Synchron durch die Barriere - Abstoßung hält Atome beim Tunneln zusammen
Archivmeldung vom 01.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPhysiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz konnten zum ersten Mal beobachten, wie zwei miteinander stark wechselwirkende Atome gemeinsam durch eine Barriere tunneln.
"Die Theorie der Quantenmechanik sagt, dass diese zwei Atome nicht alleine tunneln können, sondern nur zusammen als Paar, obwohl sie sich gegenseitig abstoßen. In unserem Experiment können wir diesen Prozess jetzt erstmals auch direkt sehen", erläutert Simon Fölling aus der Arbeitsgruppe Quanten-, Atom- und Neutronenphysik (QUANTUM). Die Gruppe um Univ.-Prof. Dr. Immanuel Bloch untersucht solche Tunnelprozesse anhand von ultrakalten Atomen, die in Lichtgittern gefangen sind. Das Ziel dabei ist, Vorgänge in echten kristallinen Materialien, wie etwa den Magnetismus, besser zu verstehen. Die Beobachtungen und den Nachweis des Atom Co-Tunnelling hat das Wissenschaftsjournal Nature in seiner neuesten Ausgabe publiziert (Nature 448, 1029-1032).
Es gehört zu
den Eigenarten der Quantenmechanik, dass Materieteilchen durch eine eigentlich
undurchdringliche Schranke nicht gestoppt werden, sondern sie passieren können.
Der als "Tunneln" bezeichnete Prozess wird in Mainz mit Hilfe von ultrakalten
Quantengasen untersucht, die am absoluten Temperaturnullpunkt bei etwa minus 273
Grad Celsius in einem Lichtgitter festgehalten werden. "Man kann sich das so
vorstellen, dass dann in dem Lichtgitter jedes Atom auf einem bestimmten
Gitterplatz sitzt wie ein Ei in einem Eierkarton", so Fölling. Nach den
Vorstellungen der klassischen Physik würden die Atome auf ihrem jeweiligen Platz
unbeweglich festsitzen. Nach den Prinzipien der Quantenmechanik dagegen können
sie die Lichtbarriere von einer Seite zur anderen durchlaufen. Um diesen Effekt
genauer zu untersuchen, haben die Mainzer Quantenphysiker einen modifizierten
"Eierkarton" aus Licht gebaut, bei dem das Tunneln von jedem Platz nur zu genau
einem der benachbarten Plätze im Gitter möglich ist. Es entsteht eine
"Doppeltopffalle", in der ein einzelnes Atom durch Tunneln zwischen den beiden
Plätzen hin- und herwandern kann und dies bis in die Unendlichkeit tun würde, da
keine Reibung es bremst.
Das eigentliche Interesse der Forscher liegt
jedoch in der Beobachtung von miteinander wechselwirkenden Atomen. Dazu setzen
sie genau zwei Atome, welche sich gegenseitig abstoßen, auf eine Seite eines
Doppeltopfes. Je nachdem wie stark diese beiden Atome wechselwirken, gibt es nun
zwei Möglichkeiten, wie sie sich verhalten. Im ersten Fall wird das Experiment
so angelegt, dass die Abstoßung klein und die Tunnelrate, also die Häufigkeit
mit der die Atome von einer Seite der Barriere zur anderen wandern können, hoch
ist. Hier zeigt sich, dass die beiden Atome gleichzeitig oder nacheinander von
links nach rechts und zurück tunneln.
Im zweiten Fall ist die Wechselwirkung zwischen den beiden Atomen stärker und die Tunnelrate ist kleiner beziehungsweise die Tunnelbarriere höher. "Jetzt passiert etwas Erstaunliches: Zwischen den beiden Atomen herrscht eine starke Abstoßung, und intuitiv würde man erwarten, dass sie sich deshalb einzeln auf den Plätzen links und rechts der Barriere einrichten. Dies wäre auch ihr bevorzugter Zustand. Tatsächlich beobachtet man aber, dass sich die Atome nicht voneinander trennen und nicht einzeln tunneln. Wenn überhaupt, können sie nur gemeinsam die Barriere durchlaufen", erklärt Fölling. Das Phänomen tritt deswegen auf, weil bei einer Trennung des Atompaars Energie frei würde, die jedoch mangels Reibungsverlusten nicht "entsorgt" werden kann. Nach dem Energieerhaltungssatz müssen die beiden daher zusammenbleiben - "repulsively bound pairs" oder "Paar, das durch Abstoßung zusammengehalten wird" tauften Innsbrucker Forscher 2006 eine solche Verbindung.
Dass die beiden sich abstoßenden und doch aneinandergeketteten Atome tatsächlich als Paar tunneln können, haben die Mainzer Experimente jetzt sichtbar gemacht. Ein solcher Vorgang, bei dem das Tunneln einzelner Teilchen nicht möglich ist, das eines Paares hingegen schon, wird "Tunnelprozess zweiter Ordnung" oder "Paartunneln" genannt. Es ist in einer solchen Anordnung sogar möglich, dass ein Atom dazu dient, den Tunnelprozess bei einem anderen Atom auszulösen, also die Funktion eines Schalters für das Tunneln hat - ein Effekt, der für Elektronen bekannt ist und zur Verwendung in der Elektronik erforscht wird. In erster Linie aber dient die Untersuchung komplexer Tunnelprozesse mit Atomen als Modellsystem dazu, das Verhalten von Elektronen in der Kristallstruktur gewöhnlicher Materialien besser zu verstehen: Hier bewirken Tunnelprozesse zweiter Ordnung von Elektronen die gemeinsame Ausrichtung der sogenannten Spins im Material und erzeugen damit in vielen Materialien deren magnetische Eigenschaft.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.