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Menschliches Gehirn unterscheidet bereits nach 85ms neue von alter Information

Archivmeldung vom 15.08.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.08.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Psychologen und Neurologen der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Universität London (UCL - University College London) konnten mittels Magnetoencephalographie erstmals zeigen, dass das menschliche Gehirn den Unterschied zwischen neuer und alter Information bereits nach 85ms signalisiert.

Dieser Befund ist erstaunlich, da dies deutlich früher ist, als bisher angenommen. Eine derart schnelle Hirnantwort zu neuen Stimuli war bislang nur bei Affen beobachtet worden. Die Studie, die in der aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift Current Biology publiziert wurde, kommt zu dem Schluss, dass neuronale Neuheitssignale durch Belohnungsmotivation beschleunigt werden können. Damit zeigen diese Ergebnisse zum ersten Mal, dass neuronale Verarbeitung komplexer Prozesse im Hirn durch Belohnungsmotivation beschleunigt wird. Darüber hinaus schließen die Ergebnisse eine Lücke zwischen Befunden aus Tierstudien und Studien am Menschen.

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist es besonders wichtig, über effiziente Mechanismen zu verfügen, die es uns ermöglichen, zwischen alter und neuer Information zu unterscheiden. In der Tat kann der Mensch nicht nur mühelos zwischen alter und neuer Information unterscheiden, sondern unser Gehirn erledigt dies auch besonders schnell: so genannte neuronale Neuheitssignale lassen sich nach bereits 200ms elektrophysiologisch messen. Eine bislang unbeantwortete Frage ist, warum Gehirne nichtmenschlicher Primaten bereits nach ca. 70-80 ms zwischen alter und neuer Information unterscheiden.

Emrah Düzel, Nico Bunzeck und ihre Kollegen sind dieser Frage nachgegangen und konnten zeigen, dass dies auf experimentelle Unterschiede zwischen Tierstudien und Menschenstudien zurück zuführen ist. In beiden Versuchsanordnungen sehen die Versuchsteilnehmer, d.h. Menschen oder Affen, für gewöhnlich neue und alte Stimuli, z.B. Bilder, nacheinander auf einem Monitor präsentiert und signalisieren mittels Tastendruck, ob das präsentierte Bild neu oder alt ist (d.h. vorher schon einmal gesehen). Während Menschen lediglich eine kurze verbale Anleitung benötigen, um diese Aufgabe zu lösen, müssen nichtmenschliche Primaten mittels Belohnung, in der Regel Saft oder Futter, motiviert werden. In ihrer aktuellen Veröffentlichung zeigen die Autoren am Menschen, dass ohne Belohnung neuronale Neuheitssignale wie erwartet nach ca. 200ms zu beobachten sind. Werden die Probanden durch Belohnung motiviert, signalisiert das Gehirn - ähnlich zu nichtmenschlichen Primaten - Neuheit bereits nach ca. 85ms.

Der Einfluss von Motivation auf neuronale Neuheitssignale hängt möglicherweise mit dem Hirnbotenstoff Dopamin zusammen . Ob dopaminerge Mechanismen eine Rolle spielen bei der durch Motivation beschleunigten neuronalen Neuheitssignale muss in folgenden Studien geklärt werden.

Diese Befunde haben weitreichende Implikationen: sie zeigen, dass Hirnprozesse mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen können und dass eine ausgeprägte Beschleunigung des Gehirns möglich ist. Eine Störung solcher motivationaler Beschleunigungsmechanismen könnte zum Beispiel im Alter oder bei einer Reihe von Hirnerkrankungen zu einer kognitiven Verlangsamung führen. Die Studie wirft auch generell die Frage auf, unter welchen experimentellen Bedingungen die Leistungsfähigkeit des Gehirn in der Hirnforschung am sinnvollsten erfasst werden kann.

Quelle: Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

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