Urahn des Menschen war vom Aussterben bedroht
Archivmeldung vom 23.01.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKönnte man mit einer Zeitmaschine 1,2 Mio. Jahre in die Vergangenheit reisen, stünden die Chancen äußerst gering, dabei einen Vertreter des damals lebenden Homo erectus zu finden.
Humangenetiker der University of Utah berichten im Fachmedium "Proceedings of the National Academy of Science", dass es in dieser Zeit nur rund 20.000 Frühmenschen gegeben haben dürfte, wenngleich sie sich damals bereits über Afrika, Asien und Europa verbreitet hatten. "Nicht nur unsere Spezies Homo sapiens, sondern auch unsere Vorfahren waren über lange Zeit kurz vor dem Aussterben", erklärt Studienautor Lynn Jorde.
Alternative zum nuklearen Winter
Grundlage für diese Aussage ist die extrem geringe genetische Vielfalt des Menschen, vergleicht man ihn mit anderen lebenden Primaten. Ein bisheriges Erklärungsmuster dafür sind Engpässe im Laufe der Geschichte, bei denen ein Großteil unserer Urahnen getötet oder fortpflanzungsunfähig wurde. Solche Ereignisse könnten etwa die Auswanderung aus Afrika oder der Ausbruch des Super-Vulkans Toba in Indonesien darstellen, der vor 70.000 Jahren einen weltweiten nuklearen Winter ausgelöst haben dürfte.
Die aktuelle Forschung spricht allerdings dafür, dass es über hunderttausende Jahre hinweg eine dauerhaft niedrige Population von vielleicht nur 10.000 fortpflanzungsfähigen Menschen gab. Die Genetiker nutzten dabei sogenannte Alu-Sequenzen der DNA, die sich nach dem Zufallsprinzip selbst in das Genom einpflanzen können. Das geschieht zwar äußerst selten, doch bleiben stabile Mutationen zurück. Durch deren Vergleich in zwei komplett sequenzierten Menschengenomen konnte die Diversität und Populationsgröße der Vorfahren bis zum Homo erectus rückberechnet werden.
Gefährliche Umwelt verhindert Wachstum
"Das Ergebnis bestätigt die Vermutung, dass früher nur sehr wenige Menschen den Planeten besiedelten", so Johannes Krause, Humangenetiker am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im pressetext-Interview. Erst seit 2.000 Jahren sei dank der Verbreitung der Landwirtschaft die Weltbevölkerung rasch angestiegen. "Auch zu Zeiten des Neandertalers vor 100.000 Jahren war die Gesamtpopulation ähnlich klein." Der ausbleibende Bevölkerungsanstieg sei auf harte Lebensumstände zurückzuführen. "Der Kannibalismus, der beim Neandertaler häufig dokumentiert werden konnte, deutet viel eher auf extremen Nahrungsmangel als auf rituelle Techniken", so der Experte.
Allerdings liege selbst heute bei sechs Mrd. Menschen die "effektive" Populationsgröße, die ein Maß für die Diversität der Gene ist, nicht über derjenigen vor 1,2 Mio. Jahren. "Der Mensch hatte in den vergangenen 2.000 Jahren kaum dazu Zeit, neue Mutationen entstehen zu lassen. Trotz verschiedener Hautfarben sind wir uns unglaublich ähnlich, vergleicht man etwa dieselben DNA-Sequenzen zweier Menschen." Wäre die tatsächliche Population zu Zeiten des Homo erectus oder Neandertalers größer gewesen, wäre heute die genetische Diversität wesentlich höher, so der Leipziger Anthropologe.
Auch kleine Gruppen können überleben
Dass es dem modernen Menschen samt seinen Vorfahren überhaupt gelungen ist, bis heute zu überleben, dürfte er seiner großen Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit verdanken. "Es ist erstaunlich, wie viele Sozialisierungs- und Jagdformen der Mensch in den vergangenen Jahrtausenden entwickelt hat. Eine derartige Vielfalt ist den Schimpansen und Gorillas bei weitem nicht gelungen", berichtet Krause. Rein biologisch stelle die geringe Anzahl von Individuen allein noch keine Hürde für das Überleben dar. "Auch die Population mancher Wale wächst wieder, nachdem sie der Mensch bis auf wenige hundert Exemplare ausgerottet hatte."
Quelle: pressetext.deutschland
(Johannes Pernsteiner)