Jugoslawien-Krieg: „Nato wollte Serben kleinkriegen“
Archivmeldung vom 16.04.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittViele Nato-Luftangriffe gegen Jugoslawien im Jahr 1999 waren militärisch sinnlos und zielten darauf ab, die Moral der serbischen Nation zu ruinieren, so der Belgrader Historiker Milovan Drecun. Jetzt veröffentlichte Radio "Stimme Russlands" Auszüge aus dem Balkan-Tagebuch eines russischen Journalisten.
Im Beitrag von Konstantin Katschalin heißt es: "Als der Nato-Einsatz gegen Jugoslawien im Jahr 1999 begann, fuhr ich sofort als Reporter ins Krisengebiet. Belgrad wurde täglich bombardiert und es war nicht möglich, direkt dorthin zu fliegen. Zunächst flog ich deshalb nach Budapest, um dann über Ungarn und Vojvodina zu fahren. Was ich in der serbischen Stadt Novi Sad sah, kann ich bisher nicht vergessen: Alle Brücken über die Donau waren zerstört. Darüber sprach ich damals mit Journalist und Historiker Milovan Drecun. Derzeit ist er Leiter des Ausschusses für das Kosovo und Metochien im serbischen Parlament. Er sagte:
Militärisch gesehen gab es keine Gründe für die Zerstörung der Brücken in Novi Sad. Ich schließe zwar nicht aus, dass die Nato einen Bodeneinsatz gegen Serbien über Ungarn plante. Aus diesem Grund wurde wahrscheinlich beschlossen, die jugoslawische Armee von diesem Teil des Landes abzuschneiden. Vor allem zielten die Luftangriffe gegen Novi Sad jedoch darauf ab, die Zivilisten in Vojvodina in Angst und Schrecken zu versetzen. In Brüssel wollte man sowohl die Zivilisten als auch die jugoslawischen Soldaten kleinkriegen. Es war sinnlos, Brücken über einen der wichtigsten Flüsse in Europa zu zerstören. Trotzdem beschloss die Nato, sowohl die Brücken als auch die Ölraffinerie in Novi Sad zu zerstören. Es ging darum, die Umwelt möglichst schwer zu beeinträchtigen, die Menschen einzuschüchtern und künftig krank zu machen.
Wozu brauchte man, die Freiheitsbrücke zu zerstören?
Diese Brücke verbindet Zentraleuropa mit dem Balkan, mit dem südlichen Teil des Kontinents. Ich möchte noch einmal betonen: Die Zerstörung dieser Brücke war sinnlos, denn sie hatte weder militärische noch strategische Bedeutung. Sie wollten uns vom internationalen Verkehrsnetz abschneiden. Damals hatte man aber einfach Angst, hierher zu fahren. Die Autostraße nach Ungarn war leer. Die Militärführung in Brüssel, so mein Eindruck, wollte so machen, dass es uns lange nicht gelingt, unsere Brücken wiederaufzubauen. Damit die wirtschaftliche Blockade gegen Serbien möglichst lange dauert. Sie wollte die serbische Bevölkerung außerdem davon überzeugen, dass die Nato eine Macht sei, gegen die man nicht kämpfen könne und der man sich unterwerfen müsse. Neben den Brücken zerstörten sie deshalb auch unsere Kraftwerke, die Wasserversorgung und so weiter.
An der Nato-Operation Merciful Angel nahmen ganz Europa und die USA teil. Was war das Hauptziel des Einsatzes?
Die Aggression war illegitim. Die Nato setzte massiv Militärtechnik gegen uns ein. Im März flogen 370 Kampfjets gegen uns Luftangriffe, im April und Mai stieg ihre Zahl auf 1.200 Maschinen zu. Im kleinen Luftraum wussten die Piloten einfach nicht, wohin sie fliegen sollen. Mehr als 26.000 Flüge wurden innerhalb von 78 Tagen des Krieges insgesamt absolviert, 19.000 davon waren Kampfeinsätze. Rund 37.000 Raketen und Bomben mit insgesamt 23.000 Tonnen sehr gefährlichen Sprengstoff wurden abgefeuert und abgeworfen. Gegen 900 zivile Anlagen wurden rund 2.000 Luftangriffe geflogen. Im Kosovo konnten die Nato-Kampfjets nur sieben jugoslawische Panzer zerstören, zerbombten dafür „heldenhaft“ 370 Industrieanlagen. Dies lässt das Hauptziel des Krieges verstehen: Es ging darum, dem Menschen in Serbien und Montenegro riesigen Schaden zuzufügen. Bombardiert wurden Betriebe, Krankenhäuser, Personenzüge, Brücken mit Kindern sowie Kirchen, wo sich Menschen zu einem Fest versammelten. Das Ziel war, die Moral der Menschen zu ruinieren.
Das schwerste Trauma erlebten die Kinder und die Jugendlichen. Dies hat sie körperlich und psychisch sehr beeinflusst. Die Gesundheit unserer Nation wurde ruiniert. Wasser, Luft und Wälder wurde verseucht. Derzeit spüren wir die Folgen. Wir Serben haben nun eine angeschlagene Moral. Wir sind nicht mehr in der Lage, uns dem US-Einfluss und den US-Eingriffen in unser Leben entgegenzusetzen.
Im Frühjahr 1999 musste ich fünfmal pro Tag für STIMME RUSSLANDS aus dem Krisengebiet live berichten. In Russland und in der ganzen Welt verfolgte man sehr aufmerksam die Ereignisse im Balkan. Man musste die Zuhörer darüber informieren, wie sich das kleine Serbien verteidigte, das man für das Kosovo bestrafte. Heute denken Europa und die USA lieben nicht an jenen Einsatz, den unbarmherzigen „Engel“ zurück."
Quelle: Text Konstantin Katschalin - „Stimme Russlands"