„Antike Könige nutzten das Ansehen ihrer Frauen“
Archivmeldung vom 10.12.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtArchäologin Katharina Martin über die Abbildung historischer Frauen auf Münzen, dem ältesten Massenmedium der Menschheit – Ähnlichkeiten zwischen antiken und heutigen Geldstücken
Antike Herrscher der hellenistischen Welt nutzten das Ansehen und Aussehen ihrer Gattinnen und Mütter, um damit auf Münzen des 3. bis 1. Jahrhunderts vor Christus für sich zu werben. Das zeigen numismatische Forschungen aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ zu Kommunikationsstrategien hellenistischer Herrscher, die die Münzprägung revolutionierten, indem sie das Porträt des Monarchen zum gängigen Münzbild erhoben. „Als im 3. Jahrhundert vor Christus erstmals auch historische Frauen auf Münzen erschienen, inszenierten Könige sie als Garantin für das Wohl und den Fortbestand ihrer Dynastie“, erläutert Archäologin Dr. Katharina Martin vom Exzellenzcluster. Münzbilder von Königinnen dienten zunächst im ptolemäischen Ägypten und im Seleukidenreich dazu, die Herrschaft des Königs zu legitimieren und zu festigen. „Politische Macht hatten diese Frauen nicht, aber Ansehen und Einfluss, und damit sorgten sie für Stabilität und Kontinuität der Dynastie.“
Im klassischen Griechenland spielten Frauen in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle, wie die Archäologin ausführt. „Öffentliche Sichtbarkeit auf Münzen erlangten einige erst im 3. Jahrhundert vor Christus. Das war ein bedeutender Schritt, denn Münzen fanden sich schon damals in fast jedem Geldbeutel und wurden zum zentralen Kommunikationsmittel – zum ältesten Massenmedium der Menschheit.“ Bei den weiblichen Personen auf den Geldstücken handelte es sich stets um Frauen aus einflussreichen Kreisen der Königshäuser. Dabei blieb das Bild der Königin im Motiv-Repertoire der Münzen immer eine Ausnahme, die Regel war das Porträt des männlichen Königs als staatlicher Repräsentant und Wertgarant des Geldes.
Göttinnen statt Ehefrauen
Ein frühes Beispiel für weibliche Präsenz auf Münzen ist Arsinoë II. (etwa 316-270 vor Christus), die Tochter des Dynastiegründers Ptolemaios’ I. in Ägypten, wie die Wissenschaftlerin ausführt. „Aus politischem Kalkül wurde sie wiederholt verheiratet, je nach politischer Interessenlage in verschiedene andere Dynastien; schließlich heiratete sie in Alexandria ihren eigenen Bruder. Hier wurde die außergewöhnlich prominente Frau zur ersten bedeutenden Frau im ptolemäischen Ägypten mit großem gesellschaftlichem Einfluss.“
Manche Herrscher bildeten ihre Gattinnen oder Mütter auf wertvollen Sonderprägungen aus Gold oder Silber ab, die sich gezielt an die politischen Eliten am Königshof richteten. Andere Dynastien nutzten nach den Erkenntnissen von Katharina Martin bewusst Bronzegeld, das weiter verbreitet war und in alle Schichten der Gesellschaft getragen wurde. Zuweilen zeigen die Münzen auch Göttinnen, deren Ähnlichkeit mit historischen Königinnen nicht zufällig ist: Solche Angleichungen finden sich besonders beim Bronzegeld. „Diese religiösen Darstellungen dienten ebenfalls der Inszenierung von Macht und Einfluss des münzprägenden Herrschers“, so die Forscherin. „Auf einer Münze aus dem 1. Jahrhundert vor Christus etwa erinnert der Kopf der behelmten Göttin Athena mit ihrem langen Zopf an die Herausgeberin, die indo-griechische Königin Agathokleia. Kleopatra Thea steht als Schicksalsgöttin an der Seite ihres Gatten, des Seleukidenkönigs Alexander Balas: Auf diese Weise umgaben sich Könige mit einer göttlichen Aura und werteten sich selbst auf.“
