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Operation „Donau“ – 45 Jahre nach dem Prager Frühling

Archivmeldung vom 17.08.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.08.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Luboš Dobrovský Bild: © Flickr.com/dablyk/сс-by-sa 3.0
Luboš Dobrovský Bild: © Flickr.com/dablyk/сс-by-sa 3.0

Am 18. August 1968 haben die Führer der Warschauer Pakt-Staaten bei einer Beratung in Moskau den Einmarsch in die Tschechoslowakei abgesegnet. Sie stempelten damit im Grunde genommen nur die zwei Tage zuvor getroffene Entscheidung des ZK-Politbüros der KPdSU ab. In der Nacht zum 21. August überschritten Truppen der UdSSR, Polens, der DDR, Ungarns und Bulgariens von vier Seiten an 20 Stellen die tschechoslowakische Grenze. Das geschah bei völliger Funkstille. So begann die Operation „Donau“, die die Tschechen und Slowaken zur Aufgabe ihrer demokratischen Reformen zwang.

Wie stellen sich die damaligen Ereignisse aus heutiger Sicht dar? Welchen Einfluss hatten sie auf die Beziehungen zwischen Russland, Tschechien und der Slowakei und auf das Schicksal konkreter Menschen? Wir haben Luboš Dobrovský in Prag angerufen – von 1996 bis 2000 war er außerordentlicher tschechischer Botschafter in der Russischen Föderation und ein aktiver Teilnehmer an der „Samtenen Revolution“ von 1989:

Zum Zeitpunkt des Einmarsches arbeitete ich als Auslandskorrespondent für das tschechoslowakische Radio. Und war natürlich emotional in diese Ereignisse involviert. Die gewaltsame Lösung habe ich vorausgesehen, denn an der Grenze zur Tschechoslowakei liefen langwierige Militärmanöver der vereinten Gruppierung. Es war klar, dass die Truppen jeden Moment dafür eingesetzt werden könnten, um die Versuche der Tschechen und Slowaken zu unterbinden, einen „Sozialismus mit menschlichem Gesicht“ aufzubauen.

Sie haben das gefühlt und waren besorgt. Welche Stimmungen überwogen am Vorabend des Einmarsches in der Tschechoslowakei selbst?

Alle hatten Illusionen und Hoffnungen. Die Gesellschaft glaubte naiv, dass es den reformerisch gestimmten Führern der kommunistischen Partei gelingen würde, das totalitäre System zu lockern und zu erneuern, dass man ihnen das erlauben würde. Die Zensur war bereits abgeschafft worden, alle sprachen von der Schaffung neuer politischer Parteien und der Beschränkung der Macht der kommunistischen Partei. Die Menschen haben die Reaktion der sowjetischen Führung und einer Reihe anderer kommunistischer Regimes auf den reformerischen Trend in der Tschechoslowakei einfach nicht berücksichtigt. Wäre er weitergegangen, hätte er auch auf das gesamte so genannte sozialistische Lager überschwappen können, und davor hatten die Führer dieser Länder schreckliche Angst.

Mit einem Wort: der Einmarsch war unvermeidlich?

In der Denkweise totalitärer Regime und in der Denkweise der damaligen imperialistisch gestimmten sowjetischen Führung gab es keine Alternative zu einer gewaltsamen Entwicklung der Ereignisse.

Kommen wir zurück zu Ihrem persönlichen Schicksal. Was haben Sie in jenen Tagen in Moskau unternommen?

Die direkte Verbindung nach Prag hatte man mir abgeschnitten. Über Kollegen von Reuters und AFP (Agence France Press) informierte ich Prag, wie entstellt die russischen Massenmedien den Versuch der Demokratisierung in der Tschechoslowakei darstellen. Natürlich wurde ich bald ausgewiesen. Beim tschechoslowakischen Radio hörte ich selbst auf, weil ich Alexander Dubcek nicht mehr unterstützen wollte: meines Erachtens hat er sich in Moskau feige verhalten. Ich habe eine Zeitlang bei den Zeitschriften „Literaturni nowiny“ und „Plamen“ mitgearbeitet, aber im Zuge der anwachsenden „Normalität“ im Lande wurden sie geschlossen. Was blieb mir übrig? Ich fing als Lagerarbeiter im Museum für nationales Schrifttum an, dann war ich Kesselwärter, Fensterputzer…

Und doch nahm das Schicksal eine scharfe Wendung, und Sie kamen zurück nach Moskau…

Das passierte erst sehr viele Jahre später! Die „Samtene Revolution“ brach aus, das kommunistische Regime fiel. Ich war stellvertretender Außenminister, Verteidigungsminister und Chef der Verwaltung von Präsident Havel. Erst danach wurde ich als Botschafter nach Moskau entsandt.

Wir wissen, dass viele Menschen in Tschechien der UdSSR den Einmarsch von 1968 nicht verzeihen konnten. Aber den Polen, Deutschen und Ungarn konnten sie ihn verzeihen?

Sie müssen verstehen: Das Ganze war ja nicht auf deren Initiative geschehen. Außerdem hatten diese Völker, im Unterschied zu den Tschechen und Slowaken, nicht so eine lange Erfahrung mit dem Leben in einer demokratischen Gesellschaft, wie wir sie in der Zwischenkriegszeit gehabt hatten. Diese Länder waren lediglich Satelliten der UdSSR. Was konnte man von ihnen verlangen?

Wie haben Sie sich nach 68 in Moskau gefühlt? Haben Sie im Innern den Sowjets die Unterdrückung des Prager Frühlings verziehen?

Was für eine Vergebung? Von Vergebung kann heute überhaupt nicht die Rede sein! Wir haben uns von ganzem Herzen über den Fall des kommunistischen Regimes in der UdSSR und das Entstehen eines demokratischen Russland gefreut. Wir haben mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt, wie bei Ihnen die Zivilgesellschaft aufgebaut wurde und demokratische Institutionen entstanden. Das war der Weg, den auch unser Land zeitgleich beschritten hat. Aber heute rufen einige Tendenzen in Russland Besorgnis hervor. Genau wie die Anzeichen der Entstehung einer autoritären Präsidialrepublik in Tschechien für unbeschreibliche Unruhe sorgt. Der neue Präsident agiert mitunter wie ein richtiger Diktator, die Regierung ist zurückgetreten, das Parlament wird in allernächster Zeit aufgelöst, die politischen Parteien fallen auseinander... Die Tschechen konzentrieren sich jetzt auf ihre eigenen Sorgen. Die Geschichte der Unterdrückung des Prager Frühlings vor 45 Jahren beschäftigt sie in Wahrheit nicht mehr besonders…"

Der Beitrag wurde von einem Leser der Webseite von Radio "Stimme Russlands" mit diesem Kommentar ergänzt: "Der Artikel ist nicht ganz korrekt. Richtig ist, dass die NVA vor der tchechischen Grenze in Bereitschaft lag, diese aber nicht überschritten hat."

Quelle: Text Gajane Chanowa - „Stimme Russlands"

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