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Identität Königin Edithas bestätigt

Archivmeldung vom 17.06.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gotische Statuen von „Edgitha“ und „Otto“ im Magdeburger Dom. Bild: Chris 73 / de.wikipedia.org
Gotische Statuen von „Edgitha“ und „Otto“ im Magdeburger Dom. Bild: Chris 73 / de.wikipedia.org

"EDIT REGINE CINERES HIC SARCOPHAGVS HABET ..." ("Die geborgenen Reste der Königin Edith sind in diesem Sarkophag ...") − die Inschrift von 1510 scheint nun bestätigt. In dem Bleisarg, der Ende 2008 bei der Forschungsgrabung im Magdeburger Dom unter der Leitung von Rainer Kuhn (Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt) im angeblichen Kenotaph der Editha aufgefunden wurde, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tatsächlich die sterblichen Überreste der Königin zur vorerst letzten Ruhe gebettet worden.

Nach der spektakulären Auffindung und Bergung der Bestattung wurden umfangreiche Untersuchungen in verschiedenen Labors in Deutschland und England durchgeführt, die nun die Zuweisung mehr als wahrscheinlich machen. Aufgrund der hohen, auch internationalen Bedeutung des Fundes wurde eine Forschergruppe aus anerkannten Experten zu den verschiedenen Fundgruppen, wie Knochen, Textilien, Metalle, Pflanzen- und Insektenresten zusammengestellt. Die grundlegenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen sind beendet – nun können zentrale Fragen beantwortet werden. Die vordringlichste davon: Befinden sich im Sarg tatsächlich die Gebeine der Königin Editha, der Enkelin Alfreds des Großen, des berühmtesten sächsischen Königs von England? Editha war im Alter von 19 Jahren aus Wessex nach Magdeburg gekommen, wo sie Otto den Großen heiratete und 946 im Alter von 36 Jahren verstarb. Beigesetzt wurde sie historischen Quellen zufolge ursprünglich im Mauritiuskloster in Magdeburg.

Die anthropologischen Untersuchungen der Gebeine selbst wurden durch das Team um Prof. Dr. Kurt W. Alt von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt. Geschlecht, Alter und Lebensumstände der Toten lassen sich genau zu dem Bild, das uns durch literarische Quellen zu Editha überliefert ist, zusammenfügen. So stammen alle Knochen im Bleisarg von einem einzigen Individuum. Morphologische und metrische Analysen des Skeletts ergaben, dass es sich um eine zwischen 30 und 40 Jahre alte Frau von ungefähr 1,57m Größe handelte. Im Alter zwischen 10 und 14 Jahren erlittene Infektionskrankheiten oder Zustände von Mangelernährung haben als Stressmarker Spuren an den Knochen hinterlassen. Der erhaltene Gelenkkopf des Oberschenkels weist eine deutliche Reiterfacette auf, wie sie bei den Lebensumständen einer Adligen zu erwarten ist. Das Fehlen kompletter Teile der Bestattung – der Füße, Teile der Hände und vor allem des Schädels, von dem lediglich der Oberkiefer erhalten ist – ist nicht mit dem Erhaltungszustand des Skelettes zu erklären. Möglicherweise sind diese Fehlstellen auf den Reliquienhandel oder auf Volksfrömmigkeit im Mittelalter zurückzuführen.

Die Strontium- und Sauerstoffisotopenanalyse, die anhand der in den Knochen abgelagerten chemischen Signale Auskunft über die Aufenthaltsorte der untersuchten Person geben kann, hat weitere, bemerkenswerte Ergebnisse zur Lebensgeschichte der bestatteten Frau erbracht. Isotopenuntersuchungen wurden in zwei Laboren, an der Universität Mainz durch Corina Knipper und der Universität Bristol durch Dr. Alistair Pike durchgeführt. Beide gelangten unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis: Die Frau, die im Edithasarg bestattet wurde, ist im südenglischen Wessex in der Gegend von Winchester aufgewachsen. Die Untersuchungen in Bristol konnten zudem durch die Anwendung der speziellen Technik der Laser Ablation dieses Ergebnis noch präzisieren: "Gemessen wurden die Strontium-Isotope in winzigen Proben des Zahnschmelzes. Diese Mikro-Beprobung", so Alistair Pike, "erlaubt es uns, an den Sequenzen jahresringgleich die Aufenthaltsorte der untersuchten Personen bis zu einem Alter von 14 Jahren zu ermitteln."

Laut Prof. Dr. Mark Horton (University of Bristol, Department of Archaeology and Anthropology) lassen sich die Ergebnisse dieser Untersuchung zweifelsfrei mit den Stationen der Kindheit und Jugend Edithas in Wessex verknüpfen: "Editha scheint die ersten acht Jahre ihres Lebens in Südengland verbracht zu haben, allerdings wechselte sie häufig den Aufenthaltsort. Erst ab einem Alter von ca. 9 Jahren bleiben die Isotopenwerte konstant. Editha muss in der Gefolgschaft ihres Vaters, König Edwards des Älteren, während dessen Regentschaft im Reich umhergezogen sein. Als die Mutter 919 geschieden wurde – also Editha zwischen 9 und 10 Jahre alt war – wurden beide in ein Kloster, vielleicht Winchester oder Wilton bei Salisbury, verbannt." Zudem haben die Mainzer Analysen gezeigt, dass die untersuchte Person hochwertige Nahrung zu sich genommen hat. Damit passt sie in das Raster, das für die Mitglieder der Magdeburger Oberschicht des Mittelalters im Vergleich nachgewiesen wurde. Auffällig ist der hohe Anteil von tierischen Proteinen und Fisch, der auch durch die Befolgung der christlichen Nahrungsgebote zu erklären ist. Für den hohen Anteil des Verzehrs von weichen Nahrungsbestandteilen sprechen außerdem die geringen Abrasionsspuren des ursprünglich komplett erhaltenen Gebisses.

