Der Klimakiller verabschiedet sich in den Untergrund
Archivmeldung vom 30.01.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.01.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch [email protected]Mit einer neuen Methode zur Abtrennung des Treibhausgases CO2 nehmen Kraftwerksbetreiber einen neuen Anlauf, um die Vision vom emissionsfreien Kohlekraftwerk Realität werden zu lassen.
Das Thema brennt unter den Nägeln: Aufgrund des weltweit zunehmenden Energiekonsums, der insbesondere auf das Konto von Boomregionen wie China geht, wächst im Hinblick auf die Wahrung von Klimaschutzzielen der Bedarf an hocheffizienten, emissionsarmen und zugleich wirtschaftlichen Kraftwerkstechniken. Bisherige Technologien zielten darauf ab, bei der Verstromung von fossilen Brennstoffen möglichst ressourcen- und umweltschonend mit dem Energieträger umzugehen, was im Klartext eine Erhöhung des Wirkungsgrades bedeutet. „Diese Maßnahmen reichen aus jetziger Sicht allein aber nicht mehr aus, um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden“, räumt Frank Kluger von der Stuttgarter Alstom Power Boiler GmbH ein. Vielmehr müsse es das Ziel sein, marktfähige und wirtschaftliche Verfahren zur CO2-Abtrennung zur Serienreife zu bringen.
Erste großtechnische Erfahrungen hierzu wurden am Kraftwerk Esbjerg (ELSAM) mit Hilfe eines Absorptionswäschers gewonnen, der in einem chemischen Prozess die aus dem Verbrennungsprozess stammende Kohlensäure mit Hilfe der Base Monoethanolamin bindet. Immerhin wird auf diese Weise eine über 90%ige CO2-Abscheidung ermöglicht. Aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit wird das Verfahren jedoch als wenig zukunftsträchtig angesehen, da es eine große Waschmittelmenge erfordert und der Energiebedarf für die Regenerierung des Sorbents so beträchtlich ist, dass unter dem Strich der Wirkungsgrad des Kraftwerkes um bis zu 12%-Punkte sinken würde.
Als wesentlich Erfolg versprechender wird dagegen die Oxyfuel-Technologie eingestuft. Bei diesem Verfahren wird die CO2- Minderung dadurch erreicht, daß im Gegensatz zur konventionellen Prozessführung die Verbrennung nicht mit atmosphärischer Luft, sondern mit reinem Sauerstoff unterhalten wird. Dieser wird in einer vorgeschalteten Luftzerlegungsanlage hergestellt und dem Verbrennungsprozess zugeführt. Ohne die sonst im Abgas vorhandenen Stickstoffanteile und Stickoxyde besteht das Abgas beim Oxyfuel-Prozeß nur noch aus CO2 und geringen Anteilen an Wasserdampf, was den Weg zu einer wirtschaftlich vertretbaren Verdichtung bzw. Verflüssigung eröffnet. Die Prozessführung wird hierbei so gestaltet, dass nach Kondensation des Wasserdampfanteils ein hochkonzentrierter CO2-Strom als Abgas anfällt, der teilweise abgeschieden wird. Der andere Teilstrom wird durch Sauerstoff wieder angereichert und in den Verbrennungsraum zurück geleitet.
Zurzeit laufen bei Alstom die Vorbereitungen, um in einer Pilotanlage das Oxyfuel-Verfahren in der Praxis zu testen und zu optimieren. Dazu gehören auch Maßnahmen, um den durch die CO2-Abtrennung gestiegenen Energiebedarf zu minimieren. Die geplante Pilotanlage soll etwa 30 MW leisten und 2008 in Spremberg in Betrieb gehen. Im Pilotkraftwerk wird dann zum ersten Mal die gesamte Prozesskette von der Luftzerlegung bis zur CO2-Verflüssigung untersucht, wobei das verflüssigte „Rauchgas“ über eine Pipeline in ein ausgeschöpftes Gaslager in der Nähe von Potsdam geleitet wird. Dieses unterirdische Depot dient als Sarkophag für CO2 und soll nach der Auffüllung versiegelt werden.
Im Rahmen einer internationalen Kooperation machen sich namhafte Wissenschaftler bereits seit einigen Jahren für diese Möglichkeit der CO2-Entsorgung stark. „Ausgebeutete Erdgas- oder Ölfelder sind ideale Endlager für Kohlendioxid“, bringt Dr. Ludwig Stroink, Leiter des Potsdamer Koordinierungsbüros für Geotechnologien, das Vorhaben auf den Punkt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Günter Borm vom Potsdamer Geoforschungszentrum ist Stroink Partner des internationalen „CO2 Capture Projects (CCP)“. Es wurde ins Leben gerufen, um „die nächste Generation der CO2-Spaltung, CO2-Aufnahme und geologischen Sequestrierung“ konkret umzusetzen. Hinter CCP steckt ein Konsortium aus neun Energie- und Mineralölunternehmen, und zwar BP, Chevron, Eni, Norsk Hydro, PanCanadian, Royal Dutch Shell, Statoil, Suncor Energy und Texaco. Daneben sind weltweit 30 wissenschaftliche Institute an dem Verbundprojekt beteiligt.
„In der Nordsee wird Kohlendioxid bereits erfolgreich ins Erdreich gepumpt“, erläutert Borm. So bohre der norwegische Energiekonzern Statoil seit mehreren Jahren rund 240 Kilometer vor der Küste Norwegens nach Erdgas. Das frei werdende Kohlendioxid werde abgefangen, verflüssigt und in eine 200 Meter dicke Sandsteinschicht, die sich nahezu einen Kilometer unter dem Meeresboden befinde, gepresst. Eigenen Angaben zufolge hat Statoil auf diese Weise seit 1996 bereits fünf Millionen Tonnen CO2 in der Tiefe des Meeresbodens bestattet. „Seismische Untersuchungen haben gezeigt, dass das Gas in das Speichergestein eintritt und somit im Untergrund bleibt“, erklärt Borm.
Auch auf dem amerikanischen Kontinent sind die „CO2-Entsorger“ bereits auf dem Vormarsch. So hat die im kanadischen Saskatchewan ansässige PanCanadianResources damit begonnen, täglich 5.000 Tonnen CO2 in ein nahezu ausgebeutetes Ölfeld zu leiten. Das Gas, welches als Abfallprodukt einer Kohlevergasungsanlage im US-Bundesstaat North Dakota anfällt, wird über eine 300 km lange Pipeline zum Endlager geleitet. PanCanadian schlägt auf diese Weise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits sollen unter dem Strich rund 14 Mio. Tonnen CO2 unter die Erde gebracht werden, andererseits rechnet man mit einer zusätzlichen Gewinnung von 120 Millionen Barrel Öl.
Als „Persilschein“ für den Einstieg in eine sorglosere Energiezukunft wollen Experten wie Stroink und Borm diese Aktivitäten keineswegs verstanden wissen. So sei man von einer CO2-Entsorgung im globalen Maßstab noch sehr weit entfernt. Mit dem Oxyfuel-Verfahren, so die Experten, sei aber ein wichtiger Etappensieg auf dem Weg zu einem wirtschaftlichen Verfahren erzielt worden.
Buchtipp:
Wer mehr über das Thema erfahren möchte, dem sei das Buch von Rolf Froböse „Mein Auto repariert sich selbst. Und andere Technologien von Übermorgen“ empfohlen. Es ist im Weinheimer Wiley-VCH Verlag erschienen und kostet EUR 24,90.