Baron Norbert van Handel zu 100 Jahre Adelsaufhebungsgesetz in Österreich
Archivmeldung vom 03.04.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVor genau 100 Jahren, am 3. April 1919, trat in Österreich das sogenannte Adelsaufhebungsgesetz in Kraft und besiegelte damit das Ende der Monarchie. Seither sind Namenszusätze, die auf eine adlige Herkunft verweisen, tabu. Wer sich dem widersetzt, muss mit einer Geldstrafe rechnen. Diese Regelung sagt selbst ein Jahrhundert später nicht jedem zu.
Ilona Pfeffer vom online Magazins "Sputnik" sprach über das Gesetz mit Baron Norbert van Handel. Der österreichische Unternehmer und ehemalige Politiker entstammt selbst einem alten holländischen Adelsgeschlecht.
Herr van Handel, wie man an Ihrem Namen schon hört, gehören Sie selbst einer alten holländischen Adelsfamilie an und führen den Namenszusatz „van“ in Ihrem Namen. Hat Ihnen das jemals Probleme beschert oder gilt die Regelung nur für die „von und zu‘s“?
Ich sehe da überhaupt keine Probleme, ich glaube, dass das Ganze viel zu sehr hochgespielt worden ist. Im Grunde genommen ist der Adel in Österreich abgeschafft. Das gilt vor allem für die Republik Österreich, im Ausland gilt das nicht. Darüber hinaus können alle, die sich nicht in öffentlichen Dokumenten als adlig bezeichnen, sich im gesellschaftlichen verkehr so bezeichnen wie sie wollen. Ich sehe das Ganze als einen Sturm im Wasserglas.
Ursprünglich sollte das Gesetz die Nicht-Adligen vor Benachteiligung schützen bzw. die Vorteilnahme seitens der Adligen verhindern. Haben Sie so etwas beobachtet? Greift dieses Gesetz?
Nein. Schauen Sie, Sie können den Adel nicht ausrotten. Der Adel ist in Österreich nach wie vor ein Bestandteil der Gesellschaft, es werden sehr viele Schloesser erhalten und für kulturelle Veranstaltungen geöffnet. Sehr viele Adlige sind in der Politik. Aber sie dürfen sich eben per se nicht Baron, Graf, Herzog nennen. Aber Dritte können natürlich die Titulatur für die Adligen verwenden. Darüber hinaus sind die Strafbestimmungen, wie das Verfahren gegen Herzog Karl gezeigt hat, völlig unrealistisch, da die Strafe etwa 16 Cent beträgt. Ich finde das völlig sinnlos und nehme an, dass in Zukunft das Adelsgesetz geändert wird.
Der Enkel des letzten Kaisers, Karl von Habsburg, ist ja eine recht prominente Person und vertrat Österreich unter anderem auch im Europaparlament. Den Namenszusatz hat er aber beibehalten und wurde dafür schon einmal zu einer Geldstrafe verurteilt. Wollte man an Karl von Habsburg ein Exempel statuieren oder wird das Gesetz flächendeckend durchgesetzt?
Ich würde sagen, man hat krampfhaft versucht, diesen Teil des Adelsgesetzes umzusetzen. Aber es ist deshalb nicht wirklich gelungen, weil ja alle Normen auch Strafsanktionen beinhalten müssen. Und das Adelsgesetz hat die ursprüngliche 20.000 Kronen Strafe auf heutige 16 Cent umgerechnet, sodass das Ganze irgendwie eine Operette ist. Sie müssen sich überlegen, dass Österreich im Positiven wie im Negativen ein Operettenstaat ist, und diese Art der Operette kommt auch im Adelsgesetz zutage.
Aus deutscher Sicht mutet es komisch an, wenn einerseits Namenszusätze verboten sind, andererseits Titel wie „Herr Hofrat“ oder „Herr Kommerzialrat“ weiterhin große Verbreitung haben und auch im Alltagsleben gern genannt werden. Ist das auch für Sie ein Widerspruch?
Das ist für mich sehr wohl ein Widerspruch. Aber, wie soll ich sagen, Österreich ist ein Titelstaat: Der Portier im Sacher sagt „Herr Baron“, der Ober im Bristol sagt „Herr Graf“. Es ist im Grunde genommen völlig unbedeutend. Ich glaube, dass das Ganze nur hochgespielt wurde, weil es ein nettes Aperçu der Geschichte ist, wenn man mit diesen Dingen handelt.
In Österreich gibt es rund 2000 Personen, die den Namenszusatz „von“ im Namen tragen. Einige davon kämpfen für eine Revision des Gesetzes, um ihren ursprünglichen Namen behalten zu können. Welche Chancen rechnen Sie diesen aus?
Ich wünsche ihnen alles Gute und ich glaube, dass das Adelsgesetz in dieser Form über kurz oder lang aufgehoben werden wird. Denn Sie müssen eine Sache sehen: Gerade in der Republik hat der Adel relativ viele Funktionen inne gehabt. Unter dem legendären Bundeskanzler Kreisky waren vor allem Adlige in der Außenpolitik, in der Militärpolitik usw. Auch heute noch sind sehr viele Adlige durchaus republiktreu. Es gibt also keinen Grund, in irgendeiner Form gegen den Adel vorzugehen – das tut man im Wesentlichen auch nicht. Aber das Gesetz ist Mumpitz, es ist dumm, schlecht und falsch, zugleich auch unbedeutend. Es wird über kurz oder lang aufgehoben werden.
Wie bewerten Sie in dem Zusammenhang, dass der amtierende Bundespräsident ebenfalls einen adligen Namen trägt, nämlich Alexander van der Bellen?
Ich heiße ja auch van Handel, meine Familie kommt aus einer Ortschaft im holländischen Nordbrabant. Wo der Herr Bundespräsident van der Bellen seinen Namen her hat, weiß ich nicht. Aber ich sage noch einmal: Das ist ein Sturm im Wasserglas. Aber ja, man wird sicherlich gegen das Adelsaufhebungsgesetz kämpfen, weil es eine Minderheit, die nichts gegen die Mehrheit gemacht hat, benachteiligt. Das ist eine Sauerei und sollte nicht sein.
Quelle: Sputnik (Deutschland)