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HIStory: Entdeckung und Eroberung Amerikas – Teil 1: Portugal

Archivmeldung vom 20.07.2024

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.07.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: apolut / Eigenes Werk
Bild: apolut / Eigenes Werk

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von HIStory! Mein Name ist Hermann Ploppa und ich entführe Sie heute in die Zeit der Entdeckung und Eroberung Amerikas durch spanische und portugiesische Abenteurer und Freibeuter. Ein heiß umstrittenes Thema. Denn soviel können wir jetzt schon sagen: der Gold- und Silberrausch der Conquistadoren war für die entdeckten Menschen und deren Umwelt das reinste Inferno.

Einheimische wurden skrupellos verbraucht durch Sklavenarbeit. Oder sie wurden einfach erbarmungslos und sadistisch zu Tode gemetzelt. Der soziale Bodensatz Europas tobte sich in der Gesetzlosigkeit der Wildnis hemmungslos aus.

Für Europa dagegen war der Gold- und Silberreichtum Amerikas eine Dopingspritze. Die Spanier und Portugiesen wurden plötzlich zu schwerreichen Global Playern. Ich mache diese Folge von History unter anderem deshalb, weil ich unlängst die frühneuzeitliche Pracht von Andalusien mit eigenen Augen anschauen konnte. Und es verschlug mir tatsächlich die Sprache. Die Kathedralen von Cordoba oder Sevilla bergen derart viele Kostbarkeiten, dass man es kaum glauben kann. Eine üppige Pracht an Gold- und Silberarbeiten. Fein ziseliert auf wertvollstem Material. Dazu gigantische Mahagoni-Schnitzarbeiten. Die Goldschätze gestapelt. Es scheint keine Obergrenzen zu geben. Die spanischen Edelleute konnten sich die besten Schnitzer, Maler, Plastiker und Gärtner ihrer Zeit kaufen. Es erschüttert dabei doch nicht wenig, dass von all diesem plötzlichen Reichtum der Adligen aus Spanien und Portugal das einfache Volk überhaupt nicht profitiert hat. Alles wurde für pure Verschwendung und Prunk abgezweigt. Alles diente nur dazu, der Selbstdarstellung eines einzelnen Edelmannes oder seiner gesamten Sippe ein unsterbliches Denkmal zu setzen.

Somit gelangen wir bereits zu der Frage: wie kommen die Spanier und Portugiesen zu diesem plötzlichen Reichtum?

Es ist so: seit ungefähr siebenhundert Jahren rangen die Spanier und Portugiesen zeitweise mehr schlecht als recht um das eigene Überleben. Denn im Jahre 711 nach Christus hatte der Berberführer Tariq Ibn Ziyad von Marokko kommend seine Truppen auf dem Seeweg nach Gibraltar gebracht. Die Iberische Halbinsel wurde zu jener Zeit vom Stamme der Westgoten beherrscht und verwaltet. Ibn Ziyad überrollt die Westgoten, und im Laufe der Zeit kontrollieren die Araber und die Berber nicht nur die Iberische Halbinsel, sondern auch schon Teile Südfrankreichs. Im Jahre 732 erst gelingt es einer fränkischen Koalition unter Karl Martell, seines Zeichens Großvater von Karl dem Großen, die muslimischen Eindringlinge zurückzuschlagen. Doch kontrollieren die Mauren den größten Teil der Iberischen Halbinsel für mehr als ein halbes Jahrtausend. Von Nordspanien, vom Königreich Asturien aus, wird Spanien von den Christen wieder zurück erobert. Dabei verlaufen die Fronten gar nicht so eindeutig zwischen Moslems und Christen. Es kommt gar nicht so selten vor, dass sich christliche Herrscher gegenseitig zerfleischen, oder dass auch Moslems miteinander im Clinch liegen. Auch gibt es hier zuweilen Koalitionen von islamischen und christlichen Herrschern <1>.

