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Königliche Bibel überrascht mit rätselhaften Bildern

Archivmeldung vom 16.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bible historiale, Geburt Christi, Bild: Martina Sitt, Universität Kassel.
Bible historiale, Geburt Christi, Bild: Martina Sitt, Universität Kassel.

Mit ungewöhnlichen, teils rätselhaften Bildern überrascht eine Bibel aus dem 14. Jahrhundert den Betrachter. Forscher und Studierende der Universität Kassel haben erstmals versucht, die Bildsprache des prachtvollen Werkes zu entschlüsseln.

Ein Mann hält sein abgeschlagenes Haupt vor sich auf einem Tablett, ein Engel hat keine Flügel, aber Arme, die bis auf den Boden reichen und das Jesuskind liegt nicht in einer Krippe, sondern in einem Sarkophag. Die in Frankreich entstandene Bible historiale aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle wartet mit zahlreichen vielschichtig gestalteten Bildern auf. "Die Auswahl der Bilder ist bereits ungewöhnlich", sagt die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Martina Sitt von der Universität Kassel: "Der Künstler weicht sogar stellenweise von der im Mittelalter bekannten Ikonographie ab." Auch die Erzähltechnik ist anspruchsvoll, wenn etwa Anfang und Ende einer Geschichte gleichzeitig und damit sehr verkürzt gezeigt werden. Teils nimmt der Illustrator im Anfang auch bereits das Ende einer Geschichte vorweg. So könnte das Jesuskind im Sarkophag auf den frühen und gewaltsamen Tod des Gottessohnes hinweisen.

Ungewöhnlich sei auch die in der Bible historiale sich findende Darstellung des Evangelisten Matthäus als Geldwechsler, erklärt Sitt. Doch habe der Künstler hier wohl darauf angespielt, dass Matthäus dem Beruf des Zöllners nachgegangen sein soll, bevor er von Jesus in den Kreis der Apostel berufen wurde. "Die Miniaturen sind meist dicht bestückt mit Figuren, deuten Vor- und Nachzeitigkeit der Begebenheit in einem Bildraum an und schichten die Ereignisse in verschiedenen Bildebenen", berichtet die Kunsthistorikerin. "Das bringt die Malerei bei der 'Übersetzung' des Textes ins Bild immer wieder an ihre Grenzen." Bemerkenswert sei die ausdrucksstarke Mimik der Abgebildeten, die den Miniaturen eine seltene narrative Kraft verleihe.

Die Bilder waren nicht die einzige Hürde bei der Erforschung der Bible historiale. Im Gegensatz zu den meisten aus dem Mittelalter überlieferten Bibelhandschriften ist sie in Altfranzösisch geschrieben. Dies habe eine zügige Identifizierung wichtiger Textstellen zusätzlich erschwert, berichtet die Kunsthistorikerin. Über ein Jahr lang befassten sich Prof. Sitt und ihre Studierenden mit der historischen Bibel. Ihre Ergebnisse haben sie nun in einem reich bebilderten Buch veröffentlicht.

Die Hamburger Bible historiale ist mit ihrer opulent gestalteten farbigen Eingangsseite eine Rarität. "Im gesamten Mittelalter war die Vulgata, also die lateinische Bibel, das Standardwerk", erklärt Sitt. "Die in der Volkssprache geschriebene Historienbibel ist in dieser Form eigentlich nur aus Frankreich bekannt."

Die altfranzösische Bible historiale baut auf der so genannten Historia scholastica des Augustinerchorherrn Petrus Comestor (um 1100-1178/79) auf. Ergänzt um apokryphe Texte und Legenden wurde sie von dem Domherrn Guyart Desmoulins wahrscheinlich zwischen 1291 und 1295 verfasst. Die von den Kasseler Forschern untersuchte Handschrift war offenbar für den französischen König Karl V. (1338-1380) bestimmt.

"Karl V war ein hoch gebildeter Herrscher und ein fanatischer Büchersammler", sagt die Kasseler Kunsthistorikerin. Der hervorragende Erhaltungszustand des Buches lasse allerdings darauf schließen, dass der König in seiner Bible historiale nur wenig gelesen habe. "Vor allem die Farben sind strahlend schön und treten uns geradezu jungfräulich entgegen", berichtet Sitt. Gebrauchsspuren gebe es vor allem in der Apokalypse und im Buch der Könige. Dass das Buch für königliche Augen geschrieben und illustriert wurde, lasse sich auch daran ablesen, dass in den Bildern Themen des guten Regierens stark vorherrschen. Geschrieben und illustriert wurde die Historienbibel 1375. Nach Einschätzung der Fachleute haben möglicherweise mehrere herausragende und bekannte Künstler an dem Buch mitgewirkt. Einflüsse des Meisters der Bibel des Jean de Sy sind wahrscheinlich.

Quelle: Universität Kassel (idw)

Bible historiale, Der Prophet Daniel empfängt eine Offenbarung, Bild: Martina Sitt, Universität Kassel.
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Bible historiale, Buch der Makkabäer, Hinrichtung eines Abtrünnigen, Bild: Martina Sitt, Universität Kassel.
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Bible historiale, Anbetung der Könige, Bild: Martina Sitt, Universität Kassel.
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