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Wie verändert sich das Ökosystem um die Antarktische Halbinsel?

Archivmeldung vom 09.06.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.06.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Salpa thompsoni
Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Jan Michels (idw)
Salpa thompsoni Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Jan Michels (idw)

Rund um die Antarktische Halbinsel gab es noch im Herbst große Mengen an laichreifem Krill und Salpen. Bedingt durch wärmere Wassertemperaturen setzte die Meereseisbildung spät ein, so dass einzellige Algen, die wesentliche Nahrungsgrundlage dieser Tiere, in hoher Konzentration vorkamen. Wie sich das Leben im Südozean an solche Änderungen anpassen wird war ein wichtiges Thema der diesjährigen Antarktissaison des Forschungsschiffes Polarstern, die am Montag, den 11. Juni 2018 nach knapp sechs Monaten mit dem Einlaufen des Schiffes in seinen Heimathafen Bremerhaven endet.

Das neue geschleppte Messsystem topAWI wurde erfolgreich getestet.
Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Volker Strass (idw)
Das neue geschleppte Messsystem topAWI wurde erfolgreich getestet. Quelle: Foto: Alfred-Wegener-Institut / Volker Strass (idw)

Mit Echoloten, Schleppnetzen, Handkäschern und auch tauchend haben die Teilnehmenden der letzten antarktischen Expedition der Polarstern an 100 Stationen rund um die Antarktische Halbinsel das Verhalten von Krill und Salpen erforscht. Beide Tiergruppen sind das erste räuberische Glied im Nahrungsnetz, sie ernähren sich von treibenden, einzelligen Algen, dem Phytoplankton. Während der Krill seinerseits vielen Fischarten, Robben und Walen als Nahrung dient, werden die gelatinösen Salpen kaum gefressen. Daher erforschen die Wissenschaftler, welche Art unter welchen Bedingungen dominiert.

„Trotz der späten Jahreszeit haben wir eine hohe Anzahl an laichreifem Krill und Salpen vorgefunden“, berichtet Prof. Dr. Bettina Meyer. Die Biologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB), leitete die antarktische Expedition von Mitte März bis Mitte Mai. Eine mögliche Erklärung liefert sie gleich mit: „Die Phytoplanktonkonzentration - vornehmlich Diatomeen - war für die Jahreszeit, im antarktischen Herbst erstaunlich hoch.“ Die Kleinstalgen hatten noch ausreichend Licht für die Photosynthese zur Verfügung, da die Meereisbildung trotz der späten Jahreszeit noch nicht eingesetzt hatte.

„Wir waren überrascht, dass wir Krill und Salpen im gleichen Gebiet gefunden haben, wenn auch in verschiedenen Wasserschichten. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass sich beide Arten aufgrund ihrer unterschiedlichen Biologie und Art und Weise der Nahrungsaufnahme in verschiedenen Gebieten aufhalten“, berichtet Meyer.

In den Laboren der Polarstern nahmen die Wissenschaftler den Krill und die Salpen dann genau unter die Lupe: Sie vermaßen über 13.000 Individuen und bestimmten deren Geschlecht und Reifestadium. Letzteres ist wichtig, um zu ermitteln, ob sich die Arten auch noch im Herbst erfolgreich fortpflanzen können. Dies haben die Biologen auf der aktuellen Expedition jetzt bestätigt. In einer sich weiter erwärmenden Antarktis könnten Salpen weiter zunehmen. „Wie sich dies auf den Krillbestand auswirkt ist noch unklar, jedoch haben erste Ergebnisse gezeigt, dass die Salpen keine Nahrungskonkurrenten zum Krill darstellen. Im Gegenteil: Die Salpen scheinen von den Krillschwärmen zu profitieren, indem sie die vom Krill produzierten Kotballen als Nahrung aufnehmen“, sagt Bettina Meyer.

In zusätzlichen Experimenten an Bord hat das Forscherteam aus sieben Ländern die Anpassungsfähigkeit von Salpen und Krill an verschiedene Temperatur- und Nahrungsbedingungen erforscht. Außerdem untersuchten sie, inwieweit ein Massenauftreten von Salpen die Planktongemeinschaft und den Kohlenstofffluss im Südpolarmeer beeinflusst. Diese Experimente sind essentiell, um Vorhersagen zu ermöglichen, wie sich das Ökosystem im Südpolarmeer verändern wird, wenn die Salpen durch die fortschreitende Erwärmung an der antarktischen Halbinsel gegenüber dem Krill zunehmen.

Im Anschluss fand eine Transitreise zur Weiterentwicklung mariner Technologien statt. Kohlenstoffflüsse im Ozean sowie zwischen Ozean und Atmosphäre sollen so zukünftig noch detaillierter erfasst werden. Das Team von 28 Wissenschaftlern um den AWI-Ozeanographen Dr. Volker Strass nutzte die Rückfahrt der Polarstern von Punta Arenas (Chile) nach Bremerhaven, um ein neues geschlepptes Messsystem zu erproben. Dieses neue Schleppsystem wird es ermöglichen, viele physikalische, chemische und biologische Variablen simultan und schnell mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung sowie Überdeckung zu messen. „Damit können wir jene Prozesse identifizieren, welche die Phytoplankton-Photosynthese und über die Primärproduktion auch die Kohlendioxid-Aufnahme des Ozeans beeinflussen“, berichtet Expeditionsleiter Strass. Der gelungene Test des Schleppsystems namens topAWI (towed ocean profiler of the AWI) stimmt den Ozeanographen zuversichtlich, mit dem verbesserten Prozess-Verständnis die Auswirkungen der durch den Klimawandel bedingten Änderungen im physikalischen Umfeld auf die marinen Ökosysteme und die daran gekoppelten biogeochemischen Flüsse zukünftig besser einschätzen zu können.

In den kommenden vier Wochen finden in der Lloyd Werft in Bremerhaven routinemäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten statt. Am 10. Juli 2018 wird die Polarstern dann in die Arktis aufbrechen.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (idw)

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