Zweifel an mutmaßlicher Todesursache Tutanchamuns / Hamburger Tropenmediziner vermuten eine Sichelzellerkrankung
Archivmeldung vom 23.06.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIm Februar 2010 veröffentlichten Dr. Hawass und Kollegen in der amerikanischen Zeitschrift „Journal of the American Medical Association“ (JAMA), dass sie in der Mumie Tutanchamuns mit Gentests spezifische Gen-Abschnitte des Malariaparasiten Plasmodium falciparum nachgewiesen hatten. Gleichzeitig zeigten computertomographische Aufnahmen neben umschriebenen Knochendefekten zwei verkürzte Mittelfußknochen des linken Fußes. Aufgrund dieser Befunde vermutete die Gruppe um Hawass eine Malaria in Kombination mit der sogenannten Köhlerschen Knochenkrankheit als Todesursache Tutanchamuns.
In einem heute veröffentlichten Kommentar (JAMA) schlagen die Forscher
des BNI vor, den Pharao mit weiteren DNA-Tests zu untersuchen, um die
Sichelzellkrankheit als Todesursache nachzuweisen oder auszuschließen.1
Den Forschern vom BNI war aufgefallen, dass sich die Daten, die Hawass
und seine Kollegen veröffentlicht hatten, unter Berücksichtigung von
Aspekten der medizinischen Radiologie, der genetischen Epidemiologie
und der Malariaforschung auch anders interpretieren lassen.
Laut Timmann seien die radiologischen Ergebnisse der Gruppe um Hawass
zwar mit der Köhlerschen Erkrankung vereinbar, doch seien diese Defekte
ebenso für die Sichelzellkrankheit typisch. "Tropenmedizinern ist
außerdem bekannt, dass in Malariagebieten Todesfälle aufgrund von
Malaria meist im Kindesalter auftreten", erklärt Timmann. Tutanchamun
sei jedoch erst im jungen Erwachsenenalter gestorben, womit eine
tödlich verlaufende Malariainfektion wenig plausibel scheine.
Sichelzellkrankheit häufig in Malariagebieten
Bei der Sichelzellkrankheit nehmen die roten Blutzellen unter
bestimmten Bedingungen eine Sichelform an, verschließen Blutgefäße und
können dadurch Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen.
Sind Knochen betroffen, können Knochenläsionen die Folge sein.
„Die genetischen Anlagen für die Erbkrankheit werden in den Regionen
gefunden, in denen Malaria gehäuft auftritt oder auftrat, unter anderem
auch im alten und modernen Ägypten. Die Sichelzellkrankheit kann sich
erst dann manifestieren, wenn ein Nachkomme von beiden Elternteilen
Sichelzellanlagen geerbt hat - eine sogenannte rezessive Vererbung
also", erklärt Meyer.
Gleich mehrere Aspekte sind grundsätzlich mit dem Erbgang und dem
Auftreten einer Sichelzellkrankheit in der königlichen Pharaodynastie
vereinbar. Dazu zählen der vorgeschlagene Stammbaum, die vermutliche
Geschwisterschaft von Tutanchamuns Eltern und die damit erhöhte
Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer rezessiven Erbkrankheit sowie
das angenommene höhere Alter vieler Familienmitglieder der
Tuthmosidenlinie.
Quelle: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin