3500 Jahre alter Totenbuch-Papyrus zum ersten Mal wieder ausgerollt
Archivmeldung vom 21.06.2010
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEine riskante Aufgabe, die zuvor niemand gewagt hatte aus Sorge dieses außergewöhnliche und kostbare Fundstück zu beschädigen oder sogar zu zerstören. Und ein Moment, auf den der heutige Besitzer 40 Jahre lang gewartet hat. Das Ergebnis: Eine 3,20 Meter breite vollständig intakte Papyrusrolle, deren Farben so intensiv und frisch wirken, als ob der Papyrus erst vor kurzem fertig gestellt worden wäre.
Allein die grüne
Farbe bröckelte leicht und wurde sofort von den beteiligten
Studentinnen unter Leitung von Prof. Dr. Robert Fuchs, dem
Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Restaurierungs- und
Konservierungswissenschaft und weltweit gefragten Experten im Bereich
Papierrestaurierung, gefestigt. Zu sehen sind: 14 heilige oder geheime
Orte, Sprüche und Beschwörungsformeln, Dämonen u. a. in Form von
Schlangen, Krokodilen und Nilpferden sowie zwei Abbildungen des
Verstorbenen. »Damals gab es auch schon Totenbücher in
unterschiedlicher Länge von der Stange«, berichtet Prof. Fuchs. »Sie
waren nahezu komplett vorbereitet, nur der Platz für den Namen blieb
frei. Aber diese Papyrusrolle ist etwas Besonderes, sie ist speziell
für den Verstorbenen gemacht worden.« Er hieß Imn-m-H3t und war
Kammerherr eines Pharaos der frühen 18. Dynastie Ägyptens, d. h. von
Tutmosis III oder Amenophis II. »Also ein Beamter des mittleren
Dienstes«, erläutert Prof. Fuchs, »erstaunlich, dass er sich das
leisten konnte«.
Der entrollte Totenbuch-Papyrus zählt zu den schätzungsweise zehn noch
existierenden farbigen Papyri aus der frühen 18. Dynastie Ägyptens. Es
ist die zweite Hälfte eines Totenbuch-Papyrus, dessen erste Hälfte beim
unsachgemäßen Abrollen stark beschädigt worden ist und große Knicke,
Risse und viele Lücken aufweist. Seit anderthalb Jahren wird diese
erste Hälfte im Institut für Restaurierungs- und
Konservierungswissenschaft behandelt und Fragmente ergänzt, die in
anderen Sammlungen gefunden und faksimiliert wurden. Die Suche nach den
Teilpapyri ist eine Detektivarbeit, auf die sich Prof. Dr. Irmtraut
Munro, die frühere Leiterin des Totenbuchprojektes der Universität Bonn
aufs Beste versteht. Allerdings erzielen bereits kleine Bruchstücke
solcher Papyri Preise von manchmal Tausend Euro und manche Besitzer
wollen sich auch einfach nicht von ihren Papyri-Fragmenten trennen. Wie
viele Besitzer hier insgesamt existieren, ist nicht bekannt.
Der Besitzer des jetzt frisch entrollten Papyrus hat viele Jahre
gesucht bis er mit Prof. Dr. Robert Fuchs, den für ihn »weltweit
besten« wissenschaftlichen Experten für dieses Projekt an der
Fachhochschule Köln gefunden hat. Besonders problematisch waren die
Lagerungsknicke, die als erstes sorgfältig behandelt und ganz
vorsichtig aus dem Papyrus heraus gearbeitet werden mussten. Bei einer
Luftfeuchtigkeit von 97 Prozent und einer Außentemperatur von 28 Grad
wurde nach mehreren Tagen Vorbereitungszeit und fortlaufender
Befeuchtung der Totenbuch-Papyrus innerhalb von fünf Stunden langsam
zurückgeformt und ausgerollt. Er enthält neben einigem Bekannnten auch
eine weitere Besonderheit: Zum ersten Mal werden hier viele
Farbmischungen angewandt, von denen man bislang nicht wusste, dass sie
damals bereits bekannt waren: rosa, hellblau und ein aus drei Farben
gemischtes Grün.
Totenbuch-Papyri sind eine Art persönliches Gebetbuch, die aus einer
Sammlung von Sprüchen und Beschwörungen individuell für die jeweilige
Person zusammengestellt wurden. Leisten konnten sich das damals die
sogenannten oberen Hundert, sagt Prof. Dr. Munro. Der Papyrus wurde in
einer Keramikvase oder Holzbüchse ins Grab gelegt, um die Toten zu
begleiten. Mit den Sprüchen und Beschwörungen können die jeweiligen
Dämonen, die an den geheimen und heiligen Orten wohnen und den Toten
den Hals abschneiden oder die Füße verbrennen wollen, besiegt werden.
Das Entrollungsprojekt wurde von der ersten Minute an minutiös von
einem professionellen Kamerateam begleitet, um diesen einmaligen
Vorgang der Fachöffentlichkeit und später auch der allgemeinen
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jetzt muss entschieden werden, wie
der Totenbuch-Papyrus künftig aufbewahrt wird. Wird er auf einem großen
Kern wieder aufgerollt oder besser in Teilstücke geschnitten? Da eine
Papyrusrolle nur ca. zehn bis 15 Male ohne größere Schäden abgerollt
werden kann, empfiehlt Prof. Fuchs sie in etwa 1,30 Meter lange Stücke
zu zerschneiden, wobei nur an den Doppeltrennstrichen zwischen den
Kapiteln geschnitten werden darf, damit man die Rolle auch wieder ohne
sichtbaren Schaden zusammenfügen kann, falls notwendig. Die
Einzelstücke können dann zwischen zwei UV-Licht-sicheren Glasscheiben
eingefasst und in einem stabilen Behälter gelagert werden. So könnten
sie ohne Risiko für Ausstellungen oder andere Zwecke immer wieder
entnommen werden, ohne den Papyrus zu beschädigen. »Es war schon ein
großartiges Erlebnis«, berichtet Prof. Fuchs, »so einen alten Papyrus
frisch entrollt zu sehen. Gleichzeitig ist es auch eine Mahnung mit ihm
sehr verantwortungsvoll und sorgfältig umzugehen.«
Quelle: Fachhochschule Köln