Deutsche stehen auf Fesselspiele!
Archivmeldung vom 06.02.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 8. Februar startet der letzte Teil der Verfilmung der “50 Shades Of Grey”-Trilogie im Kino. Die Saga um den dominanten Christian Grey und die devote Studentin Anastasia Steele ist ein Welterfolg: Über 100 Millionen verkaufte Bücher sprechen eine klare Sprache. Das bestätigt ein Blick auf die Seite des Casual Dating Portals C-Date: 22 Prozent der deutschen Userinnen und User geben das Spiel mit Dominanz und Unterwerfung als Vorliebe an. Für die Sexualforscherin Andrea Burri keine Überraschung: “Der Wunsch nach Sicherheit ist etwas, das sehr tief in Frauen verankert ist. Und ein Mann fühlt sich durch eine devote Frau in seiner Männlichkeit bestätigt.”
Gutaussehender, reicher Mann mit einer Vorliebe dafür, seine Gespielinnen im Bett zu unterwerfen, trifft auf blutjunge, süße, unerfahrene Studentin und führt sie in seine Welt ein - die Welt des BDSM. Die vier Buchstaben stehen für Bondage and Discipline, Dominance and Submission, Sadism and Masochism. Also Fesselspiele und Disziplinierung, Dominanz und Unterwerfung, Sadismus und Masochismus. Im Klartext: Roman-Held Christian Grey steht drauf, seine Partnerin beim Sex zu unterwerfen und ihr auch mal den Hintern zu versohlen. Mit ihrem Einverständnis, notabene. Weil es ihr umgekehrt gefällt, sich dominieren zu lassen.
Befreite Lust: Rollenspiele, Fetische und Sex Toys
100 Millionen Exemplare der “50 Shades Of Grey”-Trilogie gingen weltweit in Buchform über den Tresen. Im Kino spielten die ersten beiden Teile der Saga weltweit knapp 568 Millionen US-Dollar ein. Am 8. Februar kommt der lange erwartete dritte Teil in die Kinos: In “50 Shades of Grey - Befreite Lust” frönen die Hauptfiguren Christian Grey und Anastasia Steele als Ehepaar ihrer Vorliebe für Fesselspiele und Sex Toys wie Peitschen und Handschellen.
Tatsächlich kurbelte “50 Shades Of Grey” den Verkauf der einschlägigen Sex Toys um ein Vielfaches an. Und weckte offenbar auch sonst bisher verborgene Sehnsüchte. So geben beim Casual Dating Portal C-Date 19 Prozent der deutschen Userinnen und 22 Prozent der User “dominant/devot” als Präferenz an. Auch mit Rollenspielen und Fetischen können sich die Deutschen durchaus anfreunden: 20 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer stehen auf ersteres, 14 beziehungsweise 15 Prozent mögen zweites. Sex Toys machen sogar je 58 Prozent der C-Date-Userinnen und -User an.
Submission ist ein Vertrauensbeweis
Dass sich Frauen gerade in Zeiten, in denen sie auch sexuell selbstbewusster werden, nach Dominanz im Schlafzimmer sehen, ist für die bekannte Sexualforscherin Andrea Burri vom European Institute for Sexual Health in Hamburg kein Widerspruch: “Zwar haben die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zehn, zwanzig Jahre es den Frauen ermöglicht, zunehmend neue Formen der Sexualität zu entwickeln, in der auch Genuss und sich zu nehmen, was man will, im Vordergrund stehen. Aber das reicht nicht aus, um sich gegen das Jahrtausende alte instinktive Verhalten durchzusetzen. Der Wunsch nach Sicherheit und Führung ist etwas, das evolutionsbiologisch sehr tief in Frauen verankert ist.”
Der dominante, starke Mann, der sich durchsetzen kann, teile der Frau instinktiv mit, dass er gute Gene für ihren Nachwuchs habe, so Burri. “Einige Frauen suchen aber auch die Spannung und das Abenteuer, auch das wird indirekt über die Dominanz ausgestrahlt.” Umgekehrt fühle sich ein Mann in seiner Männlichkeit besonders bestätigt, wenn er auf eine devote Frau treffe, die sich ihm völlig hingibt. “Außerdem ist es auch ein Vertrauensbeweis, wenn sich eine Frau vom Mann dominieren lässt.”
Lust am Schmerz ist neurobiologisch zu erklären
Aus dem Spiel von Dominanz und Submission im Bett lasse sich übrigens nicht zwingend auf das Verhalten außerhalb des Schlafzimmers schließen, erklärt Andrea Burri. “Dominanz und Submission sind zwar Grundzüge, können aber in verschiedenen Situationen auch verschieden ausgeprägt gelebt werden oder ein Bedürfnis sein”, so die Sexualforscherin. Und: “Neurobiologische Theorien gehen davon aus, dass sowohl Mann als auch Frau dominante und submissive Vernetzungen besitzen, welche beide mit dem Belohnungszentrum im Hirn verknüpft sind. Das scheint einer der Gründe zu sein, wieso viele zwar die Präferenz für eine Rolle haben, jedoch auch im Rollenwechsel Erfüllung finden.”
