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Quantenbeugung an einem Hauch von Nichts

Archivmeldung vom 26.08.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.08.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Mit modernsten Fabrikationsmethoden können atomar dünne Nanomasken hergestellt werden, die sich alsQuelle: Copyright: Quantennanophysik, Fakultät für Physik, Universität Wien; Bild-Design: Christian Knobloch (idw)
Mit modernsten Fabrikationsmethoden können atomar dünne Nanomasken hergestellt werden, die sich alsQuelle: Copyright: Quantennanophysik, Fakultät für Physik, Universität Wien; Bild-Design: Christian Knobloch (idw)

Die Quantenphysik besagt, dass sich auch massive Objekte wie Wellen verhalten und scheinbar an vielen Orten zugleich sein können. Dieses Phänomen kann nachgewiesen werden, indem man diese Materiewellen an einem Gitter beugt. Eine europäische Kollaboration hat nun erstmals die Delokalisation von massiven Molekülen an einem Gitter nachgewiesen, das nur noch eine einzige Atomlage dick ist. Dieses Experiment lotete die technischen Grenzen der Materiewellentechnologie aus und knüpft dabei an ein Gedankenexperiment von Bohr und Einstein an. Die Ergebnisse werden aktuell im Journal "Nature Nanotechnology" veröffentlicht.

Die quantenmechanische Wellennatur der Materie ist die Grundlage für viele moderne Technologien, wie z. B. die höchstauflösende Elektronenmikroskopie, die Strukturuntersuchung von Festkörperphysik mit Neutronen oder in hochempfindlichen atomaren Trägheitssensoren. In der Forschungsgruppe um Markus Arndt, Professor für Quantenphysik an der Universität Wien, wird die Frage erforscht, wie man die Grundlagen solcher Quantentechnologien auf große Moleküle oder Cluster übertragen und nutzen kann.

Um die quantenmechanische Wellennatur eines solchen Objekts zu demonstrieren, muss es zunächst delokalisiert werden. Dafür wird Heisenbergs Unschärferelation genutzt: Werden die Moleküle von einer punktförmigen Quelle auf die Reise geschickt, "vergessen" sie nach einiger Zeit, wo sie sich befinden. Stellt man ihnen jetzt ein Gitter in den Weg, so wissen sie nicht, durch welchen Spalt sie fliegen. Es ist, als ob sie durch mehrere Spalte gleichzeitig gehen würden. Dadurch entsteht eine charakteristische Verteilung der Teilchen hinter dem Gitter, ein Beugungs- oder Interferenzmuster, das man nur aufgrund der quantenmechanischen Wellennatur verstehen kann.

Am nanotechnologischen Limit

In einem europäischen Konsortium mit Partnern um Ori Cheshnovsky von der Tel Aviv University, wo die Nanomasken geschrieben wurden, sowie mit Unterstützung von Gruppen in Jena (Biphenyl-Nanomembranen, Prof. Turchanin) und Wien (höchstauflösende Elektronenmikroskopie, Prof. Meyer) zeigen sie erstmals, dass solche Strukturen auch in die dünnsten möglichen Membranen geschrieben werden können. Mittels fokussierter Ionenstrahlen wurden nanomechanische Gitter in ultradünne Membranen aus Siliziumnitrid, Biphenylmolekülen und Kohlenstoff geschrieben und diese in höchstauflösender Elektronenmikroskopie analysiert. Dabei gelang es schließlich, stabile und hinreichend großflächige Strukturen selbst in atomar dünnem, einlagigem Graphen herzustellen.

Schon in früheren Experimenten waren solche Gitter nur etwa ein Hundertstel eines Haardurchmessers dick. Aber selbst solche hauchdünnen Strukturen sind noch zu dick, wenn die daran gebeugten Moleküle aus Dutzenden von Atomen bestehen. Kräfte, die auch zum Beispiel dafür verantwortlich sind, dass Geckos an der Wand laufen können, schränken die Anwendbarkeit von materiellen Gittern ein. So ziehen die Wände des Gitters auch die fliegenden Moleküle aus dem Strahl, so dass sie für den Versuch verloren gehen. "Es war eine große Herausforderung, die Dicke dieser Gitter – und damit die angesprochenen Kräfte – bis auf das fundamental mögliche Minimum zu reduzieren, und dennoch eine stabile Beugungsstruktur zu bauen", erläutert Markus Arndt.

"Das sind die dünnsten Beugungsstrukturen für die Materiewellenoptik, die je geschaffen wurden. Trotzdem sind sie so robust, dass sie ihren Zweck sehr gut erfüllen", freut sich auch Christian Brand, Erstautor der Studie, und ergänzt: "Bei einer Dicke von nur einem millionstel Millimeter beeinflusst das Gitter die hindurchfliegenden Moleküle nur noch für wenige billionstel Sekunden.“

Ein Gedankenexperiment von Bohr und Einstein

Jedes Nanogitter ähnelt einer winzigen Harfe. Damit stellt sich die Frage, ob die Moleküle, die mal nach rechts und mal nach links gebeugt werden, diese Harfe in Schwingung versetzen können. Wäre dies der Fall, so würde die je angestoßene Saite den Weg des Moleküls verraten, und die charakteristische Quanteninterferenz würde verschwinden. Dieses Modell realisiert ein Gedankenexperiment zwischen Niels Bohr und Albert Einstein, die vor vielen Jahrzehnten darüber debattierten, ob es möglich sei, den Weg eines Quantums durch einen Doppelspalt zu kennen und dennoch seine Wellennatur (das Interferenzbild) zu sehen.

"Und wieder ist es Werner Heisenbergs Unschärfe, welche die Situation klärt: Obwohl die Moleküle bei der Beugung am Gitter abgelenkt werden und es ein wenig in Bewegung versetzen, ist dieser Rückstoß immer noch kleiner als die natürliche, quantenmechanische Bewegungsunschärfe des Gitters und somit prinzipiell nicht messbar. Das gilt sogar für Strukturen, die nur ein Atom dick sind", so Arndt abschließend.

Quelle: Universität Wien (idw)

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