Aufgrund des hohen Fischanteils in der Nahrung, der die Zusammensetzung der Kohlenstoffisotopen im Knochen beeinflusst, trat bei der C14-Datierung der Kollagenproben die bereits im Vorfeld vermutete Abweichung des Datensatzes auf: Beide Labore, Kiel (Leibniz-Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Prof. Dr. P. M. Grootes und Dr. J.-M. Nadeau) und Mannheim (Klaus-Tschira-Labor für Physikalische Altersbestimmung, Dr. B. Kromer), kamen grundsätzlich zum selben Ergebnis: Die Proben erscheinen ca. 200 Jahre älter als das von Editha überlieferte Todesdatum, was sehr gut durch die genannten Ernährungsgewohnheiten erklärt werden kann.

Doch nicht nur die Resultate der Untersuchungen der Knochen sprechen allesamt für die namentliche Zuweisung der sterblichen Überreste an Editha. Auch die Analysen des weiteren Sarginhalts, des Bleisarges selbst und die archäologischen Nachforschungen im Magdeburger Dom fügen sich lückenlos in diese Indizienreihe ein.

Die archäologische Untersuchung des Fundaments unter dem angeblichen Kenotaph der Editha im Chorumgang des gotischen Doms durch das Team um Rainer Kuhn hat gezeigt, dass hier mehrere Bestandteile früherer Grabanlagen bewusst wieder verbaut wurden. Dies ist der Beleg dafür, dass es sich tatsächlich um die auch schriftlich bezeugte Memoria der Königin Editha handelt. Das älteste Relikt früherer Bestattungen ist ein einfacher Sandsteinsarkophag, der durchaus der ersten Bestattung des 10. Jahrhunderts zugeschrieben werden könnte und mehrmals geöffnet wurde, wie verschiedene Mörtelschichten am oberen Abschluss des Sarkophages, wo der Deckel aufsetzte, belegen. Neben weiteren möglichen zwischenzeitlichen Umbettungen wurden die Überreste der Editha sicher nach dem Dombrand 1207 in den Chorumgang des gotischen Neubaus verbracht. Indizien hierfür sind die Maßwerkfragmente aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts, die neben dem älteren Sandsteinsarkophag im Fundament eingemauert wurden. 1510 schließlich wurde der inschriftlich datierte Bleisarg gefertigt und in den aufwändig gestalteten neuen Steinsarkophag mit Reliefplatte gebettet.

Auch die C14-Analysen der Textilien aus dem Leibniz-Labor der Universität Kiel sprechen für eine mehrfache Umbettung. Mehrere Lagen von Stoffresten konnten beprobt und so mit verschiedenen Wiederbestattungen in Verbindung gebracht werden. Die dabei erzielten Daten decken genau diesen Zeitraum zwischen dem 10. bis 16. Jahrhundert ab. Dr. Heinrich Wunderlich, Leiter der Restaurierungsabteilung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle, hat die Farbstoffe der verwendeten Textilien untersucht: Einige Stoffe wurden mit Kermes rot gefärbt, dem wertvollsten Farbstoff des Mittelalters. Dies und die Tatsache, dass es sich zum Teil um höchstwertiges seidenes Samitgewebe handelt, weisen eindeutig auf eine königliche Bestattung hin. Das Blei des Sargs wurde im Harz gewonnen, vermutlich am Rammelsberg bei Goslar. Im Sarg fanden sich zwischen Knochen und Textilien zahlreiche Insektenreste, bei denen vor allem das massenhafte Vorkommen des Laufkäfers Harpalus rufipes auffällig ist. Diese Käfer müssen durch Fackelschein oder eine ähnliche Beleuchtung und den hellen Stoff im Bleisarg angelockt worden sein, als dieser zumindest für kurze Zeit vor der Umbettung 1510 nachts offen im Freien gestanden hatte. Ebenfalls im Inneren wurden Haferkörner entdeckt, die offenbar von einem mit Textil ummantelten Spelzenkissen stammen, auf dem die Tote gebettet wurde. Kleine Fragmente des Sadebaums belegen, dass die Verstorbene mit immergrünen Zweigen von dieser für mittelalterliche Klostergärten bedeutsamen Zier- und Heilpflanze geschmückt worden war. Es scheint, als wäre die Verstorbene auch zur Umbettung 1510 noch einmal besonders geehrt worden und in ihrer Stadt und Gemeinde hoch angesehen gewesen.

Eine Vielzahl voneinander unabhängiger Indizien, wie die biologischen Merkmale, Lage und Ort der Bestattung, die Inschrift auf dem Bleisarg sowie die hohe Qualität der gefundenen Textilreste reihen sich aneinander und verdichten so den zu beweisenden Sachverhalt. Die wichtigste Frage ist beantwortet, doch die Forschung zur Bestattung der Königin und deren Kontext wird die interdisziplinäre Expertengruppe sicherlich auch die nächsten Jahre noch beschäftigen.

Die Ausgrabungen im Magdeburger Dom werden in Kooperation zwischen der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Landeshauptstadt Magdeburg durchgeführt. Die Grabungen finden seit 2006 statt. Grabungsleiter ist Rainer Kuhn. Die Erforschung der Geschichte des Magdeburger Doms liegt in den Händen einer interdisziplinären Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Schenkluhn (Institut für Kunstgeschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg).

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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