Der Wunsch nach Schmerz und dem Zufügen desselben - also Masochismus und Sadismus - sei hingegen nicht weit verbreitet. Wobei die Lust am Schmerz durchaus auch neurobiologisch zu erklären ist: “Neuere Studien zeigen, dass es beträchtliche Überlappungen gibt bei den Hirnaktivierungen von Schmerz und Genuss”, erklärt Andrea Burri. “So kommt es auch beim Empfinden von Schmerz zur Ausschüttung einer Reihe von chemischen Botenstoffen, die zu einer Art exstatischem Zustand führen können.”
Interview zum “50 Shades Of Grey”-Filmstart mit der Sexualforscherin Andrea Burri vom European Institute for Sexual Health in Hamburg
Andrea Burri, warum gibt es gerade in Zeiten, in denen Frauen endlich auch sexuell selbstbewusster werden, offenbar so viele Frauen, die davon träumen, sich zu unterwerfen oder gar geschlagen zu werden?
Hier ist es wichtig anzumerken, dass Fantasien und Sehnsüchte nicht 1:1 auf die Wirklichkeit übertragen werden können. Der Fantasie sind nun mal keine Grenzen gesetzt und oft kommen da ganz tief liegende Bedürfnisse zum Vorschein. Der Wunsch nach Sicherheit und “Führung” ist etwas, was evolutionsbiologisch sehr tief in Frauen verankert ist. Zwar haben die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 10-20 Jahre vor allem in den westlichen Ländern es den Frauen ermöglicht, zunehmend eine neue Form der Sexualität zu entwickeln, in der auch Genuss und sich nehmen, was man will, im Vordergrund steht. Dennoch ist dieser sehr archaische Wunsch nach Sicherheit, nach der Sehnsucht nach Geborgenheit, nach wie vor da. 10-20 Jahre reichen nun mal nicht aus, um gegen das sich über Jahrtausende entwickelte, instinktive Verhalten durchzusetzen. Die beiden Dinge stehen aber auch nicht notwendigerweise im Gegensatz, denn man kann sowohl dominant sein und dennoch den Wunsch nach Schutz und Geborgenheit hegen. Wir sollten wegkommen davon, in solch rigiden Einteilungen zu denken. Demzufolge kann man sehr wohl sexuell fordernd und dominant sein, und sich dennoch ab und an nach was anderem, in dem Falle einer submissiven Interaktionsrolle, sehnen.
Was reizt eine Frau an einem dominanten Mann?
Solche Präferenzen sind nicht nur angeboren oder beruhen auf vorheriger Erfahrung, sondern hängen ein Stück weit auch von der Umwelt ab. In Gesellschaften, in der sich Frauen eher bedroht fühlen, suchen sie sich eher Partner, welche sie beschützen können, bei denen sie sich geborgen fühlen. In sicheren Umgebungen können es sich die Frauen eher leisten, den Fokus auf andere Qualitäten zu richten. Trotzdem zeigen Studienergebnisse, dass scheinbar doch ein archaisches Prinzip vorherrscht. Der dominante, starke Mann, der sich durchsetzen kann, der gesund und vital ist und so der Frau instinktiv mitteilt, dass er gute Gene für ihren Nachwuchs hat. Einige Frauen suchen die Spannung und das Abenteuer, und auch das wird indirekt über die Dominanz ausgestrahlt. Im Gegensatz zu einem eher submissiven Mann, den man schnell mal für ein wenig ängstlich hält. Aber auch Männer, die weniger dominant und eher zurückhaltend sind, können die Frau für sich gewinnen, brauchen dafür aber andere Strategien, wie zum Beispiel eine grössere Bereitschaft, in die gemeinsame Beziehung und die längerfristige Erziehung des Kindes zu investieren. Im Übrigen ist es auch hier wieder wichtig zu erwähnen, dass Dominanz und Submission auch fließend sein können, und viele Menschen dazu neigen, von beiden Seiten Züge in sich zu tragen, welche sich auch je nach Situation und Umgebung oder auch je nach Partner unterschiedlich äußern.
Und was reizt einen Mann an einer devoten Frau?
Ein Faktor kann sein, dass es für den Mann reizvoll sein kann, die Kontrolle zu haben, und damit den Handlungsverlauf weitgehend selbst zu bestimmen, so kann er die Aktivitäten ausführen, auf die er gerade Lust hat. Der Mann kann sich stark und in seiner Männlichkeit besonders bestätigt fühlen, wenn er auf eine devote Frau trifft, die sich ihm völlig hingibt, so dass er sie führen und sich im weitesten Sinne um sie kümmern kann. Es ist auch ein Vertrauensbeweis, wenn die Frau sich vom Mann dominieren lässt.