Mit der Zeit entsteht an der Atlantikküste das Königreich Portugal – durchaus bereits in den heutigen Grenzen. Die Reiche Kastilien und Aragon kristallisieren sich als Keimzellen von Spanien heraus. Als Ferdinand der Fünfte von Aragon und Isabella die Erste von Kastilien durch ihre Eheschließung die beiden Reiche dynastisch zusammenfügen, ist der islamische Einfluss bereits auf ein Gebiet um Granada zusammengeschrumpft. Die vereinten Truppen von Isabella und Ferdinand belagern die letzte Festung der Mauren, die Alhambra in Granada, für ein Dreivierteljahr. Am 2. Januar des Jahres 1492 kapitulieren die Mauren. Die Iberische Halbinsel ist ab jetzt wieder vollständig in christlicher Hand.

Also können wir feststellen: die Re-Conquista, also die Wieder-Eroberung, kam vor der Conquista, der eigentlichen Eroberung, die nun von der iberischen Halbinsel in die Welt hinausging. Man könnte ja annehmen, dass man sich mit dem Ziel der christlichen Rück-Eroberung der Iberischen Halbinsel zufriedengibt. Aber es kommt anders. Warum schalten die Spanier und die Portugiesen jetzt erst recht vom dritten in den vierten Gang hoch? Woher kommt dieser extreme Drang, noch mehr haben zu wollen? Dieser unstillbare Drang, sich noch mehr Vermögen zusammen zu raffen?

Schauen wir ein wenig zurück in der Zeit:

Europa war im Mittelalter zu einem armen Schlucker herab gesunken. Während China und Indien im Wohlstand und in Zivilisation lebten, wurde Europa gerupft von den Völkerwanderungen. Immer wieder fand sich Europa am Rand der Auslöschung. Die geordneten Zivilisationen des Antiken Griechenlands und des Römischen Reiches waren implodiert. Die wilden hungrigen Stämme der Germanen fielen über den Mittelmeer-Raum her, wo sich Kultur und Zivilisation gebündelt hatten. Kaum etablierten sich diese neuen Völker, und kaum hatten sie sich in der Zivilisation so halbwegs eingerichtet, da kamen durch die Mohammedaner im Südwesten und mit den Mongolen im Osten die nächsten ungebetenen Besucher in die noch nicht vollständig wieder aufgeräumte Wohnung Europa. Letztlich waren es aber gerade diese fortdauernden Kämpfe um Selbsterhaltung, die dieser neuartigen europäischen Völkermischung ihre einzigartige Resilienz verschaffen sollte.

Jene von Entbehrungen gegerbten Europäer erfuhren jetzt von dem venezianischen Händler Marco Polo, dass die Menschen in China den Europäern um Lichtjahre voraus seien. Sie wollten Marco Polo, der die chinesische Hochsprache Mandarin gelernt hatte und eine Zeit lang für den chinesischen Kaiser sogar eine ganze Provinz verwaltet hatte, einfach nicht glauben, dass es eine Welt so voller Wohlstand, Sauberkeit und Ordnung geben sollte. Marco Polo erzählte Ungeheuerliches: da gibt es von Bäumen gesäumte Alleen. Schnellstraßen, wo die Kuriere in Windeseile vorankommen. An diesen Schnellstraßen gibt es immer wieder Raststätten mit mindestens 400 Pferden, damit der Kurier auf frischen Pferden möglichst schnell weiterkommt. Beim Kaiser gibt es sogar Wettermacher. Die steigen auf das Dach und beeinflussen die Wolken so, dass es überall regnet und donnert – nur nicht über dem Schloss des Kaisers. Unglaubliches weiß Marco Polo zudem zu berichten:

„Der Bast von Maulbeerbäumen wird in einem Tiegel fein zermahlen und zu einem Brei aufgeweicht. Daraus wird ein Papier gewonnen, von schwarzer Färbung. Je nach dem Wert, den es haben soll, wird dieses Papier nun in rechteckige Streifen von unterschiedlicher Größe zerschnitten.“ <2> Und dann bekommen diese Papierlappen noch eine Unterschrift von hohen Beamten sowie ein Siegel von einem weiteren Beamten. Und wer so einen Lappen hat, kann sich jede Ware dieser Welt damit kaufen! Das soll funktionieren? Die Europäer glauben Marco Polo nicht so ganz.

