Stasi-Experte Hubertus Knabe: Kurras hat Ohnesorg nicht im Auftrag der Stasi getötet
Archivmeldung vom 22.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Polizist Karl-Heinz Kurras hat den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 nicht im Auftrag der Staatssicherheit getötet. Davon geht der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, aus.
Eher habe Kurras die Tat "im Affekt" begangen, sagte Kurras der WAZ-Gruppe. Der Vorgang sei der DDR-Staatssicherheit, die Kurras als IM führte, "unangenehm" gewesen, glaubt Knabe. "Es drohte die Gefahr, dass ihr Agent auf diese Weise in der Berliner Polizei enttarnt werden könnte". Kurras, der Ohnesorg im Verlauf der Ausschreitungen beim Schah-Besuch in Westberlin tötete, war seit April 1955 für den DDR-Geheimdienst tätig, wie jetzt bekannt gewordene Akten der Stasi-Unterlagenbehörde belegen. Knabe sagte dazu, Polizisten hätten auf der Anwerbeliste der Staatssicherheit Priorität gehabt, viele westdeutsche Ordnungshüter hätten für sie gearbeitet, "sogar der Chef der Polizeigewerkschaft in Hamburg gehörte dazu". Informationen über den Verlauf der Studentenunruhen hätten die DDR-Oberen aber eher über Informanten aus der Studentenszene selbst erhalten. "Der Staatsicherheitsdienst hatte eine ganze Reihe von Agenten in Führungspositionen in der Studentenbewegung." Der Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisierte die Birthler-Behörde. "Ich finde es irritierend, dass die Akte zufällig gefunden wurde. 20 Jahre nach der friedlichen Revolution müsste das Archiv der Stasi-Akten doch so geordnet sein, dass man nicht mehr auf Zufallsfunde angewiesen ist. Es weckt den Verdacht, dass dieses Archiv nicht besonders gut in Schuss ist."
Tilman Fichter fordert das Ermittlungsverfahren um den Tod von Bennos Ohnesorg noch einmal aufzunehmen
Der frühere SDS-Aktivist Tilman Fichter hat Generalbundesanwältin Harms aufgefordert, das Ermittlungsverfahren um den Tod von Bennos Ohnesorg noch einmal aufzunehmen. Er habe aus Anlass des 40. Jahrestages der Ereignisse am 2. Juni 2007 an Frau Harms diesbezüglich bereits appelliert, sagte Berlins Ex-SDS-Chef (1966-1967) der Märkischen Oderzeitung (Frankfurt/Oder). "Ich bekam nie eine Antwort." Aufgrund der Kameraderie seiner Polizeikollegen sei der Todesschütze Kurras immer geschützt worden. Fichter: "Ich hoffe, dass diese Kumpanei nun wegfällt.
Fichter, später lange Zeit Referent beim SPD-Parteivorstand und am 2. Juni 1967 in West-Berlin dabei, glaubt nicht an einen Stasi-Auftrag für die Todesschüsse. "Solange aber kein Befehl auftaucht, einen Studenten per Kopfschuss zu töten, sollte man nicht Beschuldigungen erheben, die DDR stecke dahinter." Dennoch müssten die Vorfälle im Licht der neuen Erkenntnisse aufgeklärt werden.
Todesschütze Ohnesorgs bestreitet, jemals mit der Stasi kooperiert zu haben
Der Todesschütze Benno Ohnesorgs, der ehemalige Polizist Karl-Heinz Kurras, will sich weder zu seiner Stasi-Tätigkeit noch zum Tod Ohnesorgs äußern. Dem "Tagesspiegel" sagte er: "Nach 42 Jahren, was soll denn das, können die uns nicht endlich mal in Ruhe lassen." Karras bestreitet im Tagesspiegel, jemals mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) kooperiert zu haben. Seine Frau sagte dem "Tagesspiegel", sie seien alte und kranke Leute. "Wir haben hier Eigentumswohnungen und halten zusammen", sagte sie in Anspielung auf die vielen Medien, die versucht hatten, Karras an seiner Wohnung in Berlin zu sprechen. Niemand mache Fremden die Tür auf.
Buback-Sohn erstaunt über Unkenntnis der Behörden im Fall Ohnesorg/Kurras
Der Sohn des ehemaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Michael Buback, hat im Fall des Polizisten Karl-Heinz Kurras die Ermittlungsbehörden angegriffen. Mit Blick auf Kurras' Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der früheren DDR sagte Buback dem "Kölner Stadt-Anzeiger":"Ich bin erstaunt, dass solch ein Umstand so lange verborgen bleiben konnte." Buback zog eine Parallele zur Ermordung seines Vaters im Jahr 1977. Auch hierzu seien "viele Dinge mehr als 30 Jahre lang verborgen geblieben." Michael Buback zweifelt bis heute an der Darstellung der Justizbehörden über die Ermordung seines Vaters durch die RAF.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung / Tagesspiegel / Kölner Stadt-Anzeiger