Dinoschädel nach 170 Jahren wieder vollständig
Archivmeldung vom 06.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls Dr. August Goldfuß 1842 in Mainz das Skelett eines krokodilartigen Raubsauriers vorstellte, war das eine wissenschaftliche Sensation: Schließlich war es das erste Mal, dass ein fast unversehrter fossiler Schädel des "Meeresungeheuers" Mosasaurus gezeigt wurde. Was fehlte, war allerdings die Schnauzenspitze. Erst 2004 tauchte sie in Paris wieder auf.
Die Odyssee des Mosasaurus-Schädels ist auch die Geschichte eines großen
Missverständnisses: Anfang der 1830er Jahre fand ein Pelzhändler am Missouri ein
Skelett, das er für einen Alligator hielt. Die fossilen Knochen waren in eine
Felswand eingeschlossen; die Schnauzenspitze ragte jedoch hervor. Der Händler
brach sie ab und verkaufte sie im nahen St. Louis an einen Sammler. Über Umwege
landete das Fragment schließlich im Besitz des Chirurgen und Naturkundlers Dr.
Richard Harlan. Der hielt es für den fossilen Rest einer bis dahin unbekannten
Dinosaurierart, die er 1834 auf den Namen "Ichthyosaurus missouriensis" taufte.
Zur selben Zeit unternahm der deutsche Naturkundler und Ethnologe Prinz
Maximilian zu Wied-Neuwied eine Expedition durch den Westen der USA. In St.
Louis stieß er auf das Skelett eines alligatorähnlichen Tieres, das kurz zuvor
am Missouri ausgegraben worden war. Es war ausgesprochen gut erhalten; nur die
Schnauzenspitze fehlte. Prinz Maximilian ließ es nach Deutschland verschiffen
und übergab es dort dem deutschen Wissenschaftler Dr. August Goldfuß.
Goldfuß erkannte, dass es sich um eine neue Art des Meeressauriers
"Mosasaurus" handeln musste. Er bedankte sich bei seinem Gönner, indem er der
Art den Namen "Mosasaurus maximiliani" verlieh. 1845 publizierte er ein Buch
über den Fund, das auch ausgesprochen detaillierte Zeichnungen des Schädels
enthielt. Auch Richard Harlan hatte die Schnauzenspitze mit Feder und Tusche
festgehalten. Schnell mehrten sich die Stimmen, dass "sein" Fragment den Skizzen
nach hervorragend an den von Goldfuß beschriebenen Fund zu passen schien. Einen
endgültigen Beweis gab es aber nicht: Die Schnauzenspitze galt nach dem Tode
Harlans als verschollen.
Bis zum Jahr 2004. Dann stießen die beiden
US-Paläontologen Gordon Bell und Mike Caldwell bei Recherchen im Nationalmuseum
für Naturgeschichte in Paris auf ein ungewöhnliches Knochenfragment, das ihnen
bekannt vorkam: Die Schnauze des angeblichen "Ichthyosaurus missouriensis", die
so lange verschwunden gewesen war. Dr. Richard Harlan hatte sie wohl kurz vor
seinem Tode dem berühmten Museum vermacht. Dort hatte man es registriert und
prompt vergessen.
Mosasaurus verlor seinen blaublütigen
Nachnamen
Als wertvolles Belegexemplar wird die
Original-Schnauzenspitze in Paris bleiben. Momentan ist aber ein Abguss auf dem
Weg nach Deutschland. Im Goldfuß-Museums der Bonner Universität lagert nämlich
der Rest des Originalskeletts. "Wenn die Schnauze passt, ist endgültig bewiesen,
dass Harlan keinen Ichthyosaurus beschrieben hatte, sondern eine neue
Mosasaurus-Art - und das schon Jahre vor August Goldfuß", erklärt der Kustos des
Museums Dr. Martin Sander. "Damit könnte der Fund so viele Jahre nach seiner
Entdeckung noch einmal Wissenschaftsgeschichte schreiben." Denn wer eine Art als
erstes wissenschaftlich beschreibt, dem gebührt das Recht der Namensgebung.
Schon 1969 wurde der Meeressaurier daher auf Verdacht umbenannt. In Anlehnung an
Harlans ursprünglichen Vorschlag heißt er seitdem "Mosasaurus missouriensis".
"Der endgültige Beweis ist aber noch nicht erbracht", betont Sander.
Dass Harlan das Schnauzenfragment ausgerechnet nach Paris schickte, ist
übrigens kein Wunder: Frankreichs Hauptstadt genoss unter Paläontologen damals
einen hervorragenden Ruf. Hier hatte schließlich bis in die 1830er Jahre der
berühmte Georges Cuvier geforscht und gelehrt. Der Franzose gilt als Begründer
der Paläontologie. "Eine seiner wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse
verdankte Cuvier übrigens just dem Mosasaurus", erklärt Martin Sander.
"Allerdings nicht unserem: 1770 waren bereits in der Nähe von Maastricht erste
Mosasaurus-Fossilien gefunden worden. Napoleon erbeutete sie später und ließ sie
nach Paris bringen, wo Cuvier sie untersuchte." Der französische Naturforscher
erkannte, dass die Überreste von einem Tier stammten, das es gar nicht mehr gab.
"Cuvier wies so erstmalig nach, dass Arten tatsächlich aussterben können", sagt
Sander. "Eine revolutionäre Entdeckung!"
Quelle: Pressemitteilung Uni Bonn