Dass allerdings östlich der arabischen Welt Waren von großer Raffinesse und auch Reichtümer von Gold und Silber ganz selbstverständlich im Umlauf sein sollen, hatte sich dann doch immer weiter herumgesprochen. Besonders diese von Gold getränkte Insel Cipangu, also Japan, beflügelte die feuchten Träume der gierigen Europäer. Die Europäer bezogen aus Asien Gewürze, mit denen die wenig schmackhaften Fleischgerichte überhaupt erst verschlungen werden konnten. Und genau diese Gewürze wurden jetzt immer teurer. Denn der Weg nach Osten war den Europäern verschlossen. Zum einen etablierte sich im Osten das Osmanische Reich der Türken. Da die Christen sich in ihren Kreuzzügen nach Jerusalem wie die Axt im Walde benommen hatten, wurde ihnen jetzt dieser Weg nach Asien versperrt.

Und dann gab es da die reichen oberitalienischen Stadtstaaten Venedig und Genua. Die Händler in diesen Stadtstaaten profitierten von den durch die Verknappung verursachten Preissteigerungen nicht schlecht. Sie konnten enorm viel Kapital horten. Und damit profitabel Kredite vergeben. Acht Prozent Zinsen pro Jahr war die Norm, es konnte aber auch viel mehr sein. Warum sollte man an diesem paradiesischen Investitionsklima irgendetwas verändern?

Die beiden Seemächte Portugal und Spanien arbeiteten fieberhaft daran, die Sperre nach Asien ab jetzt über den Seeweg zu umgehen. Man hatte noch nicht viel Ahnung, wie die Welt außerhalb Europas eigentlich aussah. Doch der portugiesische König Heinrich der Seefahrer arbeitete systematisch wissenschaftlich daran, den Seeweg nach Indien über Afrika zu finden. Er schickte Erkundungsschiffe entlang der Westküste von Afrika. Vorsichtig wurde die Zielmarke mit jeder Expedition weiter nach Süden vorgeschoben.

Dabei gab es an der Küste Afrikas einen kritischen Punkt, nämlich das Kap Bojador im Gebiet der Westsahara. Weiter südlich war noch kein europäisches Schiff gesegelt. Denn viele Leute glaubten damals noch, dass die Erde eine Scheibe sei, und am Kap Bojador sei die Welt zu Ende. Fünfzehn mal schickte Heinrich der Seefahrer Expeditionen los, um am Kap Bojador vorbei weiter südwärts zu segeln. Und fünfzehn Mal fuhren die Kapitäne befehlsgemäß zum Kap Bojador. Sie trauten sich dann doch nicht weiter südwärts. Wer konnte ihnen und ihrer Mannschaft zumuten, von der Kante der Erdscheibe möglicherweise ins Nichts zu stürzen? Mit schlotternden Hosen fuhren sie deswegen unverrichteter Dinge wieder nordwärts nach hause. Endlich wagte es der Portugiese Gil Eanes. Eanes fuhr einfach weiter. Und immer weiter segelten jetzt die Portugiesen, bis im Jahre 1488 Bartolomeu Dias mit dem Kap der Guten Hoffnung den südlichsten Punkt Afrikas erreicht hatte. Genau zehn Jahre später, also im Jahre 1498, erreichte dann Vasco da Gama tatsächlich Indien. Man kann sich vorstellen, dass die arabischen Händler über die neue Konkurrenz aus Portugal alles andere als begeistert waren. Aber nun war das Handelsmonopol der Araber gebrochen. Auf die Dauer konnten die Araber den Ansturm von portugiesischen, holländischen und englischen Seeleuten nichts mehr entgegensetzen.

