Iglus? Fehlanzeige!
Archivmeldung vom 21.08.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIhre Leidenschaft für Schnee und Eis begann vor zwei Jahren im sonnigen Venedig. Jennifer Fiebig, damals Masterstudentin an der Fachhochschule Münster, besuchte dort die internationale Architekturausstellung Biennale. Besonders fasziniert war sie vom dänischen Pavillon, der Zukunftsszenarien für die größte Insel der Welt zeigte – Grönland.
Stadtplanung in arktischem Klima: „Das Thema hat es mir einfach angetan“, sagt die 26-Jährige, die am Fachbereich Architektur, der münster school of architecture (msa) studiert hat. Ihre Masterarbeit verfasste sie über neue Wohnformen und nachhaltige Urbanisierung in der Arktis, wurde daraufhin zu einer internationalen Konferenz nach Sisimiut, Grönland, eingeladen und tritt nun im September eine Promotionsstelle am Arctic Technology Centre (Artek) der Technischen Universität von Dänemark an.
Grönland zählt rund 56.000 Einwohner und ist flächenmäßig mehr als sechs Mal so groß wie Deutschland. Etwa 80 Prozent davon sind bislang eisbedeckt. Die Klimaerwärmung, die Suche nach Bodenschätzen, die wachsende geografische Bedeutung für die Schifffahrt und den Flugverkehr sowie die steigende Nachfrage nach arktischem Abenteuertourismus bringen große Veränderungen mit sich – und steigende Einwohnerzahlen. „Mich interessiert, wie sich die bereits bestehenden Städte nachhaltig weiterentwickeln können“, beschreibt Fiebig ihren Forschungsansatz.
Bislang prägen das Bild grönländischer Städte verstreute, buntgestrichene Holzhäuser – nicht Schneehöhlen namens Iglus, wie sich mancher Europäer vielleicht vorstellt. Um mehr Wohnraum zu schaffen, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche mehrstöckige Wohnblocks aus Europa importiert. „Sie sind nicht an die Gegebenheiten der Arktis angepasst“, kritisiert Fiebig. „Mit dem Klima arbeiten, nicht dagegen“, lautete hingegen das Credo ihrer Masterarbeit. Wind, Schnee und Sonnenlicht sind nach ihrer Ansicht die entscheidenden Faktoren, die die Form der Gebäude und deren Anordnung bestimmen sollten.
Exemplarisch erarbeitete sie für die westgrönländische Stadt Ilulissat, mit rund 4.600 Einwohnern die drittgrößte des Landes, Ideen für eine zukunftsweisende Gestaltung. Wie sind die Flächen zwischen den Gebäuden sinnvoll nutzbar? Kann man den Wind so in die Stadtplanung einbinden, dass er nützlich ist, etwa um Schnee von der Straße zu wehen? Wie müssen die Dächer geformt und Häuser ausgerichtet sein, um möglichst viel Sonnenlicht in die Stadt zu bringen? Diesen und weiteren Fragen ging die Studentin nach.
Bei ihren Recherchen stieß sie auf das dänische Artek-Institut. Die Wissenschaftler schlugen ihr vor, sich mit ihrem Thema für eine große, internationale Konferenz in Grönland mit dem Titel „Urbanisation and infrastructure in the Arctic – Challenges to sustainability“ zu bewerben. Fiebigs Beitrag wurde angenommen. Und so kam es, dass die frisch gebackene Absolventin im April nach Sisimiut reiste und dort vor vielen renommierten, auf die Arktis spezialisierten Architekten und Ingenieuren aus Kanada, China und Skandinavien einen Vortrag hielt. Zum ersten Mal erlebte sie dort selbst das arktische Klima und eisige Temperaturen bis minus 24 Grad Celsius. „Es war eine angenehme, trockene Kälte. Außerdem schien jeden Tag die Sonne“, so Fiebig.
Nicht nur die Reise zur Konferenz nach Grönland, auch Fiebigs Masterarbeit unterstützten Vertretungsprofessor Sven Pfeiffer und Prof. Joachim Schultz-Granberg. „Ihren Ansatz, die klimatischen Bedingungen in Beziehung zur Architektur zu setzen, fand ich von Anfang an spannend“, erinnert sich Pfeiffer, der die Masterthesis als Erstprüfer betreute. „Eigentlich sind Fachhochschulen eher bekannt für ihren Praxisbezug, aber der Werdegang von Frau Fiebig ist ein tolles Beispiel, wie Studierende durch Eigeninitiative spannende Forschungsansätze finden und damit auch bei uns den Grundstein für eine internationale Wissenschaftskarriere legen können.“
Die Initialzündung dafür kann jederzeit und überall erfolgen. Und so kann jemand, der zu einem Kurztrip nach Italien aufbricht, plötzlich mitten in einem Forschungsabenteuer in der Arktis landen.
Quelle: Fachhochschule Münster (idw)