Kennedy-Mord: Sternstunde der Verschwörungstheoretiker
Archivmeldung vom 20.11.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMehr als die Hälfte der US-Amerikaner sind laut Umfragen davon überzeugt, dass Präsident Kennedy einem Mordkomplott zum Opfer gefallen ist, berichtet Radio "Stimme Russlands". Dass die Behörden die offizielle Alleintäter-Version nicht dementieren wollen, schürt die ohnehin zahlreichen Verschwörungstheorien.
Die erste Untersuchung des Mordes hat auf frischer Spur stattgefunden. Die für diese Zwecke eingesetzte Kommission mit Richter Earl Warren an der Spitze erklärte, der Schütze Lee Harvey Oswald sei ein Alleintäter gewesen. Zunächst glaubten die Amerikaner daran, doch dann kamen Zweifel auf. David Talbot, Autor des Buches „Brothers: The Hidden History of the Kennedy Years”, kommentiert:
„13 Jahre nach dem Attentat begann die Wahrheit ans Licht zu kommen. Das ging auf die politische Krise wegen des Vietnamkrieges zurück, aber auch auf die Watergate-Affäre unter Präsident Nixon. Das System wurde infolge des Krise gespalten – und durch diesen Spalt sickerte die Wahrheit.“
Die Menschen wollten die ganze Wahrheit erfahren. Präsident Gerald Ford ordnete eine neue Untersuchung an. Ein Ausschuss im Repräsentantenhaus wurde damit beauftragt. Er gelangte zum Schluss, dass es ein Mordkomplott gegeben habe. Die Namen der Drahtzieher wurden allerdings nicht genannt, deswegen häuften sich Verschwörungstheorien. Eine davon besagt etwa, hinter dem Mord habe die Mafia gesteckt. Die Befürworter dieser Theorie argumentieren, Kennedy habe gegen das organisierte Verbrechen gekämpft und auf den Sturz von Fidel Castro verzichtet, weswegen die Mafia lukrative Geschäfte auf Kuba verloren habe.
Andere Verschwörungstheoretiker geben texanischen Öl-Tycoons die Schuld. Kennedy wollte ja einige Steuervergünstigungen für die Ölbranche aufheben. Die Texaner wollten außerdem Lyndon Johnson zum Präsidenten machen – und ihr Wunsch ging nach Kennedys Tod in Erfüllung.
Am häufigsten werden aber Vorwürfe gegen die CIA erhoben. Der Geheimdienst war mit Kennedys Kuba-Politik unzufrieden, aber auch mit seinem Vorgehen während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion. Der Präsident wollte außerdem keinen Krieg in Vietnam beginnen. Den Verdacht gegen die CIA schürte die Tatsache, dass sie ihre Kontakte mit Oswald abstritt. Nach Oswalds Heimkehr aus der Sowjetunion im Jahr 1962 konnte die CIA eigentlich nicht umhin, den Überläufer zu verhören. Der Geheimdienst behauptete aber, es habe keine Verhöre gegeben. Anthony Summers, Autor des Buches „The Kennedy Conspiracy“, klärt auf:
„Jahrelang hat die CIA beteuert, Oswald sei nicht verhört worden und habe ruhig in Texas gelebt. Das war aber absolut unwahrscheinlich. Ich denke, Oswald wurde vor die Wahl gestellt: Entweder kommt er hinter Gitter oder kooperiert er mit der CIA. Er war ein Instrument des Propaganda-Krieges gegen Kuba. Die CIA wollte aber nicht, dass jemand von ihren Kontakten zu Oswald erfährt – unabhängig davon, ob er schuld war oder nicht. Die Geschichte ist seltsam. Stellen Sie sich beispielsweise vor: Ein Mann will seiner Frau nicht erzählen, wo er am Abend gesteckt hat. Unbedingt wird sie auf den Gedanken kommen, dass er eine Affäre habe – selbst wenn er in Wirklichkeit nur ein Baseballspiel geguckt hat.“
Die Schlussfolgerung des Untersuchungsausschusses, dass es ein Komplott gegeben habe, gilt nicht als offizielle Version. Im Schulunterricht erfahren amerikanische Kinder nach wie vor, dass Oswald allein gehandelt habe. Die US-Behörden und Geheimdienste haben ohnehin genug Sorgen – sie wehren sich etwa gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fall Snowden und dem WikiLeaks-Skandal. Selbst wenn das Weiße Haus, die CIA und das FBI genau wissen, wer Kennedy ermordet hat, werden sie in absehbarer Zukunft kaum darüber berichten. Denn sofort wird die Frage aufkommen, warum sie so lange geschwiegen haben."
