich dies so nicht durchgehen lassen kann. Also habe ich entsprechend seiner Antworten meine Fragen spontan formuliert.
Wie schätzten Sie das Interview, das große Wellen schlagen sollte, selbst ein?
Ich war mit mir eigentlich unzufrieden und dachte, den habe ich zu gut davonkommen lassen. Aus Ärger auf mich habe ich mir dann die Sendung nicht angesehen. Sofort danach rief mich Dirk Sager vom ZDF an und sagte: "Den hast Du nicht davonkommen lassen." Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll von dem Interview. In den Tagen darauf trafen viele Briefe ein. Die große Mehrheit fand, dass Krenz endlich in einer Weise befragt wurde, in der er immer hätte befragt werden sollen. Es gab auch einige, die der Meinung waren, ich hätte ihn über den Tisch gezogen. Der Meinung war Krenz wohl auch.
Die Wirkung des Interviews war auf jeden Fall enorm...
Später habe ich gehört, dieses Interview habe mit dazu beigetragen, dass Krenz als Parteiführer keine Zukunft mehr hatte. Und die SED mit ihm genauso wenig.
Sonntag, 09. November 2014, 10.30 Uhr Die Ansichten des Egon Krenz - Ein Gespräch mit dem Partei- und Staatschef der DDR
Die Sendung ist Teil des phoenix Thementages zum 25. Jahrestag des Mauerfalls.
Quelle: PHOENIX (ots)