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Magnetnadeln schlagen Saltos

Archivmeldung vom 25.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Abb2: Max-Planck-Institut für Metallforschung
Abb2: Max-Planck-Institut für Metallforschung

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung in Stuttgart haben einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem man kleinste magnetische Strukturen - sogenannte Vortex-Kerne - mit schwachen Magnetfeldern schnell und verlustfrei umschalten kann. Bislang brauchte man dazu sehr starke Magnetfelder, was einen großen technischen Aufwand bedeutet. Die neue Methode eröffnet möglicherweise neue Möglichkeiten in der magnetischen Datenspeicherung (Nature, 23.11.2006).

Abb1: Max-Planck-Institut für Metallforschung
Abb1: Max-Planck-Institut für Metallforschung

Kleinste Magnetstrukturen, die wenige Millionstel Millimetern messen, stoßen seit etwa zehn Jahren auf ein wachsendes Interesse in Wissenschaft und Technik - vor allem wegen möglicher Anwendungen in Magnetspeichern. In solchen Strukturen tritt ein faszinierendes quantenmechanisches Phänomen auf: Der Vortex-Kern, der schon seit 40 Jahren theoretisch vorhergesagt wurde, aber erst vor vier Jahren im Experiment nachgewiesen werden konnte. In kleinen magnetischen Plättchen schließen sich die magnetisierten Bereiche oft zu ebenen geschlossenen Magnetkreisen zusammen, die man Vortices nennt (Singular: Vortex). Stellt man sich vor, man würde mit einem atomgroßen Kompass in einem Vortex spazieren gehen, dann würde die Kompassnadel immer in die Ebene zeigen - es sei denn, man nähert sich der Mitte des Vortex, seinem Kern: Dort erheben sich die atomaren magnetischen Kompassnadeln aus der Oberfläche und es entsteht auf kleinstem Raum (auf einem Radius von etwa 20 Atomen) das größte im Material mögliche Magnetfeld.

Die Magnetnadel kann im Vortex-Kern entweder nach oben oder nach unten zeigen (Abbildung 1). Will man diese Orientierung zur magnetischen Datenspeicherung nutzen, hat man aber mit der für Vortexstrukturen typischen enormen Stabilität zu kämpfen: Bisher brauchte man sehr hohe externe Magnetfelder von etwa einem halben Tesla, um die Orientierung des Vortex-Kerns umzudrehen. Das ist etwa ein Drittel des Feldes, das der stärkste Dauermagnet liefern kann.

Abb. 1: Dynamisches Schalten des Vortex-Kerns: Im oberen Teil sind die "Magnetnadeln" des Vortex-Kerns schematisch wiedergegeben, links mit Orientierung nach unten, rechts nach oben. Der untere Teil zeigt diese beiden Magnetisierungsrichtungen des Vortex-Kerns in zwei Bildern, aufgenommen mit einem magnetischen Raster-Röntgenmikroskop an der Advanced Light Source in Berkeley, Kalifornien, USA. In der Mitte ist der bipolare Magnetfeldpuls dargestellt (250 MHz, in der Spitze 1,5 Milli-Tesla), der das Umschalten des Vortex-Kerns bewirkt.

Forscher am Max-Planck-Institut für Metallforschung fanden nun eine elegante Lösung, Vortex-Kerne viel einfacher umzuschalten. Mit Hilfe der zeitaufgelösten magnetischen Raster-Röntgenmikroskopie, die durch die Gruppe von Hermann Stoll, Abteilung Schütz, am Institut entwickelt wurde, entdeckten sie einen bislang unbekannten Mechanismus: Das dynamische Schalten des Vortex-Kerns. Durch einem kurzen Magnetpuls (siehe Abbildung 1) wird zunächst ein Magnetfeld senkrecht zum Vortex aufgebaut; damit wird die ganze Struktur zu einer kollektiven Bewegung der Spins angeregt. So bildet sich, wie mikromagnetische Simulationen (Abbildung 2) zeigen, am Rand des ursprünglichen Vortex - fast ohne Energieaufwand - eine Magnetisierung in entgegengesetzter Richtung. Daraus entsteht ein Vortex-Antivortex-Paar. Der Antivortex löscht den ursprünglichen Vortex aus und am Ende bleibt nur ein Vortex mit entgegen gesetzter Polarisation übrig.

Abb. 2: Mikromagnetische Simulation des Schaltens des Vortex-Kerns durch einen kurzen Magnetpuls: (a) Ausgangszustand: Vortex-Kern nach unten; (b) zuerst ist eine zusätzliche Magnetisierung nach oben sichtbar; (c) daraus formiert sich eine Doppelspitze: Ein Vortex-Antivortex-Paar; (d) Endzustand: Nach Auslöschung des ursprünglichen Vortex durch den Antivortex bleibt ein Vortex-Kern nach oben übrig.

So gelang es den Max-Planck-Wissenschaftlern zusammen mit Forschern der Universität Gent, der Advanced Light Source in Berkeley, Kalifornien, des Forschungszentrums Jülich und den Universitäten Regensburg und Bielefeld, den Vortex-Kern mit rund 300 mal schwächeren, aber sehr kurzen magnetischen Pulsen effektiv und gezielt zu schalten.

Möglicherweise kann dieser erstmals beobachtete Schaltmechanismus für ein völlig neues magnetisches Speicherkonzept genutzt werden. Die Richtungen der kleinen, nanoskopischen magnetischen Nadeln definieren hierbei ein digitales Bit, das extrem stabil ist gegen oft unvermeidbare äußere Einflüsse wie Aufheizung oder störende Magnetfelder. Mit dem neu entdeckten dynamischen Effekt lässt sich der Vortex-Kern leicht schalten, und zwar fast verlustfrei und vor allem extrem schnell.

Das Projekt wurde unterstützt durch die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft über das Schwerpunktprogramm "Ultrafast Magnetisation Processes" und die Leitung des Office of Science, Office of Basic Energy Science des US Department of Energy.

[AL]

Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

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