Energie trotz Flaute - Windstrom wird berechenbar
Archivmeldung vom 14.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Projekt HyWindBalance will Windstrom künftig in Form von Wasserstoff speichern. Fünf kleine Unternehmen, allesamt Spin-Offs der Hochschule, haben das Projekt gemeinsam mit Forschern aus dem "Energielabor" der Universität Oldenburg erdacht - mit von der Partie sind Ingenieure, Physiker aber auch Wirtschaftsexperten.
Strom aus Wind ist eigentlich eine feine Sache. Er schont Ressourcen wie Kohle
und Erdgas und erspart der Atmosphäre Kohlendioxid. Da sind sich wohl alle
einig. Dumm nur, dass das Lüftchen unstet weht. Für Kritiker ist die Öko-Energie
damit seit eh und je unkalkulierbar und inakzeptabel. Das Windstromangebot sei
wechselhaft wie das Wetter, heißt es. Doch das könnte sich in Zukunft
ändern.
Die Zukunft beginnt in einer kalten, zugigen Kammer an der
Universität Oldenburg. Der Raum mit den nackten Betonwänden ähnelt eher einem
ausgedienten Fahrradstand, als einem Labor. Drei Stahlschränke thronen darin. In
ihnen wandelt sich Wind in Wasserstoff - die Energiewährung der Visionäre.
Anfang Dezember wurde die Anlage in Betrieb genommen und das Projekt
HyWindBalance offiziell gestartet. Es soll dem Windstrom das Schwanken
austreiben und ihn so regelbar wie ein schnurrendes Kohlekraftwerk machen. Für
gewöhnlich lässt sich elektrischer Strom nicht speichern - zumindest nicht in
großen Mengen. Er muss deshalb direkt und sofort ins Netz eingespeist werden.
HyWindBalance will einen anderen Weg gehen. Der Windstrom wird genutzt, um in
einem Elektrolyseur Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu
spalten. Die Anlage pumpt den Wasserstoff anschließend in 24 knallrote mannshohe
Stahlflaschen. Bei Bedarf versorgt dieser Speicher eine Brennstoffzelle. Die
wandelt den Wasserstoff zurück in Strom. "Nach diesem Prinzip kann man Windstrom
künftig in Form von Wasserstoff speichern, wenn er an windigen Tagen im
Überfluss vorhanden ist", sagt Projektleiter Igor Waldl von der Firma Overspeed
in Oldenburg. Bei Flaute schaltet sich die Brennstoffzelle ein - und gleicht den
Windenergiemangel aus.
Fünf kleine Unternehmen, allesamt Spin-Offs der
Universität, haben das Projekt gemeinsam mit Forschern aus dem "Energielabor"
der Hochschule erdacht - mit von der Partie sind Ingenieure, Physiker aber auch
Wirtschaftsexperten. Sie wollen herausfinden, wie man eine solche Anlage so
steuert, dass sie sich optimal an die schwankende Nachfrage im Stromnetz
anpassen kann. Es liegt auf der Hand, dass der Stromverbrauch an einem
Sonntagnachmittag geringer als am Montag ist, wenn in Büros und Fabriken
gearbeitet wird. Die Energieversorger stellen sich darauf ein, prognostizieren
den Bedarf einen Tag im Voraus und berücksichtigen dabei Sommerferien oder
Millionen eingeschaltete Fernseher zur Tagesschau-Zeit. Kraftwerke werden
entsprechend hoch- oder heruntergefahren. Mit Wind- oder auch Solarenergie ist
das bislang nicht machbar. Über die Zwischenspeicherung von Wasserstoff aber
sehr wohl, hoffen die Entwickler. Einen Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde
liefert der Elektrolyseur. Die Brennstoffzelle bringt es auf fünf Kilowatt
Leistung, das würde reichen, um ein kleines Motorboot anzutreiben. "Die Anlage
ist natürlich noch sehr klein.", sagt Waldl, "aber an ihr können wir bereits
viele offene Fragen klären." Davon gibt es reichlich. Denn eine
Wind-Wasserstoff-Anlage zum Ausgleich von Windenergie-Schwankungen im Stromnetz
hat bislang noch niemand kreiert. Brennstoffzelle und Elektrolyseur sind längst
nicht alles. Die Forscher haben an ihr System eine selbstentwickelte Software
zur meteorologischen Windprognose gekoppelt. Erst dadurch lässt sich die
Zwischenspeicherung von Windstrom exakt planen und rechtzeitig auf den Bedarf
abstimmen.
