Neue Erkenntnisse zur Rolle von Karl Holzamer in der NS-Zeit ZDF veröffentlicht Untersuchung zur Biografie des Gründungsintendanten
Archivmeldung vom 14.02.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithDer Gründungsintendant des ZDF, Prof. Dr. Karl Holzamer (1962 bis 1977 im Amt), hat falsche Angaben über seine Biografie während der NS-Zeit gemacht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das ZDF durchgeführt und anschließend dem Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow für eine wissenschaftliche Bewertung und Einordnung zugänglich gemacht hat.
Die Recherchen haben zu Tage gefördert, dass Holzamer unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbstständig aufgelöste Anwartschaft reduziert hat. Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hat.
Prof. Dr. Martin Sabrow gelangt zu der Einschätzung, dass sich Holzamer dem Typus des pragmatischen Opportunisten zurechnen lasse, der zur Anpassung an die neuen Verhältnisse bereit war, ohne sich die Nazi-Ideologie und ihren virulenten Antisemitismus gänzlich zu eigen zu machen. Sabrow: "Holzamers lebensgeschichtliche Stilisierung in den Jahrzehnten nach dem Krieg entsprach einem Zeitgeist, der auf Entlastung und Verdrängung der Vergangenheit zielte. Auch wenn er sich während der NS-Zeit weder innerhalb der parteipolitischen Institutionen noch in seinen Medienbeiträgen - soweit diese bekannt sind - über das geforderte Maß hinaus engagierte, finden sich in seinen damaligen Texten Ingredienzien des nazistischen Weltbildes und er trug in seinem beruflichen Wirken zur Aufrechterhaltung und Stärkung des 'Dritten Reichs' bei. Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibt eine über den Fall Holzamer hinausweisende Interpretationsfrage der deutschen Zeitgeschichte."
ZDF-Intendant Dr. Norbert Himmler: "Das Gesamtbild, das Karl Holzamer von sich gezeichnet hat, hält der historischen Wahrheit nicht stand. Seinen großen Verdiensten in der Zeit nach dem Krieg, als Hochschullehrer der neu eröffneten Mainzer Universität und als erster Intendant des ZDF, stehen Verstrickungen in das NS-Regime gegenüber, die er teils verschwiegen und teils uminterpretiert hat."
Bei den Vorbereitungen zum Jubiläum "60 Jahre ZDF" waren biografische Angaben in der Vita des Gründungsintendanten durch das Unternehmensarchiv des ZDF geprüft worden. Dabei ergaben sich im Abgleich mit dem auf der ZDF-Webseite und an anderen Stellen veröffentlichten Lebenslauf Holzamers Abweichungen bei den Daten zur NS-Zeit. ZDF-Intendant Himmler hat daraufhin eine interne Recherche beauftragt, in die neben dem ZDF-Archiv auch die Bestände einschlägiger staatlicher Archive (wie Bundesarchiv/Militärarchiv) zum Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg einbezogen wurden. Dabei tauchten neue Hinweise und Fakten auf, die auch die Mitgliedschaften in der NSDAP und der SA betreffen. Nach den Recherchen und Quellenfunden hat die Geschäftsleitung des ZDF eine Prüfung und Einordnung der neuen Erkenntnisse bei dem renommierten Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow beauftragt. Sabrow ist seit September 2021 Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds "Wert der Vergangenheit" und hat zum Thema eine "gutachterliche Stellungnahme" verfasst.
Der Lebenslauf von Karl Holzamer im Presseportal des ZDF wurde auf Basis der jetzt vorliegenden neuen Erkenntnisse korrigiert. Der Sender berichtet über die neuen Erkenntnisse in seinem aktuellen Programm und plant außerdem eine Fernsehdokumentation, die sich mit Nachkriegskarrieren und ihren Bezügen zur NS-Zeit anhand verschiedener Beispiele befasst. Die Stellungnahme von Prof. Sabrow hat das ZDF auf seinem Presseportal veröffentlicht.
Quelle: ZDF (ots)