Nun wäre es angesichts dieser umkämpften Seewege ostwärts doch naheliegend, den Weg nach Indien westwärts über den Atlantik zu suchen. Folglich machte sich der Portugiese Ferdinand Magellan, diesmal im Auftrag des spanischen Königs, auf den Weg. 1520 fand Magellan mit seiner kleinen Flotte die Küste von Südamerika und fuhr durch jenen kanalartigen Durchlass durch Feuerland, den man seitdem ihm zu Ehren „Magellanstraße“ nennt. Am Ende der Magellanstraße kam er am Pazifischen Ozean wieder heraus. Er segelte weiter, kam zu den heutigen Philippinen und wurde dort allerdings im Kampf mit Einheimischen getötet. Doch sein Tross kam im Jahre 1522 wieder in Spanien an. Personell allerdings stark ausgedünnt. Aber der Beweis war endgültig erbracht: die Erde ist eine Kugel. Zudem konnte man mit dem damals schnellsten Verkehrsmittel, dem Schiff nämlich, die Welt komplett erschließen.

Nun hatte Portugal eigentlich alle Türen offen, um zur Weltmacht aufzusteigen. Zunächst sieht es so aus, als hätten die Spanier bei dem Wettlauf mit den Portugiesen eine absolute Niete gezogen – nämlich nichts weiter als die grau-grüne Gischt des weiten Atlantiks. Portugal und Spanien haben sich lange gestritten, wer nun die Filetstücke an lukrativen Landstrichen auf dieser Welt bekommen durfte. Mit den neuen Seekarten schien ihnen nun die ganze Welt mit ihren unermesslichen Schätzen sperrangelweit offenzustehen. Doch unter der Schirmherrschaft des Papstes Alexander des Vierten einigten sich der portugiesische König Joao der Zweite sowie auf spanischer Seite Isabella und Ferdinand im Vertrag von Tordesillas im Jahre 1494 auf eine Demarkationslinie. Diese Demarkationslinie zog sich vom Nordpol bis zum Südpol durch den Atlantischen Ozean. Alles was sich östlich dieser Linie befand, sollte König Joao gehören. Alles westlich davon konnten Isabella und Ferdinand in Besitz nehmen.

Sah erst mal nicht so verlockend aus für Spanien. Doch Isabella und Ferdinand setzten ihr ganzes Vertrauen auf Christopher Kolumbus. Der Kolumbus würde schon Reichtümer aus Cipangu nach hause holen. Da würden die Portugiesen aber dumm aus der Wäsche schauen. Nun war es nicht Cipangu alias Japan, was Kolumbus finden sollte. Aber dieser neu entdeckte Kontinent Amerika war stattdessen eine unausschhöpfliche Goldgrube! Für die Portugiesen blieb nach den Regelungen des Vertrages von Tordesillas lediglich eine kleine nach Osten zeigende Nase vom südamerikanischen Kontinent übrig. Das Gebiet der Portugiesen in Südamerika mauserte sich beizeiten zum größten und mächtigsten Staat in der Region – nämlich zu Brasilien. Bis sich Brasilien von Portugal ablöste, war Brasilien eine wichtige Stütze des Reichtums von Portugal.

Doch hatte Portugal sogar zwei schwere Rückschläge zu beklagen. Neben dem Verlust Brasiliens im Neunzehnten Jahrhundert brach dem kleinen Portugal eine gigantische Naturkatastrophe das Genick. Zu Allerheiligen am 1. November des Jahres 1755 wurde Portugal und besonders deren Hauptstadt Lissabon erst von einem Erdbeben, sodann von einem Tsunami und abschließend von einem Großbrand niedergestreckt.

Doch Portugal wollte noch nicht so ganz auf Kolonien verzichten. Deswegen erwarb Portugal Mosambik, Angola und ein paar weitere kleine Länder in Afrika. In Indien unterhielt Portugal die Enklave Goa, und in China die Enklave Macau. Ein Quell der Freude war das nicht. Die Gebiete zu verwalten brachte kein Geld ein. Im Gegenteil: Portugal versenkte hier einen Haufen Geld. Im Jahre 1975 machten schließlich rebellierende Offiziere durch die Nelkenrevolution der faschistischen Diktatur ein Ende. Danach entließen die Offiziere die Kolonien in die Unabhängigkeit. Das Kapitel der portugiesischen Kolonien war abgeschlossen.

Wir lernen aus der Vergangenheit, wie wir die Zukunft besser machen.

Quellen und Anmerkungen

<1>

<2> Paul Herrmann: Das große Buch der Entdeckungen. Reutlingen 1958. Seite 31/32

Quelle: apolut


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