„CIA und Mafia haben ihn ermordet“
Der zuständige Untersuchungsausschuss im US-Kongress konnte den Drahtziehern des Kennedy-Mordes auf die Spur kommen – doch wegen des Widerstands der CIA wurde die Untersuchung nicht zu Ende gebracht. Das sagte David Talbot, Autor des Buches „Brothers: The Hidden History of the Kennedy Years“, im Exklusiv-Interview mit Radio "Stimme Russlands".
Herr Talbot, wer steckte hinter dem Attentat auf Präsident Kennedy?
50 Jahre nach dem Kennedy-Mord ist es aus meiner Sicht klar, dass der Präsident einem Komplott zum Opfer gefallen ist. Jenem Komplott gehören die einflussreichsten Menschen und Organisationen der USA an. Die damalige US-Regierung war gespalten in Bezug auf ihr weiteres Vorgehen im Kalten Krieg. Kennedy befürchtete einen Atomkrieg gegen die Sowjetunion und war fest entschlossen, den Kalten Krieg zusammen mit dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow zu beenden. Nach dem Attentat in Dallas schickten Kennedys Bruder Robert (damals US-Justizminister) und Jacqueline Kennedy, Witwe des Präsidenten, einen Gesandten nach Moskau. Das war ihr Familienfreund William Walton. Seine Aufgabe war, den Kreml darüber zu informieren, dass die Familie Kennedy die Sowjetunion nicht für den Anschlag verantwortlich macht. Sie wussten, dass die CIA alle Amerikaner davon überzeugen wollte, dass Lee Harvey Oswald Verbindungen zu russischen Kommunisten hätte. Trotz dieser Propaganda ging die Familie Kennedy davon aus, dass das Mordkomplott aus den USA stammte, wobei die USA und Mafia-Gruppen in diesem Komplott die Hauptrolle gespielt hatten.
Sie sind also mit der offiziellen Version nicht einverstanden, wonach Oswald ein Alleintäter war?
Absolut richtig. Die offizielle Version, die von der Warren-Kommission präsentiert wurde, war nur ein Deckmantel. Die Kommission betrachtete es eigentlich nicht als ihr Ziel, die Wahrheit herauszufinden. Selbst ihre Mitglieder haben das bestätigt. Wäre Oswald ein Alleintäter gewesen, hätte er wie all diese labilen Mörder gehandelt. Das heißt, er wäre auf seine Tat stolz gewesen. Er hätte den Mord für seine Sternstunde gehalten und offen davon gesprochen. Doch in Wirklichkeit stritt Oswald seine Verwicklung in den Mordanschlag immer ab.
Das zuständige House Select Committee on Assassinations (HSCA) wurde erst im Jahr 1976 eingesetzt. Warum?
13 Jahre nach dem Mord kam die Wahrheit allmählich ans Licht. Die Öffentlichkeit und die Politiker wollten klären, ob die CIA und die Mafia mit dem Attentat zu tun hatten. Schließlich wurden das so genannte Church Committee und das Committee on Assassinations eingerichtet. Im Jahr 1979 wurden die neuen Untersuchungsergebnisse im Fall Kennedy veröffentlicht. Das war ein Schock. Nicht viele Amerikaner wissen, dass die offizielle Version der Warren-Kommission dadurch ruiniert wurde. Es gelang den Ausschüssen leiden nicht, ihre Untersuchungen zu Ende zu bringen. Schuld daran waren der Druck der CIA und das feige Vorgehen von Medien und Politik. Trotzdem konnten die beiden Untersuchungsausschüsse auf die richtige Spur kommen. Sie nahmen Aktivitäten der CIA und der Mafia unter die Lupe. Der Geheimdienst und die Mafia unternahmen viele gemeinsame Aktionen, sie versuchten Anfang der 1960er Jahre mehrmals, Castro zu liquidieren. Generell waren sie weltweit aktiv. Aus meiner Sicht haben eben die CIA und die Mafia John Kennedy ermordet. Das haben auch viele Mitglieder des Church Committee geglaubt."
Quelle: „Stimme Russlands"