Zwei Studentinnen der Hochschule Karlsruhe vermessen Dschingis Khans Hauptstadt mit modernster Robotik
Archivmeldung vom 19.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVor genau 800 Jahren legte Dschingis Khan in der fernen Mongolei die Basis für das größte Weltreich aller Zeiten. Archäologen der Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Archäologischen Instituts und der Universität Bonn führen seit 1999 in der ehemaligen Hauptstadt Grabungen durch.
Ein neues detailliertes Höhenrelief bildet eine sehr wichtige Grundlage für die Auswahl der Grabungsstellen. Zwei Studentinnen aus der Fakultät für Geomatik an der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft sind vor Ort gerade mit den dazu notwendigen Vermessungsarbeiten beschäftigt, bei denen eine neue Vermessungs-Robotikstation zum Einsatz kommt.
Vor genau 800 Jahren legte Dschingis Khan in der fernen Mongolei die Basis für das größte Weltreich aller Zeiten, was gerade im ganzen Land gebührend gefeiert wird. Ein zentraler Ort der Feierlichkeiten ist die ehemalige Hauptstadt Karakorum, in der seit 1999 mongolische und deutsche Archäologen gemeinsam Ausgrabungen durchführen. Die Stadt Karakorum wurde kurz nach der Staatsbildung durch Dschingis Khan gegründet und war damit an sich schon eine Besonderheit für ein Nomadenvolk. Heute gilt sie als ein erstes multikulturelles Zentrum, denn sie beherbergte schon im 13. Jahrhundert Angehörige vieler Völker und Religionen. 1380 wurde die gesamte Stadtanlage vom chinesischen Erzfeind dem Erdboden gleich gemacht. Aus ihren Resten entstand zwei Jahrhunderte später eine der heutigen Hauptsehenswürdigkeiten der Mongolei, das Kloster Erdene Zuu.
Archäologen der Akademie der Wissenschaften, des Deutschen Archäologischen Instituts und der Universität Bonn führen seit 1999 in der ehemaligen Hauptstadt Grabungen durch. "Für uns ist es besonders wichtig, das eine genaue Vermessung des fast zwei Quadratkilometer großen Stadtgeländes erfolgt, die uns Aussagen über eventuell verborgene Strukturen im Untergrund erlaubt", so Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Grabungsleiter vom Deutschen Archäologischen Institut, und fügt hinzu: "Neben Luftbildern und Ergebnissen aus der Geomagnetik bildet auch das neue detaillierte Höhenrelief eine sehr wichtige Grundlage für die Auswahl der Grabungsstellen."
Und genau damit sind die beiden Studentinnen Juliane Kollowa und Sarah Laryea aus der Fakultät für Geomatik an der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft gerade beschäftigt. Im mongolischen Hochland (1.500 m) mit einer ausgeprägten Steppenlandschaft werden dafür in Abhängigkeit von den Bodenbewegungen Geländepunkte im Abstand von ein bis sechs Metern für das Höhenrelief aufgenommen. Neuzeitliche Strukturen wie beispielsweise tiefe Fahrspuren werden ausgelassen. "Uns kommt es fast auf jeden cm an", erklärt Andreas Rieger, Laborleiter an der Fakultät und Betreuer der Arbeiten von Seiten der Hochschule vor Ort, "wir werten im Detail 10 cm Höhenlinien aus, um Strukturen erkennen zu können, die mit bloßem Auge sonst nicht sichtbar sind. Unseren Studentinnen steht dafür die neueste Technologie zur Verfügung, die wir nun vor Ort ausgiebig testen. Eine solche Aufgabenstellung lässt sich an unserer Hochschule in Karlsruhe nicht simulieren."
Für die in Karakorum anwesenden Vermessungsfachleute aus Karlsruhe gibt es dabei eine Premiere: eine neue Trimble S6 Vermessungs-Robotikstation, die sich ferngesteuert betreiben lässt. Diese Ausrüstung im Wert von 33.000 Euro wurde dankenswerter Weise zur Durchführung des Projekts von der Fa. Trimble leihweise zur Verfügung gestellt. Während der Beobachter mit der bisherigen Technik durch ein solches Gerät über ein Fernrohr einen auf einem Stab befestigten Reflektor (Spiegel) anpeilte, der auf dem zu messenden Punkt steht, geht es mit der Robotikstation auch einfacher: Der Beobachter, oft viele Meter vom zu messenden Punkt entfernt, kann nun den Reflektor selbst an den gewünschten Punkt stellen und per Funk die Messung auslösen. Das Instrument, das auch einige hundert Meter entfernt stehen kann, sucht selbstständig den Reflektor, misst dreidimensional die Koordinaten des Punkts und übermittelt sie an das Kontrollgerät, das der Beobachter zur Steuerung in der Hand hält. "Als 'Ein-Mann-Station' ist das Prinzip nicht ganz neu", erläutert Andreas Rieger, "aber mit der neuen Geräteserie geht es sehr viel komfortabeler als früher, denn man kann unmittelbar vor Ort auch alle Werte grafisch kontrollieren, was Fehler vermeidet und erheblich Zeit spart." Täglich vermessen die beiden Studentinnen der Hochschule Karlsruhe auf diese Weise hunderte von Punkten in Karakorum.
Was hat die beiden Studentinnen daran gereizt, sechs Wochen in der Steppe auszuhalten? "Ich wurde gefragt, weil ich Russisch kann und die heutige mongolische Schrift dem sehr ähnlich ist, da habe ich nicht lange überlegen müssen", antwortet Juliane Kollowa. Sarah Laryea war ganz begeistert, als das neue Vermessungssystem an der Fakultät vorgeführt wurde. "Echt Spitze," so ihr Fazit, "für manche Aufgaben muss man allerdings völlig umdenken. Zudem ist es natürlich auch toll, während des Studiums mit ein bißchen Abenteuerlust in einem fernen Land zu arbeiten."
Bis Anfang September 2006 werden die beiden noch in Karakorum bleiben und jeden Abend am Computer die Daten auswerten. Hammel, Nudeln und Krautsalat werden dann anschließend wieder durch heimische Kost abgelöst. Für Juliane Kollowa allerdings nicht lange, denn sie wird bald wieder in eine andere Richtung aufbrechen: Im nächsten Monat steht für sie ein Auslandssemester an einer brasilianischen Partneruniversität in der Nähe von Rio de Janeiro auf dem Programm.
"Mit diesem Auslandsaufenthalt in der Mongolei können die
beiden Studentinnen nicht nur die modernste Technik kennen lernen und gleich in
der Praxis einsetzen", so Rektor Prof. Dr. Karl-Heinz Meisel, "sondern sie
müssen sich gleichzeitig innerhalb des international und interdisziplinär
zusammengesetzten Forscherteams verständigen und sich in einer sehr fremden
Kultur orientieren - Erfahrungen, von denen sie in ihrer beruflichen wie auch
persönlichen Entwicklung nur profitieren können."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.