Weltweit einzigartige Studie zu Traumafolge-Erkrankungen bei Soldaten nach Militäreinsätzen
Archivmeldung vom 21.02.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtViele Soldaten werden von Kriegserlebnissen traumatisiert. Nicht nur psychisches Leid, sondern auch psychosoziale Probleme, soziale Isolation und eine erhöhte Aggressionsbereitschaft sind häufige Folgen. Eine erfolgreiche Reintegration in die Gesellschaft wird somit erschwert.
Mit Unterstützung der VolkswagenStiftung entwickelt ein Forscherteam der Universität Konstanz derzeit in einem weltweit einzigartigen Feldversuch psychologische Präventions- und Therapiestrategien. In einer ersten Projektphase wurden rund 1.000 Interviews und 60 präventive Interventionen mit afrikanischen Soldaten und ehemaligen Kombattanten erfolgreich abgeschlossen.
Wie ist das Forschungsprojekt aufgebaut?
Nach Aufenthalten in Krisengebieten leiden viele Soldaten an Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder an Depressionen. Zudem zeigen sie häufig ein aggressiveres Verhalten als früher und finden sich nur schwer im Alltag zurecht. Die Zusammenhänge von traumatischem Stress und Gewaltbereitschaft von Soldaten nach Kampfeinsätzen untersucht jetzt ein Forscherteam der Universität Konstanz im Rahmen eines weltweit bisher einzigartigen Prä-Post-Vergleichs. Die Wissenschaftler haben die einmalige Gelegenheit, Mitglieder der Friedensmission der African Union Mission to Somalia (AMISOM) vor und nach ihrem Militäreinsatz in Somalia zu befragen und therapeutisch zu betreuen. Dabei handelt es sich um burundische Soldaten, die für ein Jahr nach Somalia entsendet werden. So können die Forscher Veränderungen in der psychischen Gesundheit von Soldaten als Folge ihres Kampfeinsatzes unmittelbar untersuchen. Die VolkswagenStiftung fördert die innovative Studie in ihrer Förderinitiative "Offen – für Außergewöhnliches" mit rund 247.000 Euro.
Wer sind die Probanden der Studie?
Die Wissenschaftler(innen) um Dr. Roland Weierstall, Anselm Crombach, Corina Nandi und Prof. Dr. Thomas Elbert hatten in den letzten Monaten die Möglichkeit, mehr als 550 burundische Soldaten in einem Militärcamp nahe der Hauptstadt Bujumbura zu interviewen. Darüber hinaus führten sie mit rund 60 Militärs eine präventive Kurzzeit-Intervention als Vorbereitung auf ihren einjährigen Kampfeinsatz (Januar 2013 bis Januar 2014) durch. Da in Burundi erst im Jahr 2006 ein langjähriger blutiger Bürgerkrieg endete, ist davon auszugehen, dass die psychischen Vorbelastungen dieser Soldaten und ihre Gewaltbereitschaft höher ausfallen als bei vergleichbaren Personengruppen aus Europa oder Nordamerika. Neben den Interviews mit aktiven Soldaten erhob das Forscherteam zum Vergleich zusätzlich Daten von rund 400 Veteranen des burundischen Militärs sowie von ehemaligen Rebellen des Bürgerkriegs. Unterstützt werden die deutschen Wissenschaftler von burundischen Kollegen der Universität Lumière in Bujumbura um Prof. Dr. Manassé Bambonye sowie von den Militärpsychologen der burundischen Armee.
Was ist das Ziel der Interventionen?
Ziel der präventiven und kurativen Interventionen vor und nach dem Kampfeinsatz ist es, die Soldaten in die Lage zu versetzen, lebensgefährliche und gewalttätige Erlebnisse zu verarbeiten und diese als Erinnerungen aus einer anderen Zeit zu begreifen, um sich so ohne psychisches Leid und Funktionsminderung einer neuen Aufgabe widmen zu können: der Reintegration in die Zivilgesellschaft.
Wie funktioniert die neue präventive Interventionsmethode "Präventive Narrative Expositionstherapie"?
Auf der Narrativen Expositionstherapie (NET) basierend haben die Konstanzer Forscher eine präventive Intervention für Trauma-Opfer entwickelt. Dabei schildert ein Proband zunächst besonders einschneidende, traumatische Gewalterfahrungen. In einem zweiten Schritt werden alle bedeutsamen Erlebnisse im Leben des Probanden – positive wie negative – im Verlauf des bisherigen Lebens verortet und vergeschichtlicht. "Wir wissen, dass bei Patienten mit PTBS die traumatischen Ereignisse nicht mehr als Teil der Vergangenheit wahrgenommen werden können, sondern diese ständig im Hier und Jetzt präsent sind. Alltägliche Reize – beispielsweise ein vertrauter Geruch – können dann massives Angsterleben auslösen. In der Intervention durchlebt der Soldat das Trauma erneut; das Gehirn lernt dabei jedoch, alle traumabezogenen Reize an die Vergangenheit zu knüpfen. Treten Hinweise auf Gefahr erneut auf, so kann der Proband das aktuelle Angstempfinden der Realität anpassen", erläutert der Psychologe Dr. Roland Weierstall die Vorgehensweise der Therapie. "Dieser Wirkfaktor von Traumatherapie, nämlich traumatische Erfahrungen unmittelbar durch Verbalisierung in der eigenen Biografie zu verorten, soll Soldaten gegen Traumafolgestörungen immunisieren."
Quelle: VolkswagenStiftung (idw)