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Fotos für den „Führer“

Archivmeldung vom 29.01.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.01.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Das berühmte Foto von Hitler und Mussolini war, wie jetzt bekannt ist, ein Foto des "Büro Laux".
Das berühmte Foto von Hitler und Mussolini war, wie jetzt bekannt ist, ein Foto des "Büro Laux".

Bild: Büro Laux/AP Radiophoto

Zwischen 1942 und 1945 arbeitet Associated Press eng mit dem NS-Regime zusammen. Mit höchstem Segen auch aus Washington. Das berichtet der deutsche Zeithistoriker Norman Domeier, der derzeit als Lise Meitner Fellow des Wissenschaftsfonds FWF am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien arbeitet.

Freude glimmt in Norman Domeiers Augen auf: Im Frühjahr 2018 wird er eine Entdeckung in der Öffentlichkeit platzieren. Viel verrät er nicht, nur so viel, dass es sich um die Anbahnung von Friedensgesprächen am Ende des Ersten Weltkriegs handelt. Und dass ein amerikanischer Journalist als „postillon d‘amour“ selbige hätte einfädeln sollen. Streng geheim.

Ein kleiner medialer und fachlicher Coup, den der deutsche Zeitgeschichteforscher landen will. Domeier ist derzeit im Rahmen eines Lise-Meitner-Stipendiums des Wissenschaftsfonds FWF am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien tätig. „Journalismus hat mich immer schon fasziniert“, sagt er. Beinahe wäre er selbst in diesem Fach gelandet. Letztlich waren Studium, Forschung und akademische Laufbahn dann aber doch stärker. „Wobei ich da wie dort recherchiere“, relativiert er und zieht Parallelen zwischen seiner und der journalistischen Tätigkeit.

Eine vergebene Chance

Da wie dort braucht es eine Spürnase, ein Auge für das kleine Detail, welches zu ungeahnten Erkenntnissen führt. Ein Detail, eine Bildunterschrift war es, die ihn zu seiner bisher wichtigsten Arbeit geführt hat. Zu jener über die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und ihrer engen Zusammenarbeit mit dem einem Büro von SS und Auswärtigem Amt zwischen 1942 und 1945. „In einem Buch aus den 1980er-Jahren über die Geschichte der Pressefotografie wurde ganz selbstverständlich auf die reibungslosen Kontakte zwischen Agentur und Nazi-Reich hingewiesen“, berichtet der Historiker. Es habe sich damals niemand dafür interessiert. Ein fataler Fehler, denn zu diesem Zeitpunkt hätten die Protagonisten dieser Geschichte alle noch gelebt, im besten Alter und bei bester Gesundheit.

Im Kern geht es um eine Vereinbarung, die es der amerikanischen Agentur ermöglichte, über ihre ehemaligen Mitarbeiter im deutschen „Büro Laux“, exklusiv Bildmaterial aus dem Dritten Reich zu beziehen. Im Gegenzug lieferte AP ebenso exklusiv Fotos der Alliierten an Berlin. Auf beiden Seiten mit dem Wissen höchster Stellen, auf beiden Seiten abgesichert, unantastbar geradezu.

Des Diktators Bilderschau

„Man muss wissen, dass Hitler sich jeden Tag Fotos vorlegen ließ, die besten, die interessantesten, die bedeutendsten“, schildert Norman Domeier. – Sozusagen der tägliche Instagram-Feed für den Diktator. Die nachgeordneten Dienststellen reißen sich um diesen Schatz, suchen Zugang zu ihm, suchen ihn zu nutzen. Selbstverständlich auch zum Zwecke der Propaganda. „Es gibt eine Reihe amerikanischer Fotos, die von den Nazis bearbeitet oder in einen anderen Kontext gestellt wurden“, weiß der Historiker.

Zwischen 35.000 und 40.000 Fotos wurden im Lauf der Kriegsjahre über Boten in Lissabon und Stockholm ausgetauscht. „Das war nicht der Basar, auf dem mit Zeitschriften oder Hollywoodfilmen gehandelt wurde, das war ein eigener, solider und perfekt eingerichteter Kanal“, betont Domeier. Wie das NS-Regime die Bilder nutzte, das konnte er nachvollziehen. Ausständig ist noch der Zugang der Amerikaner. „Die wussten, dass sie von den Deutschen Propagandabilder geliefert bekamen, die wussten auch, dass ihre Bilder zu Propagandazwecken benutzt wurden. Sie werden ihre Bilder ebenso genutzt und ausgewählt haben“, ist der Wissenschaftler überzeugt. Denn als die US-Armee 1945 den Geschäften des Büro Laux und seinem Archiv nachgeht, da wird die Untersuchung auf Order Washingtons gestoppt.

Wechselspiel der Identitäten

„Es fragt sich nur, wurden auf dieser Route lediglich Fotos transportiert? Oder nutzten beide Seiten den Kanal auch anderweitig?“, das interessiert Domeier. Deswegen hofft er, dass AP endlich sein Archiv öffnen wird und die US-Amerikaner dem Forscher Zugang zu ihren Akten gewähren.

Es weist diese Geschichte natürlich auch alle Facetten der Nähe und Anpassung, des Opportunismus, der kühlen Geschäftemacherei auf, die viele Biografien jener Zeit kennzeichnet. Wenn etwa deutsche Mitarbeiter der Bild- und Nachrichtenagentur flugs der Waffen-SS beitreten, um nach dem Mai 1945 diesen Beitritt in einen Akt geradezu heroischen Widerstands umzudeuten. Die Lebensläufe der Mitarbeiter des Büro Laux, die lesen sich wie ein Filmskript, eine Crime-Story zwischen Bomben und Ruinen.

Und wie verhält es sich mit der Moral aus der Geschichte? Domeier hält inne: „Wir sollen und wir können Moral und Ethik eigentlich nur im Kontext der jeweiligen Zeit betrachten.“ War es moralisch einwandfrei mit dem NS-Regime Geschäfte zu machen? Oder stand hinter dem Geschäft mit exklusivem Bildmaterial noch ein anderer Gedanke? Domeier verwehrt sich Wertungen vorzunehmen. Er recherchiert, beschreibt, was war. Arbeitet als Historiker im besten Sinne wissenschaftlich und journalistisch. Und freut sich auf das Frühjahr und seinen nächsten kleinen Coup.

Zur Person

Norman Domeier ist Akademischer Rat a. Z. am Historischen Institut der Universität Stuttgart. Nach Forschungsstipendien, die ihn unter anderem nach Washington DC, Tokio, Neu-Delhi und Moskau brachten, arbeitet er derzeit als Lise Meitner Fellow am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Quelle: Dr. Norman Domeier - Institut für Zeitgeschichte / Universität Wien

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