Wozu Erdöl, wenn man Abfall hat?
Archivmeldung vom 24.02.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtChemikalien, die bisher aus Erdöl gewonnen wurden, lassen sich nun aus billigen Abfallstoffen herstellen – dank eines neuen Syntheseverfahrens der TU Wien.
Lävulinsäure ist eigentlich gar nichts Besonderes. Sie fällt als Nebenprodukt in der Zuckerindustrie an, etwa eine halbe Million Tonnen davon wird jedes Jahr hergestellt. Nur ein geringer Anteil dieser Menge wird derzeit weiterverwertet. In der Forschungsgruppe von Prof. Marko Mihovilovic an der TU Wien in der Gruppe von Prof. Marko D. Mihovilovic wurde aber nun eine Methode entwickelt, diese Säure mit Hilfe von Bakterien zum wertvollen Rohstoff zu machen: Lävulinsäure lässt sich durch ein neuentwickeltes biokatalytisches Verfahren zu wichtigen Grundchemikalien weiterverarbeiten, die derzeit noch aus Erdöl synthetisiert werden.
Vom Abfallstoff zur wertvollen Plattformchemikalie
Bloß 3 bis 5 Euro pro Kilo kostet Lävulinsäure heute, und dieser Preis ließe sich noch senken, wenn das wirtschaftliche Interesse daran größer wäre. Der Weg von der billigen Lävulinsäure zum wertvollen Endprodukt lässt sich in mehreren Schritten zurücklegen: „Entscheidend ist es, einen Weg zu finden, aus Lävulinsäure die Plattformchemikalie 3-HPA zu gewinnen“, erklärt Michael Fink vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien.
Der Rest ist relativ einfach: Wie man 3-HPA (3-Hydroxypropionsäure) dann weiterverarbeiten kann, ist bereits bekannt: 3-HPA wird heute bereits genutzt um Grundchemikalien herzustellen. „Man erzeugt daraus beispielsweise Natriumpolyacrylat, das für Babywindeln oder auch für Verbandsmaterial eingesetzt wird“, sagt Fink.
Es gab schon früher Versuche, aus Lävulinsäure bzw. aus deren Derivaten 3-HPA zu gewinnen – allerdings war das nur mit großem Aufwand möglich. Man benötigte erhöhte Temperaturen und musste 90%iges Wasserstoffperoxid einsetzen – eine sehr korrosive, hochexplosive Substanz, die auch als Raketentreibstoff verwendet wird.
Bakterien statt Raketentreibstoff
An der TU Wien wählte man einen völlig anderen Weg. Man identifizierte zunächst eine Reihe von Enzymen, von denen man vermutete, dass sie bei der Verarbeitung von Lävulinsäurederivaten hilfreich sein könnten. Dann brachte man E.coli-Bakterien dazu, diese Enzyme zu produzieren. Das gelingt, indem man Plasmide in das Bakterium einbringt. Plasmide sind kleine DNA-Moleküle, die nicht zum eigentlichen Bakterienchromosom gehören, aber trotzdem die Bauanleitung für Enzyme speichern können. „Wenn die Bakterien die in Frage kommenden Enzyme produzieren, kann man direkt im Bioreaktor ausprobieren, welche für unseren gewünschten Prozess am besten geeignet sind“, sagt Michael Fink.
Unter normalen atmosphärischen Bedingungen und ganz ohne toxische oder explosive Substanzen kann man dann die E.coli-Bakterien zur Herstellung wertvoller Stoffe verwenden – entweder setzt man sie direkt im Bioreaktor ein, oder man lässt sie in einer Bakterienkultur zunächst das Enzym erzeugen und verwendet dieses dann zur Produktion von Ethyl-3-HPA, einer Substanz, die problemlos in 3-HPA umgewandelt werden kann.
„Beides funktioniert, beides hat Vor- und Nachteile“, sagt Michael Fink. Verwendet man lebende Bakterien, bekommt man einen ständigen Nachschub der nötigen Enzyme, allerdings besteht dann die Gefahr, dass die Bakterienkultur irgendwann nicht mehr in ausreichendem Maß weiterwächst oder gar stirbt. Das Isolieren des Enzyms ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt, macht das Verfahren danach aber einfacher.
Nächster Schritt: technische Anwendung
Mehrere natürlich vorkommende sowie bereits artifiziell weiterentwickelte Enzyme wurden untersucht, um einen geeigneten Kandidaten zu finden. „Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, sagt Michael Fink. „Allerdings muss das Verfahren erst auf eine großtechnische Dimension skaliert werden – die Mengen, die man in solchen Versuchen im Labor herstellt, sind natürlich noch gering.“ Michael Fink erwartet allerdings keine fundamentalen Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines solchen Prozesses.
Quelle: Technische Universität Wien (idw)