Europäer weichen lieber nach rechts aus
Archivmeldung vom 24.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Angewandte Mathematik erhält immer größere Bedeutung in Stadtplanung und Sozialwissenschaft, besonders wenn es um komplexes Verhalten vieler Menschen geht. Ein Beispiel dafür lieferte der Soziologe Mehdi Moussaid von der ETH Zürich am Jahrestreffen der American Association for the Advancement of Science in San Diego.
Seine Forschungen helfen Veranstaltern von Großereignissen beim Entwurf von Sicherheitsvorkehrungen und Stadtplanern beim Entwurf von Straßen und Gehsteigen.
Das wichtigste Instrument von Moussaids Team ist die Videokamera.
"Wir filmen Menschenmassen im echten Leben, etwa auf der Straße oder in
Einkaufszentren", berichtet sein Kollege Anders Fredrik Johansson im
pressetext-Interview. Aus den Aufzeichnungen suchen die Forscher
Algorithmen, die die Bewegung des Einzelnen und in Folge auch der Masse
vorhersagen können. Wichtigste Indikatoren seien dabei die Dichte, wofür
Menschen pro Quadratmeter gezählt werden, die Flussrate, für die der
Fortschritt pro Sekunde gemessen wird, und die Beziehung der Einzelnen
zueinander.
Europäer gehen auf Distanz
Bei der Suche, wie die Dichte der Menge den Bewegungsfluss bestimmt, sind laut Johansson mehrere soziale Kräfte ausschlaggebend. "Die wichtigste ist, wie viel Freiraum jeder einzelne braucht, was kulturell bedingt ist. Etwa in Japan und Indien akzeptieren Menschen, dass sie in einer Menge viel weniger Platz zur Verfügung haben als in Europa. Dieser Umstand sowie die geringere Körpergröße ermöglichen in Asien auch einen schnelleren Fluss bei hoher Menschendichte. In Europa beschleunigt man den Schritt, um anderen nicht zu nahe zu kommen, was jedoch insgesamt zu einer Verlangsamung der Masse führt", so der Züricher Soziologe.
Daneben sind die Bewegungsabsicht des Einzelnen, die Beziehung zu
den Weggefährten und äußere Umstände wie etwa Hindernisse entscheidend.
Kulturell ist laut den Erkenntnissen der Forscher auch das
Ausweichverhalten bestimmt. "Gehen Menschen aufeinander zu, weichen sie
in Europa eher nach rechts aus, in manchen Kulturen ist es eher links.
Für den Fluss ist rechts oder links egal. Wichtig ist, dass es diese
Regel gibt, denn sie erlaubt eine Beschleunigung. Effizienzkonflikte und
folglich Verlangsamung treten dann ein, wenn bei internationalen
Großereignissen viele Kulturen aufeinandertreffen", so Johansson.
Bahnhof ist nicht gleich Einkaufszentrum
So wie die Ausweichseite automatisiert ist, organisieren sich Menschen, die sich in verschiedene Richtungen bewegen, auch wie von selbst in Bahnen. Diese Strategien, die die Interaktion der Masse deutlich verbessern, sind äußerst simpel und vor allem unbewusst. Im Alltag können sie jedoch große Bedeutung besitzen, betont der Experte. "Es gibt verschiedene Formen von Menschenmassen und auch die Ziele der Stadtplaner sind jeweils andere. In Zugstationen muss man versuchen, Menschen möglichst rasch loszuwerden, während sie in Geschäftsstraßen und Einkaufszentren zum Verweilen verlockt werden sollen."
Quelle: pressetext.schweiz (Johannes Pernsteiner)