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Isländisches Genom zeigt Neandertaler-Erbe der Europäer

Archivmeldung vom 23.04.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.04.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Rekonstruktion im Neanderthal-Museum.
Rekonstruktion im Neanderthal-Museum.

Wissenschaftler von deCODE genetics und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut sowie von dänischen und isländischen Universitäten veröffentlichen heute in der Zeitschrift Nature die erste Studie, in der mithilfe der Sequenzdaten des Gesamtgenoms einer Population das heutige Erbe beleuchtet wird, das aus der Kreuzung zwischen modernen und archaischen Menschen vor mehr als 50.000 Jahren entstand.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse frühere Vermutungen, dass die meisten Menschen außerhalb von Afrika ungefähr 2 % archaischer Abstammung sind, ein Ergebnis des wiederholten Kontakts und der Fortpflanzung zwischen Gruppen von Homo sapiens und verschiedenen Neandertalern. Die Ergebnisse zeigen auch unerwartet signifikante Genomfragmente des Denisova-Menschen, einer weiteren archaischen Menschenart, die sich sowohl mit Neandertalern als auch Homo sapiens fortpflanzte.

Die Hauptbedeutung der Studie liegt jedoch in der noch nie dagewesenen Datenmenge, die verwendet wurde, um die Art und den Einfluss dieses archaischen Erbes zu untersuchen. In der ersten Phase verwendete die Studie Sequenzdaten des Gesamtgenoms (whole genome sequence, WGS) von 28.000 Isländern, das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, sowie von 286 Afrikanern südlich der Sahara aus dem Projekt 1000 Genomes. Ein limitierender Faktor früherer Studien war, dass man sich zu sehr auf die Suche nach Sequenzfragmenten in modernen Genomen verlassen hatte, die von nur drei archaischen Individuen abgeleitet waren, für die qualitativ hochwertige Sequenzdaten vorlagen: zwei Neandertalern und einem Denisova-Menschen. Die Autoren dieser Studie drehten diesen Ansatz um und verwendeten als Ausgangswert für Homo sapiens afrikanische Sequenzen ohne Introgression von Neandertalern und verglichen diese mit den isländischen Sequenzdaten. Die daraus resultierenden chromosmalen Fragmente, die in Isländern, jedoch nicht in Afrikanern auftraten, bilden einen umfangreichen Katalog von 15 Millionen vermutlich archaischen Fragmenten.

Nach Kombination identischer und überlappender Fragmente identifizierten die Autoren mehr als 50.000 eindeutige archaische Fragmente, die etwa 38-48 % des lesbaren Genoms ausmachen. Diese enthalten fast 400.000 einbuchstabige Sequenzvarianten, die in den afrikanischen Proben fehlen. Interessanterweise identifizierten die Autoren in den isländischen Proben etwa 300 "archaische Wüsten", in denen keinerlei archaischen Fragmente vorkamen. Diese decken ungefähr 25 % des Genoms ab, einschließlich des gesamten X-Chromosoms.

Um den phänotypischen Einfluss der archaischen Varianten besser zu verstehen, untersuchte das deCODE-Team sie in Bezug auf den Zusammenhang mit 271 Phänotypen der Gesamtgenom-Daten von 210.000 Isländern. Nach dem Aussortieren suggestiver Assoziationen (um diejenigen zu eliminieren, die durch nahegelegene nicht-archaische Varianten verursacht wurden) identifizierte das Team fünf archaische Varianten mit genomweiten signifikanten Assoziationen. Eine davon wurde bereits mit verringerten Spiegeln des prostataspezifischen Antigens (PSA) und dem Risiko für Prostatakrebs in Verbindung gebracht, es war belang jedoch nicht bekannt, dass diese Variante archaischen Ursprungs ist; zwei Varianten wurden mit verringerten Spiegeln und einer geringeren Masse von Hämoglobin; eine vierte Variante mit einer erhöhten Zeit bis zur Blutgerinnung und eine fünfte mit geringerer Körpergröße in Verbindung gebracht.

"Egal ob auf individueller oder Populationsebene, dank unseres Genoms können wir besser verstehen, wer wir sind, da es uns erzählt, woher wir kommen. Die Veröffentlichung ist gewissermaßen Ahnenforschung für einen bestimmten Zweig unserer Spezies und sie erzählt uns, dass wir in diesem bestimmten Viertel nicht nur Homo sapiens sind, sondern auch Nachkommen früherer archaischer Menschen - verwandter Arten, deren Nachkommen somit nicht vollkommen ausgestorben sind", so Kari Stefansson, CEO von deCODE und leitender Autor der Veröffentlichung. "Wir streifen hier nur die Oberfläche dessen, was dieses Hybrid-Erbe bedeutet. Was wir wissen, ist, dass in den 50.000 Jahren seit dieser Zeit unsere Anpassungsfähigkeit und Diversität es uns im Gegensatz zu den archaischen Menschen ermöglicht haben, uns zu vermischen und weiter zu ziehen, uns niederzulassen und in jedem Winkel unseres Planeten erfolgreich zu sein. In diesen schwierigen Zeiten sollten wir uns immer bewusst sein, dass unsere Unterschiede im wahrsten Sinne des Wortes unseren Erfolg markieren, daher sollten wir uns gegenseitig bestmöglich unterstützen."

Das in Reykjavik, Island, ansässige Unternehmen deCODE ist weltweit führend in der Analyse und im Verständnis des menschlichen Genoms. Mit seiner einzigartigen Sachkenntnis im Bereich Humangenetik, kombiniert mit seiner wachsenden Kompetenz in Bezug auf Transkriptomik und Populationsproteomik und einer riesigen Menge phänotypischer Daten hat deCODE Risikofaktoren für Dutzende von Volkskrankheiten entdeckt und wichtige Einblicke in deren Pathogenese geliefert. Das Verständnis der Krankheitsgenetik verfolgt den Zweck, diese Informationen zu nutzen, um neue Möglichkeiten für Diagnose, Behandlung und Prävention von Krankheiten zu schaffen. deCODE ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Amgen (NASDAQUE: AMGN).

Quelle: deCODE genetics (ots)

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