Für ihre Studie hat die Archäologin zahlreiche Münzen untersucht, auf die hellenistische Herrscher zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert vor Christus Frauen prägen ließen. Sie analysierte neben den politischen Botschaften, die die Könige zwischen Sizilien und dem Hindukusch mittels Münzen an Volk und Königshof richteten, auch den Zusammenhang zwischen dem Motiv und dem Wert der Münzen. „Anders als vermutet, scheinen Bild- und Geldwert in diesem Fall nicht aneinander gekoppelt. Vielmehr unterscheiden sich Münzmetall und Nennwert der Münzen, die eine Herrscherin abbilden, stark von Dynastie zu Dynastie. Es lässt sich daher nicht verallgemeinern: Je höher die gesellschaftliche oder politische Bedeutung der Dargestellten, umso höher der Geldwert – zumal Münzen von geringerem Wert ja wiederum eine höhere Verbreitung im Alltag hatten.“
„Verblüffende Ähnlichkeit zu heutigen Münzen“
Zwischen antiken und heutigen Münzen mit Monarchen-Porträts bestehen große Ähnlichkeiten, wie die Archäologin darlegt: „Zum Thronwechsel in den Niederlanden erschien 2013 eine Zwei-Euro-Gedenkmünze mit den Köpfen der abdankenden Königin Beatrix und ihres Sohnes und Nachfolgers Willem Alexander. Während in dem Jahr der neue König noch hinter seiner Mutter stand, erschien er auf der Sonderserie des folgenden Jahres 2014 dann im Vordergrund. Diese Inszenierung eines ‚königlichen Paares‘ als repräsentative Einheit nutzten erstmals die Ptolemäer in Ägypten und später andere hellenistische Dynastien.“ So waren auch seleukidische Königinnen des 2. Jahrhunderts vor Christus – Laodike und Kleopatra Thea – gemeinsam mit ihren regierenden Ehegatten oder Söhnen auf Münzen abgebildet.
Neben den Sonderprägungen geht auch die bis heute übliche Einzelbüste auf den regulären Münzen nach den Worten der Archäologin auf die hellenistische Antike zurück: „In dieser antiken Tradition inszenieren sich die Könige von Spanien, Monaco, Belgien und den Niederlanden bis heute auf Euro-Münzen – genau wie Königin Elisabeth II. auf dem britischen Pfund oder Königin Margarete II. auf der dänischen Krone“, sagt Katharina Martin. „Die spanischen 1- und 2-Euro-Münzen zeigen noch den 2015 abgedankten König Juan Carlos. Eine neue Münze für den amtierenden König Felipe VI. ist in Planung. Luxemburg wiederum präsentiert auf seinen Euro-Münzen Großherzog Henri, Monaco erst Fürst Rainer, seit 2006 Fürst Albert II.“
„Die Forschung hat Münzen lange als Stiefkind behandelt“
Die Untersuchung über Frauen auf hellenistischen Münzen war Teil des Forschungsprojektes B1 am Exzellenzcluster „Religion und Politik im ältesten Massenmedium der Menschheit. Königliche Münzbilder von der iberischen Halbinsel bis zum Hindukusch“. Weitere Projektergebnisse finden sich in den Sammelbänden „Das Diadem der hellenistischen Herrscher“ und „BildWert“, die die Archäologen und Projekt-Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Salzmann, Prof. Dr. Achim Lichtenberger, Dr. Heinz-Helge Nieswandt und Dr. Katharina Martin im Habelt-Verlag herausgegeben haben. Die Beiträge von Katharina Martin darin lauten „Göttin und Königin. Zur Präsenz des Diadems auf hellenistischer Königinnen-Münzen“ bzw. „Der ‚Wert der Königin‘. Eine Frage des Nominals?“.
Mit Blick auf die Numismatik, die wissenschaftliche Beschäftigung mit Münzen, unterstreicht die Forscherin: „Die Archäologie hat Münzen lange Zeit als Stiefkind behandelt. Sie hat sie nicht als wertvolle eigenständige Quelle erkannt, sondern meist nur als Hilfsmittel hinzugezogen, etwa zur Datierung von archäologischen Befunden oder der Identifizierung von Porträts.“ Erst in den vergangenen Jahren habe sich das Fach wieder stärker der Numismatik zugewandt. „Inzwischen zeigt sich, dass die Untersuchung von Münzen zahlreiche eigene Erkenntnisse hervorbringt.“ (han/vvm)
Quelle: Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (idw)