Sind Leute, die im Schlafzimmer gern dominant bzw devot sind, tendenziell auch sonst so? Oder hat das nichts miteinander zu tun?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt ja auch die oft zitierten umgekehrten Fälle: Der mächtige CEO, der eine verantwortungsvolle Position innehält, gerne kontrolliert und Macht ausübt um sich dann nach Feierabend von einer Domina den Po versohlen lässt. Endlich mal Kontrolle abgeben können, nicht auch noch beim Sex in die Korsage des einflussreichen, übermächtigen Mannes gezwungen zu werden, sich auch mal gehen lassen können - das kommt sicher vor. Aber wie gesagt sind Dominanz und Submission zwar Grundzüge, können aber in verschiedenen Situationen auch verschieden ausgeprägt gelebt werden oder ein Bedürfnis sein. Neurobiologische Theorien gehen davon aus, dass sowohl Mann als auch Frau beides besitzen: dominante wie auch submissive subkortikale Vernetzungen, welche beide mit dem Belohnungszentrum im Hirn verknüpft sind. Das scheint einer der Gründe zu sein, wieso viele zwar die Präferenz für eine Rolle haben, jedoch auch im Switchen - also im Rollenwechsel, mal submissiv, mal dominant - Erfüllung und Befriedigung finden. Nicht nur beim Sex, sondern auch in verschiedenen Lebenslagen. Außerdem sollte noch angemerkt werden, dass psychische und physische Macht nicht dasselbe sind
Warum sehnt sich jemand nach Schmerzen beim Sex? Und warum danach, anderen Schmerzen zuzufügen?
Zuerst sollte hier erwähnt werden, dass der Wunsch nach Schmerz beim Sex, sei es zufügen oder empfinden, nicht weit verbreitet ist. Man kann also nicht von einem “generellen Wunsch nach Schmerz” beim Menschen sprechen. Schenkt man neueren Untersuchungen Glauben, so üben rund 5 bis 25 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Sexualpraktiken aus, die mit der Lust an Schmerzen in Verbindung stehen. Laut einer jüngsten Umfrage in Belgien führen rund 12% der Bevölkerung regelmäßig mindestens eine BDSM-bezogene Aktivität aus, viele dieser Praktiken haben jedoch nicht notwendigerweise mit physischem Schmerz zu tun, sondern wir sprechen hier auch von “milden BDSM Varianten” wie Handschellen, Augen verbinden, etc. Klar ist jedoch, dass der Bevölkerungsanteil mit entsprechenden Fantasien deutlich höher ist; aber träumen und umsetzen sind zwei paar Schuhe. Die Gründe wieso jemand Genuss und Erfüllung in Schmerz findet sind mannigfaltig. Lange Zeit hat man geglaubt, dass Schmerz und Genuss zwei absolute Gegenpole darstellen. Neuere neurobiologische Studien zeigen jedoch, dass es beträchtliche Überlappungen gibt bei den Hirnaktivierungen, so kommt es auch beim Empfinden von Schmerz zu Ausschüttung einer Reihe von chemischen Botenstoffen, wie Endorphinen, Dopamin (unserem Belohnungshormon). Serotonin, und Adrenalin, was insgesamt zu einer Art Rush oder ekstatischem Zustand führen kann. Wieso jedoch einige Schmerzen als unangenehm und andere als genussvoll erlebt werden, weiß man nicht so genau. Eine Möglichkeit ist, dass das Bewusstsein darüber, dass die schmerzhafte Aktivität keinen reellen Schaden zufügen wird, den Schmerz in was genussvolles umwandelt. Nebst der physiologischen Komponente gibt es aber bestimmt auch psychologische Faktoren, welche dem Schmerz positive Qualitäten verleiht. Dann gibt es Unterschiede im Schmerzempfinden und der Schmerzsensibilität. Für einige ist ein etwas intensiveres Kratzen am Rücken oder ein heftigeres Knabbern am Ohr bereits sehr schmerzhaft und kann nicht mehr genossen werden. Bei anderen geht dann erst recht die Post ab.
Es gibt aber auch andere – psychoaffektive - Gründe, wieso jemand Erfüllung im Schmerz findet. So kann es auch als emotionales Ventil dienen, wenn die Emotionen und/oder negative Gedanken zu viel werden, wie z.B. wenn man sich wertlos fühlt, oder alleine, oder wütend und schuldig. Es kann auch der Selbstbestrafung dienen oder das Gefühl herbeirufen, “am leben zu sein”, gerade wenn man sich sonst körperlich dissoziiert und betäubt fühlt.
Ähnlich sieht es bei der Lust am Schmerzen zufügen aus. Auch hier führt der Akt zu einer Ausschüttung von belohnenden Neurotransmittern, hinzu kommt das Gefühl von Macht oder die Befreiung unterdrückter sexueller Fantasien.
Zu erwähnen bleibt zudem, dass wir diese “harmlosen” oder subklinischen Ausprägungen von SM differenzieren müssen vom pathologischen Sadomasochismus, welchem wohl auch andere Ursachen zugrunde liegen.
Quelle: C-Date