Neu datiert - In der Zeitrechnung der Antike fehlen 100 Jahre
Archivmeldung vom 02.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit längerem schon gibt die Eruption des Vulkans auf der Insel Santorin in der Ägäis Archäologen und Naturwissenschaftlern Rätsel auf. Der gewaltige Ausbruch bedeckte ein weites Gebiet im östlichen Mittelmeer mit Asche und schuf so eine universelle Zeitmarke für die Synchronisierung von Kulturen der späten Bronzezeit in dieser Region. Die Datierung dieses Ereignisses ist aber bislang umstritten.
Die verbreitete Tradition einer historischen Datierung über Königslisten und
astronomische Konstellationen, insbesondere für Ägypten, grenzen die Eruption
auf einen Zeitraum zwischen 1530 und 1500 v.Chr. ein. Dem entgegen stehen
naturwissenschaftliche Datierungen, darunter Radiokarbondaten. Sie zweifeln
dieses Datum an: Schwefel in Eiskernen aus Grönland und Proben aus Samen von der
Insel Santorin lassen auf einen Ausbruch im 17. Jahrhundert v.Chr. schließen.
Für eine zweifelsfreie Zeitangabe waren die Messungen jedoch nicht zuverlässig
genug.
Ein Stück Olivenholz konnte jetzt Klarheit schaffen. Der Fund
stammt aus der Gegend des minoischen Dorfes Akrotiri, dem "Pompeji der
Bronzezeit", das vor über 3500 Jahren in Vulkanaschen versank. Gefunden wurde es
von dem dänischen Geologiestudenten Tom Pfeiffer. Mit neuen Methoden gelang es
einem Forscherteam der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der
Universitäten Heidelberg, Hohenheim und Aarhus/Dänemark, das exakte Alter des
gefundenen Olivenbaums zu bestimmen, der beim Ausbruch eingeschlossen wurde.
Ergebnis: Die Archäologen haben sich in ihrer Zeitrechnung bislang um 100 Jahre
geirrt. Die neuen Forschungsergebnisse werden in der am Freitag erscheinenden
Ausgabe der Zeitschrift "Science" publiziert.
Prekär ist der Fund des
dänischen Geologiestudenten vor allem deshalb, weil der minoische Vulkanausbruch
der Insel Santorin ein wichtiges geschichtliches Ereignis mit Auswirkungen bis
nach China und Amerika darstellt. Archäologen benutzen diesen Einschnitt in der
Menschheitsgeschichte als Fixpunkt in der Historie des östlichen
Mittelmeerraumes.
Den Durchbruch brachte eine Kombination neuer
Untersuchungsmethoden: "Bei dem Olivenholz handelt es sich um den Ast eines
Baumes, der beim Vulkanausbruch lebend verschüttet wurde", erklärt der
Paläobotaniker Michael Friedrich, Mitarbeiter der Heidelberger Akademie der
Wissenschaft, der an der Universität Hohenheim im Institut für Botanik arbeitet.
Mit einem Computer-Tomographen, ähnlich wie ihn auch Mediziner benutzen, gelang
es den Forschern, mehr als 70 Jahresringe in dem über 3500 Jahre alten Holz zu
unterschieden.
"Danach konnten wir aus mehreren Ringen Holzproben nehmen
und über die Radiokarbon-Methode datieren", erklärt Michael Friedrich. Dabei
wird der Gehalt an C14, einer natürlichen Variante von Kohlenstoff gemessen,
dessen Gehalt sich in der Natur im Laufe der Erdgeschichte immer wieder
verändert hat. "Da wir wissen, wann der natürliche C14-Gehalt wie hoch war,
können wir theoretisch zurückrechnen, wann der entsprechende Jahrring gewachsen
ist", erklärt Dr. Bernd Kromer von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften,
die ihren Sitz am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg
hat.
Bislang scheiterte die Methode daran, dass der Kohlenstoff-Gehalt in
den Jahrhunderten um den Ausbruch mehrfach nach oben und unten schwankte, das
bedeutet, für jedes Messergebnis gibt es mehrere Alter, die in Frage kommen. "In
diesem Fall haben wir erstmals mehrere Messergebnisse aus verschiedenen Ringen,
von denen wir exakt wissen, wie weit sie auseinander liegen", erklärt Friedrich.
Auf diese Weise erhielten die Forscher ein mehrteiliges Puzzle-Stück, für das
nur eine kurzfristige Zeitspanne als Alter in Frage kam.
"Mit einer
Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent können wir das Ende der Siedlung Akrotiri nun
auf die Jahre 1627 bis 1600 vor Christus eingrenzen", bestätigt Kromer. "Damit
schließen wir von naturwissenschaftlicher Seite aus, dass der Ausbruch über die
bisher etablierten Verknüpfungen mit der historischen ägyptischen Chronologie
datiert werden kann. Vielmehr müssen die historischen und kulturellen
Beziehungen der vielfältigen Kulturen der Spätbronzezeit im östlichen Mittelmeer
neu untersucht und interpretiert werden."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.