Wer viele Pornos schaut, hat ein kleineres Belohnungssystem
Archivmeldung vom 03.06.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDurch das Internet ist Pornografie heute viel leichter zugänglich als früher. Dies zeigt sich im Pornografiekonsum, der weltweit ansteigt. Doch wie wirkt sich der häufige Konsum von Pornografie auf das menschliche Gehirn aus? Dieser Frage geht eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus nach.
Pornografie ist ein gesellschaftliches Tabu. Kaum jemand bekennt sich zu ihrem Konsum, doch der Markt ist riesig. In Gesellschaften ohne Internet musste Pornografie oft heimlich beschafft werden, heute kann sie mit ein paar Klicks diskret und direkt vor dem heimischen Computer konsumiert werden. Unter den meistbesuchten Webseiten in Deutschland befinden sich Pornoseiten weit vorne, häufig noch vor großen Medien- oder Einzelhandelsseiten.
Doch was bewirkt der Konsum von pornografischem Material im menschlichen Gehirn? Dieser Frage gingen die Berliner Wissenschaftler Simone Kühn und Jürgen Gallinat in der Studie “Structural Correlates and Functional Connectivity Associated With Pornography Consumption. The Brain on Porn“ nach. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „JAMA Psychiatry“ veröffentlicht. Die Wissenschaftler untersuchten 64 erwachsene Männer im Alter von 21 bis 45 Jahren. Vorab wurden die Probanden nach ihrem bisherigen Pornografiekonsum befragt. So zum Beispiel: „Seit wann nutzen sie pornografisches Material?“ Und: „Wie viele Stunden pro Woche schauen sie sich dieses im Durchschnitt an?“ Danach erfassten die Forscher mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) die Hirnstruktur der Probanden sowie deren Gehirnaktivitäten beim Betrachten pornografischer Bilder.
Die Auswertung der Ergebnisse zeigte einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Stunden, die die Probanden in der Woche mit pornografischem Material verbringen, und der Größe der grauen Substanz im gesamten Gehirn. Im Ergebnis zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Pornographiekonsum und der Größe des Striatums, einer Hirnregion, die zum Belohnungssystem des Gehirns gehört. Das heißt: Je mehr sich die Probanden mit Pornografie beschäftigten, desto kleiner war das Volumen ihres Striatums. „Das könnte bedeuten, dass der regelmäßige Konsum von Pornografie das Belohnungssystem gewissermaßen ausleiert“, sagt Simone Kühn, Erstautorin der Studie und Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Außerdem war die Belohnungsaktivität des Gehirns bei Probanden, die häufiger und regelmäßiger Pornografie konsumieren, beim Anblick sexuell stimulierender Bilder deutlich geringer als bei Probanden mit seltenem und unregelmäßigem Pornografiekonsum. „Deswegen nehmen wir an, dass Probanden mit hohem Konsum immer stärkere Anreize benötigen, um das gleiche Belohnungsniveau zu erreichen“, so Simone Kühn. Dies legen auch die funktionellen Verbindungen des Striatums zu anderen Hirnregionen nahe, denn bei höherem Pornografiekonsum war die Kommunikation zwischen der Belohnungsregion und dem präfrontalen Kortex schwächer. Der präfrontale Kortex trägt gemeinsam mit dem Striatum zur Motivation bei und scheint dabei das Streben nach Belohnung zu steuern.
Nach Meinung der Forscher könnten die Verbindungen des Striatums zu anderen Hirnregionen zweierlei bedeuten: Entweder ist die Abnahme dieser Verbindungen ein Zeichen erfahrungsabhängiger neuronaler Plastizität, das heißt, eine Auswirkung des Pornografiekonsums auf das Belohnungssystem. Oder aber die Unterschiede zwischen den Probanden bestanden schon vor dem Konsum und bewirken, wie häufig Pornografie konsumiert wird. Die Forscher halten die erste Erklärung für wahrscheinlicher als die zweite. „Wir gehen davon aus, dass der häufige Pornografiekonsum zu diesen Veränderungen führt. Um dies direkt nachweisen zu können, planen wir Verlaufsstudien“, ergänzt Jürgen Gallinat, Ko-Autor der Studie und Psychiater an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus.
Quelle: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (idw)