Einstiger Co-Pilot Jürgen Vietor lobt Überführung der "Landshut" nach Deutschland - Vietor schildert Eindrücke der Entführung im Interview
Archivmeldung vom 11.10.2017
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Freigeschaltet durch André OttVor dem 40. Jahrestag der "Landshut"-Entführung durch palästinensische Terroristen am 13. Oktober 1977 hat der damalige Co-Pilot der Lufthansa-Maschine, Jürgen Vietor, die Überführung des Airbus nach Deutschland gelobt.
"Die Maschine ist ein Symbol des Deutschen Herbstes. Während es jede Menge Bücher und Dokus gibt, werden aber die Zeitzeugen bald nicht mehr leben. Es bleibt nur noch ein physisches Monument übrig, die Landshut", sagte Vietor der "Heilbronner Stimme". Auch wenn die Überführung nach Deutschland viel Geld gekostet habe: "Ich finde, nun können die Jüngeren direkt daran erinnert werden und sich damit auseinandersetzen, was vor 40 Jahren in Deutschland los war: brutalster Terrorismus, Schleyer-Entführung und Ermordung, Lufthansa-Entführung, Selbstmorde in Stammheim. Alles wird im Dornier-Museum pädagogisch gut aufbereitet."
Vietor kritisierte den Umgang mit der RAF-Geschichte in Deutschland. "Grundsätzlich wird meist über die Täter gesprochen. Zum Beispiel kann sich das frühere RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock im Fernsehen und in den Printmedien ausführlich darstellen, was eigentlich unerträglich ist. Es gibt meterweise Literatur über Täter, aber kaum etwas über Opfer. Unter Opfern verstehe ich die Witwen und die Halbwaisen, die insgesamt 33 durch die RAF Ermordeten wie Polizisten, Leibwächter und Bankiers", sagte der frühere Co-Pilot weiter.
Nach der Entführung habe die Lufthansa ihm psychologischen Beistand angeboten, den er aber nicht wahrgenommen habe, erklärte Vietor. "Ich versuchte so zu tun, als hätte es die Entführung nicht gegeben. Nach einem Sonderurlaub bin ich bereits am 29.12.1977 wieder mit der Landshut geflogen, danach noch 42 Mal."
Vietor erinnert sich noch gut an den Moment der Entführung: "Wir waren gerade über Toulon. Ich habe unten den Hafen angeguckt. In dem Moment kam der Mahmut rein. Zuerst dachte ich, was ist das für ein Radau hinten? Ist da ein Servierwagen irgendwo dagegen geschlagen?", erzählt der ehemalige Pilot dem Blatt. "Dann ging die Türe auf, die Pistole auf Kapitän Schumanns Kopf, mich hat er in die Rippen getreten und "out out out!" gebrüllt. Ich sollte zwei Mal erschossen werden. Als Mahmut das "J" auf meiner Junghans-Uhr erblickte, glaubte er, ich sei Jude. Ich musste im Gang hinknien und der Entführer richtete die Pistole auf meinen Kopf. Schumann konnte im letzten Moment aufklären und ich musste meine Uhr zertrümmern. Ein anderes Mal rutschte mir beim Funkverkehr das Wort "Terrorist" heraus, was Mahmut außer sich brachte. Er setzte seine Pistole auf meine Stirn. Sekunden vor Ablauf eines Ultimatums ließ er die Waffe sinken."
Quelle: Heilbronner Stimme (ots)