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War sie die mächtigste Frau im Vatikan?

Archivmeldung vom 21.04.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Papst Pius XII. Bild: Ambrosius007 / de.wikipedia.org
Papst Pius XII. Bild: Ambrosius007 / de.wikipedia.org

Er ist einer der umstrittendsten Päpste der Geschichte - und sie die Frau, die am meisten Einfluss auf ihn hatte: Schwester Pascalina (1894 bis 1983) war fast 40 Jahre lang Privatsekretärin von Pius XII. Sie begleitete ihn bis zu seinem Tod 1958 und hatte so viel Macht wie keine andere Frau im Vatikan. Die ARD zeigt Pascalinas Lebensgeschichte: Christine Neubauer spielt Gottes mächtige Dienerin. Am Mittwoch nahm Neubauer in Rom an der Audienz des Papstes teil, um Benedikt XVI. eine DVD mit dem Film zu schenken. "Es war überwältigend", sagt die 48-Jährige der tz . "Ich habe dem Papst Grüße aus der bayerischen Heimat überbracht." Benedikt XVI. kannte Pascalina sogar persönlich.

Was kaum einer weiß: Josefine Lehnert, wie Pascalina bürgerlich hieß, stammt aus Oberbayern - und zwar aus Ebersberg. Historikerin Dr. Martha Schad, deren Buch Gottes mächtige Dienerin (Herbig-Verlag) als Grundlage für den Spielfilm diente, hat jahrelang über die Nonne geforscht. Der tz erzählte sie mehr über den Mythos Pascalina. Von wegen große Welt: München statt Afrika Schon mit 19 Jahren drängte es Josefine Lehnert, von der Familie liebevoll "Finele" genannt, ins Kloster Altötting. "Sie wollte in die Welt hinaus, in die Mission", weiß Schad. Doch der Erste Weltkrieg durchkreuzte die Pläne. Schwester Pascalina wurde nicht nach Afrika, sondern nach München geschickt: Sie sollte für zwei Monate als Haushälterin beim Nuntius, dem päpstlichen Botschafter, aushelfen - dem späteren Papst Pius XII. "Aus ein paar Wochen wurden fast 40 Jahre", sagt Schad. Denn Nuntius Eugenio Pacelli schätzte die Arbeit der fleißigen Schwester, übertrug ihr mehr und mehr Aufgaben. Sie folgte ihm sogar nach Rom, als er 1930 als Kardinalstaatssekretär begann. "Gern und doch voll Bangen reiste ich ab, verstand kein Wort Italienisch", schrieb Pascalina in ihren Memoiren Ich durfte ihm dienen. Selbst nachdem Pacelli 1939 zum Papst gewählt wurde, wollte er Pascalina an seiner Seite behalten. Sie war eine Ausnahme: Von den rund 1000 Personen im Vatikan waren nur etwa 300 weiblich, die meisten davon Familienangehörige von Beamten oder Hausgehilfinnen. Es gab nur 22 Ordensschwestern. Streng, diskret, Respekt einflößend: Schwester Pascalina eckt an Ausgerechnet eine Frau zog Papst Pius XII. ins Vertrauen. Pascalina durfte sich als einzige frei in seinen Räumen bewegen. Sie managte das Hauspersonal, inklusive Kammerdiener und Chauffeur, plante Audienzen, erledigte Post. Die Gesundheit des Heiligen Vaters ging über alles. Nahm sie an einer der Frühmessen in St. Peter teil, wussten alle, dass der Papst zu angeschlagen war, um eine Messe in der Privatkapelle zu zelebrieren. Energisch, gescheit, diskret - dank ihres Wesens  konnte sich die "Madre" in der Männerwelt behaupten. Nicht jeder kam damit zurecht, es gab Streitereien, etwa mit anderen Schwestern. "Ich will mir Mühe geben, verständnisvoller, nachsichtiger und liebevoller zu sein, dann geht es gewiss", versprach Pascalina. So machtvoll sie war - die Schwester hielt sich im Hintergrund. "Es gibt kein Bild, das sie mit dem Papst zeigt", weiß Schad. Ausgenommen eine Aufnahme: Die  Ordensfrau kniet 1958 am Sterbebett Pius XII.

Logistikgenie Pascalina: Hilfe für die Kriegsopfer Papst Pius XII. und seine Rolle im Dritten Reich - sie wird heute noch heftig diskutiert. Hätte er sich stärker einmischen müssen? "Schwester Pascalina hätte über die Geschehnisse im Vatikan aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges viel zu berichten gewusst", so Schad. Es sei nachweisbar, dass Tausenden von Juden zur Ausreise nach Übersee geholfen werden konnte. Pascalina notierte: "Der Heilige Vater, der um das Ansehen und der Ehre der Kirche willen vieles öffentlich tun musste, was sonst sicher in der Stille geschehen wäre, war immer glücklich, wenn er im Verborgenen und ohne es an die große Glocke hängen zu müssen, Gutes tun konnte." Sie selbst half, wo es nur ging. Sie schaffte für die Römer Hilfsgüter an, später schickte sie Lkw- und Zugladungen ins Ausland, nach dem Zweiten Weltkrieg auch nach Deutschland. "Sie war ein Logistikgenie", schwärmt Schad. Für ihren Einsatz bekam Pascalina unter anderem 1980 den bayerischen Verdienstorden von Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Drei Jahre später starb Pascalina. Sie saß bereits in einem Flugzeug, das sie von Wien nach Rom bringen sollte. Sie hatte mehrere Gedenkfeiern zum 25. Todestag von Pius XII. besucht. Kurz vor dem Abflug erlitt sie einen Schlaganfall. In einem Nachruf der Time hieß es: "Madre Pascalina Lehnert, 89, die strenge deutsche Nonne (...), wurde auch des Papstes Schutzengel genannt."

Quelle: tz München

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