Schwankungen sind das eine. Das Projekt aber strebt nach
mehr. Es will Windstrom zum kalkulierbaren Wirtschaftsgut machen. Immerhin wird
Strom im liberalisierten Markt seit rund einem Jahrzehnt gehandelt wie eine Ware
und über das europäische Verbundnetz munter hin- und hertransportiert - je nach
Bedarf. Besonders teuer wird Strom, wenn wider Erwarten viel Energie benötigt
wird. Diese Bedarfsspitzen werden an den internationalen Strombörsen EEX oder
Nord Pool für viel Geld veräußert. Ökostrom konnte an den Börsen bisher nicht
wirklich mitspielen, eben weil er kaum planbar war. Dank des
Wasserstoff-Rückgrats könnte er künftig aber so verlässlich wie Energie aus dem
Gaskraftwerk sein. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Noch müssen
Elektrolyseur und Brennstoffzelle zeigen, wie lange sie die schwankende Windlast
im Dauereinsatz überstehen. Die Größte Herausforderung ist die Abstimmung und
Optimierung der alles koordinierenden Software - des Moduls für die "Optimierte
Betriebsführung". Sie speist die Windprognosen ein. Sie regelt Elektrolyseur und
Brennstoffzelle je nach Windstrommenge auf und ab. Und aus den Wirtschaftsdaten
von der Strombörse errechnet sie, wann Strom am teuersten gehandelt wird. Dann
lohnt es sich, den gespeicherten Wasserstoff in elektrische Energie zu wandeln
und ins Netz zu schicken; trotz des geringen Gesamtwirkungsgrads der Anlage von
derzeit nur 35 Prozent.
Der Oldenburger Energieversorger EWE unterstützt
das Projekt personell und gemeinsam mit dem Land Niedersachsen und der
Europäischen Union finanziell mit gut 600.000 Euro. Die Möglichkeit, künftig
Strom aus Sonne und Wind zu hohen Preisen am Markt zu verkaufen, ist verlockend.
Im Gebiet der EWE stehen Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von rund
2.500 Megawatt. An windigen Sonntagen, wenn sich die Anlagen mit Volllast
drehen, werden im Verbund des Versorgers aber nur etwa 1.000 Megawatt
verbraucht. Die Differenz von 1.500 Megawatt muss das Unternehmen für wenig Geld
ins Netz einspeisen. Eine sonntägliche Überkapazität könnte man künftig in
Wasserstoff wandeln und später teurer verkaufen. Ein weiterer Vorteil:
Wasserstoff ließe sich nicht nur als Strom, sondern auch für andere Zwecke
nutzen - etwa als Treibstoff für Wasserstofffahrzeuge."Wir rechnen allerdings
damit, dass eine Anlage zur Wandlung derart großer Mengen erst zur Mitte des
Jahrhunderts zur Verfügung stehen wird", sagt Dr. Jörg Buddenberg, Leiter der
Abteilung Umwelttechnologie der EWE AG. Das Unternehmen erforscht deshalb
zugleich Alternativen für die Konservierung von Windstrom - etwa unterirdische
Druckluftspeicher.
Dass die Wind-Wasserstoff-Wandlung im großen Stil noch ein wenig auf sich warten lassen wird, ist freilich auch den Verbundpartnern klar. Selbst ein einziges mittelgroßes Windrad mit zwei Megawatt Leistung wäre noch viel zu groß für die Testanlage im Stahlschrank. Es würde den kleinen Wasserstoffspeicher im Energielabor in nur sechs Minuten füllen. Die Forscher ziehen den Strom für den Elektrolyseur in der Startphase ihres Projektes deshalb lieber noch aus der herkömmlichen Steckdose. Windschwankungen werden dem System vorerst über eine Simulationssoftware vorgegaukelt. Bereits in zwei Jahren aber soll an der Universität eine 300 Kilowatt-Maschinerie in Betrieb gehen, ein wichtiger Schritt in die große Wasserstoffzukunft. "Ob Technik und Software wie geplant funktionieren, muss sich jetzt an unserem Forschungssystem zeigen", sagt Waldl. Eines aber sei klar. Die verschiedenen Know-How-Bausteine des Systems lassen sich auch einzeln vermarkten. An einer Wind-Prognose zum Beispiel dürften Energieversorger im Ausland Interesse haben - in Spanien zum Beispiel, der neuen europäischen Windkraft-Hochburg.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.