Innere Uhren bestimmen den Takt des Lebens
Archivmeldung vom 14.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittInnere Uhren bestimmen, ob Menschen eher Frühaufsteher, Langschläfer, Partymuffel oder Nachteulen sind. Wie Prof. Hanspeter Herzel (Institut für Theoretische Biologie, Humboldt Universität, Berlin) jetzt auf dem internationalen Kongress "Computational & Experimental Molecular Biology" in Berlin berichtete, regulieren diese biologischen Uhren Schlaf-Wach-Phasen, aber auch den Blutdruck und die Körpertemperatur.
"Gesteuert werden sie von einer Zentraluhr, die aus tausenden von Nervenzellen besteht, die im Gehirn zusammenarbeiten, um uns an wechselnde Anforderungen bei Tag und Nacht zu gewöhnen."
Bei Menschen und Tieren gibt eine Zentraluhr (engl. Master Clock) den
generellen Takt vor, nach dem alle anderen Körperzellen ihre eigenen
Uhren stellen. Die Masteruhr besteht beim Menschen aus rund 20 000
Nervenzellen, die im Gehirn direkt über dem Sehnerv sitzen. Über feine
Nervenfasern ist die Zentraluhr mit dem Sehnerv verbunden, der sie mit
seinen elektrischen Signalen täglich neu stellt.
Doch wie koordiniert die Zentraluhr ihre 20 000 unterschiedlichen
Nervenzellen, damit alle im gleichen Takt schlagen und den gleichen
Rhythmus weitergeben? Untereinander verständigen sich die Nervenzellen
durch Botenstoffe, so genannte Neurotransmitter, und zeigen so ihren
Nachbarzellen, was die Uhr geschlagen hat. Haben sich alle Nervenzellen
der Zentraluhr auf einen Takt geeinigt, aktivieren sie die inneren
Uhren aller anderen Körperzellen und beeinflussen das Verhalten, aber
auch den Stoffwechsel des Menschen.
"Rund 15 Prozent der Deutschen leben gegen ihre innere Uhr"
"Doch nicht nur die Sonne stellt unsere innere Uhr", erklärte Prof.
Herzel auf dem MDC-Kongress. "Uhrgene geben einen Großteil des Taktes
vor, in dem sie schlagen kann." Diese Uhrgene bestimmen, ob Menschen
eher Frühaufsteher oder Langschläfer sind.
"Rund 15 Prozent der Deutschen leben gegen ihre innere Uhr", erläuterte
Prof. Herzel. Sie versuchen sich gegen ihre Natur an die Zeiten von
Arbeit und Bekannten anzupassen. Sie leiden deshalb häufig an
Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Auch häufiges Reisen über mehrere
Zeitzonen hinweg kann zu Beschwerden führen. Mit einer neuen
Untersuchungsmethode können Mediziner jetzt prüfen, ob diese Probleme
auf genetische Veränderungen in den Uhrgenen zurückzuführen sind.
Inzwischen sind individuell abgestimmte Lichttherapien möglich.
Zu dem dreitägigen Kongress, der am Samstag zu Ende geht, sind über 100 Wissenschaftler und Nachwuchsforscher aus den USA, Israel und Europa nach Berlin gekommen. Sie diskutieren über Fragen des neuen Forschungszweigs der Systembiologie, einer Kombination aus computergestützter und experimenteller Molekularbiologie. Systembiologen untersuchen nicht wie bisher einzelne Gene oder Proteine, sondern deren Steuerung und Wechselwirkung untereinander. Organisatoren des Kongresses sind Prof. Nikolaus Rajewsky (MDC), Prof. Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Berlin) und Prof. Dimitris Thanos (Biomedical Research Foundation, Akademie von Athen, Griechenland).
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.