Vorsicht Baustelle
Archivmeldung vom 24.05.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAutonomes und teilautonomes Fahren ist die Zukunft der Automobilindustrie. Zahleiche Firmen arbeiten bereits an der Technik für selbstfahrende Kraftfahrzeuge. Nur eine der vielen Herausforderungen, die sich dabei stellen, ist die Erkennung des Umfeldes, z. B. wenn auf Autobahnen eine Tagesbaustelle errichtet ist. Während länger andauernde Baumaßnahmen bereits heute in Navigationsgeräten kartographiert sind, müsste ein selbstfahrendes Fahrzeug auch in der Lage sein, unvorhergesehene Tagesbaustellen möglichst früh zu erkennen und den Fahrer entsprechend zu warnen.
Warnschilder und Pylonen anzeigen
Die Informatik-Studenten Martin Thümmel und Felix Schneider von der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben einen Algorithmus entwickelt, der eine solche Detektion von Tagesbaustellen aus dem Fahrzeug heraus möglich macht. Damit haben die Master-Studenten bei der „AICO Continental Challenge“ den ersten Platz erreicht. „AICO“ ist ein vom Automobilzulieferkonzern Continental international ausgelobter Algorithmus Design Wettbewerb für Nachwuchswissenschaftler und Studierende, die sich der Bildverarbeitung, maschinelles Lernen und Mustererkennung widmen. Der Wettbewerb bietet die Möglichkeit, Anwendungen für Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) auf Basis von visuellen Informationen zu erstellen. Alle Teilnehmer wurden mit einem Datensatz und Videodaten einer serienmäßig hinter der Frontscheibe eines Fahrzeuges montierten Kamera ausgestattet. Aufgabe war es, einen Bildverarbeitungsalgorithmus zu entwickeln, der die beweglichen Tagesbaustellen – mobile Absperrtafeln und Pylonen (Verkehrsleitkegel) – frühzeitig erkennt.
Die Jenaer Studenten haben dafür im Rahmen ihres Praxis-Moduls am Lehrstuhl für Digitale Bildverarbeitung von Prof. Dr. Joachim Denzler einen Lernalgorithmus programmiert, in dem sie aktuelle Methoden der digitalen Bildverarbeitung und des maschinellen Lernens mit ihren eigenen Ideen verbanden. Dafür haben sie u. a. viele verschiedene Bilder von mobilen Warntafeln und Pylonen zu einem Datensatz zusammengetragen. „Ein Vorteil für uns war, dass in Deutschland diese Schilder und Pylonen und sogar der Aufbau auf der Straße genormt sein müssen, sodass zumindest theoretisch alle Baustellen ein einheitliches Bild abgeben“, so Martin Thümmel. So ist das Fahrzeug nicht nur in der Lage, die Baustelle als solche zu erkennen, sondern dank der genormten Größen der Absperrtafeln und Leitkegel kann auf die Distanz von ihnen zum Fahrzeug geschlussfolgert werden. Das System der beiden FSU-Studenten schlägt das erste Mal bei etwa 80 Metern vor der Baustelle an.
Notfallmechanismus mitbedacht
Um die Detektion robuster zu machen, also ein sicheres Ergebnis zu bekommen, haben sie zudem zwei Verfahren angewendet. Nur wenn beide einig sind, dass es sich um eine Baustelle handelt, detektiert das System diese auch. „Mit den Methoden der 3D-Rekonstruktion verhindern wir Fehler, die zum Beispiel auftreten, wenn die Lichtverhältnisse schlecht sind oder wenn die Ladeklappe eines LKW der Form eines Warnschildes ähnelt“, sagt Felix Schneider und ergänzt, „außerdem haben wir einen Notfallmechanismus mitbedacht.“ Der Mechanismus reagiert dann, wenn die Baustelle nicht der Norm entspricht und etwa Pylonen fehlen oder der Abstand zwischen ihnen zu groß ist. Dabei ist es für das System völlig egal, auf welcher Fahrspur sich die bewegliche Baustelle befindet. Darüber hinaus ist es in der Lage, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu schätzen und so eine Vorhersage darüber zu treffen, wann etwa die nächste Pylone erscheinen müsste.
Den ersten Platz haben sich Thümmel und Schneider auch deshalb sichern können, weil ihr Algorithmus jede der zehn Baustellen im Test erkannt hat und das entwickelte System schon heute in Fahrerassistenzsystemen moderner Fahrzeuge eingesetzt werden könnte. Für ihre Leistung haben sie ein Preisgeld von 1.000 Euro sowie ein Entwicklerboard erhalten und wurden zudem von Continental zu einer Tagung an den Bodensee eingeladen, um über ihren Algorithmus zu berichten. Dann wird auch darüber entschieden, wie ihr Algorithmus den Weg in die praktische Anwendung finden kann.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)