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Wie Ökolandwirte Kartoffelkäfer aus dem Schlaraffenland vertreiben

Archivmeldung vom 21.03.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Larven des Kartoffelkäfers an kahlgefressener Pflanze. Foto: S.Kühne/BBA
Larven des Kartoffelkäfers an kahlgefressener Pflanze. Foto: S.Kühne/BBA

Für Kartoffelkäfer und ihre gefräßige Brut, die Larven, ist ein Kartoffelfeld das Schlaraffenland. Egal ob hier Bio- oder normale Knollen gedeihen, es herrscht grüne Blattnahrung im Überfluss. Da die Fresssucht der Käfer jedoch zu Ernteverlusten führt, überlassen auch Bio-Bauern den Schädlingen nicht kampflos das Feld.

Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata. Foto: S.Kühne/BBA
Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata. Foto: S.Kühne/BBA

Sie setzen Mittel auf natürlicher Basis ein. "Ausschlaggebend für den Bekämpfungserfolg sind der richtige Zeitpunkt und die richtige Kombination der Präparate", sagt Dr. Stefan Kühne von der Biologischen Bundesanstalt für Land und Forstwirtschaft (BBA). Am Institut für integrierten Pflanzenschutz in Kleinmachnow wurden zwischen 2004 und 2006 in Feldversuchen Kartoffelkäfer mit drei Präparaten bzw. Kombivarianten bekämpft. Dabei erwies sich der zeitversetzte Einsatz zweier Mittel auf Neem- bzw. B.t.t.-Basis als besonders wirksam. Beim aus Crysanthemenblüten gewonnenen Pyrethrum blieb der Erfolg aus, was die BBA-Forscher auf eine steigende Resistenz der Käfer zurückführen. Ihre Ergebnisse stellen sie auf der "Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau" vor, die ab heute (20. März) in Hohenheim stattfindet.

"Da der Kartoffelkäferbefall in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat, ist es besonders wichtig, den Ökolandwirten praxistaugliche Strategien vorzuschlagen", erklärt Dr. Stefan Kühne. Deshalb testete er drei für den Ökolandbau zugelassene, handelsübliche Präparate gegen die Käfer und ihre Larven. Zwei der Wirkstoffe führen zum sofortigen Fraßstopp und schnellen Tod der Käfer. Dies sind Pyrethrum und ein Toxin aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis tenebrionis, kurz B.t.t. Die Wirkung von Azadirachtin, ein Wirkstoff aus dem indischen Neembaum, tritt mit Verzögerung ein. Sein fraßhemmender Effekt führt dazu, dass die Larvenentwicklung langfristig gestört wird und die Käfer unfruchtbar werden.

"Am besten hat in unseren Versuchen die Variante abgeschnitten, bei der zuerst der Neem-Extrakt ausgebracht und zwei Tage später mit dem Bacillus thuringiensis-Toxin nachbehandelt wurde", sagt Torben Reelfs. Der Student von der Humboldt-Universität, der seine Masterarbeit zum Thema an der BBA angefertigt hat, kennt auch den Grund dafür: "Auf diese Weise können sich die unterschiedlichen Wirkmechanismen der Präparate voll entfalten." Für die Praxis bedeutet dies, dass der Landwirt mehr Bio-Kartoffeln ernten und vermarkten kann. Vergleicht man die erfolgreichste Bekämpfungsvariante mit dem unbehandelten Kontrollfeld, ergibt sich nach Abzug der Behandlungskosten ein Mehrerlös von 826 Euro pro Hektar.

Der Einsatz von Pyrethrum, dem Wirkstoff aus Chrysanthemenblüten, lohnt sich nach BBA-Erkenntnissen für die Landwirte kaum. Ungewöhnlich viele Kartoffelkäfer überlebten die Behandlung mit dem biologischen Pflanzenschutzmittel. Der Fraßschaden lag nur 20% unter dem Wert der unbehandelten Kontrolle. "Viele Käfer sind offensichtlich resistent gegen Pyrethrum", erklärt Dr. Stefan Kühne. Als Grund nennt er den jahrelangen Einsatz synthetisch hergestellter Pyrethroide (Insektizid) durch nicht ökologisch wirtschaftende Betriebe.

Pyrethroide sind dem natürlich vorkommenden Pyrethrum nachgebaut worden und ähneln ihm
sehr. Die fortschreitende Resistenz von Käfern gegen die Pyrethroide ist in Fachkreisen bekannt. Den Kartoffelkäfern ist es egal, ob das Gift, dass sie aufnehmen, aus dem Labor oder aus der Chrysantheme stammt. Sie sind gegen beide Stoffe resistent. "Da Kartoffelkäfer stets aus Vorjahresflächen einwandern, gibt es in Anbaugebieten wie Brandenburg, in der ökologisch und konventionell wirtschaftende Betriebe nah beieinander liegen, nun resistente Käfer, die dem Pyrethrum trotzen", sagt Stefan Kühne. "Daher raten wir Öko-Landwirten zur erprobten Doppelstrategie mit den beiden anderen Wirkstoffen." Damit werde gleichzeitig das Risiko gesenkt, dass sich auch gegen eines dieser Mittel Resistenzen ausbilden, so der BBA-Wissenschaftler.

Neben der Wahl der richtigen Mittel sind auch der Behandlungszeitpunkt sowie das Wetter ausschlaggebend für den Bekämpfungserfolg. Mit dem computergestützten Prognosemodell SIMLEP3 lassen sich die Termine ermitteln, an denen die meisten Junglarven auf dem Feld sind. Dazu müssen lediglich das Datum an dem erstmals Eigelege auftreten und die nächste Wetterstation in das Programm unter http://www.isip.de eingegeben werden. Dieses Vorgehen erspart dem Landwirt viele zeitlich aufwendige Bestandsuntersuchungen.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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