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Galaktischer Kreisel um einen Roten Riesen

Archivmeldung vom 12.10.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.10.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Beobachtungen des ALMA-Teleskops zeigen eine unerwartete Spiralstruktur im Material um den alten Stern "R Sculptoris".
Quelle: Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO) (idw)
Beobachtungen des ALMA-Teleskops zeigen eine unerwartete Spiralstruktur im Material um den alten Stern "R Sculptoris". Quelle: Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO) (idw)

Wissenschaftler unter Federführung der Europäischen Südsternwarte (ESO) und der Universität Bonn beobachteten erstmals an dem Roten Riesen „R Sculptoris“ mit einem Teleskop, wie viel Materie durch einen thermischen Puls von dem Stern in den Weltraum hinausgeblasen wird. Überraschenderweise entdeckten sie dabei, dass das freigesetzte Gas eine Spirale um den Roten Riesen bildet. Durch diese Beobachtungen werden fundamental neue Einblicke möglich, wie durch den Wind von Roten Riesen Sternenstaub in den Weltraum verfrachtet wird und dort zum Aufbau der Materie beiträgt. Die Ergebnisse stellen die Forscher in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachjournals „Nature“ vor.

Die Menschen und die ganze Welt besteht letztlich aus Sternenstaub. Die chemischen Elemente, aus denen sich sämtliche Materie zusammensetzt, werden nämlich durch Kernverschmelzung im Innern von Sternen geboren. „Sie werden dann an die Oberfläche transportiert und als Gas und Staub in den Weltraum hinausgeblasen – in einem Wind von der Oberfläche des Sterns, der dadurch ständig an Masse verliert“, berichtet Erstautor Dr. Matthias Maercker, Wissenschaftler am Argelander-Institut für Astronomie und Stipendiat der Europäischen Südsternwarte (ESO). Die neuen Elemente werden dann gebildet, wenn es im Stern zu einem „thermischen Puls“ kommt. Gleichzeitig wird in kurzer Zeit viel mehr Materie bei einer höheren Geschwindigkeit von der Sternoberfläche ins All geblasen als sonst. So ein Ereignis findet jedoch nur etwa alle 50.000 Jahre statt und dauert nur wenige hundert Jahre.

Wie eine gigantische Blase aus Staub und Gas

Für die Wissenschaftler sind jedoch diese seltenen Ausbrüche besonders interessant, weil sie dabei viel über den Strom der chemischen Elemente von den Sternen als Geburtsstätten in den Weltraum hinaus lernen können. „Die zusätzliche Materie und erhöhte Geschwindigkeit des Windes während des thermischen Pulses führen dazu, dass Gas und Staub sich in Form einer gigantischen, sehr dünnen Blase ausbreiten, die sich daraufhin um den Stern herum immer weiter aufbläht“, beschreibt Dr. Maercker. Die Überlebensdauer dieser Blasen durch thermische Pulse ist relativ kurz, weshalb man sie bis jetzt nur um etwa zehn Rote Riesen entdeckt hat.

Von dem Roten Riesen „R Sculptoris“ ist bereits seit Ende der 80er Jahre bekannt, dass ihn eine solche Blase umgibt. Ein Roter Riese ist ein alter Stern von großer Ausdehnung, der besonders hell leuchtet. Wenn sich unsere Sonne am Ende ihres Lebens befindet, wird auch sie sich zu einem Roten Riesen entwickeln. Bilder von R Sculptoris lieferte bereits das Weltraumteleskop Hubble. Maercker hat zu diesen Hubble-Bildern zuvor seine Promotion angefertigt. „Hubble zeigt jedoch nur die Staubblase um R Sculptoris“, berichtet er. „Die ausgeworfenen Gase sind mit dem Teleskop nicht zu erkennen.“

Das ALMA-Teleskop ermöglichte überraschende Einblicke

Seit langem versuchen Wissenschaftler, diese Blasen genauer in Augenschein zu nehmen, um mehr über den Transport von chemischen Elementen ins Weltall zu erfahren. Die Wissenschaftler nutzten nun das neue ALMA-Teleskop, das in der Gipfelregion der chilenischen Atacama-Wüste Radiowellen empfängt. „Dieses Teleskop verfügt über eine sehr hohe Auflösung und kann auch Gase messen“, sagt Maercker. ALMA nahm den Ausstoß von Kohlenmonoxid des Roten Riesen R Sculptoris genau unter die Lupe. Zusammen mit Wissenschaftlern der Europäischen Südsternwarte (ESO) und Forschern aus Chile, Südafrika, Schweden, Österreich und Belgien bereitete der Bonner Forscher die Messdaten auf und wertete sie aus.

Eine Spirale aus Gas windet sich um den Roten Riesen

Dabei förderte das Team Überraschendes zutage: Die Beobachtungen zeigten nicht nur die erwartete Blase aus Gas, sondern auch, dass der Wind des Sterns eine Spirale wie von einem galaktischen Kreisel um den Roten Riesen bildet. „Wir hätten nie gedacht, dass wir gleichzeitig eine Blase und eine Spirale beobachten können“, sagt Dr. Maercker. Die Ursache dieser eigentümlichen Erscheinung ist ein Begleitstern, der R Sculptoris umkreist. „Die Gravitation des Begleitsterns fokussiert den Wind um den Roten Riesen hinter sich. Die Bewegung des Begleitsterns um R Sculptoris prägt dann eine Spirale in den Wind aus Gas und Staub“, berichtet der Bonner Wissenschaftler. Damit wird das Material zwischen Blase und Stern in einzigartiger Weise sichtbar. Die Spirale umfasst fünf Windungen. Daraus schlossen die Forscher, dass der Begleitstern seit des thermischen Pulses R Sculptoris insgesamt fünf Mal umkreiste und dabei die von dem Stern ausgestoßenen Gase entsprechend in Form gebracht hat. „Die Beobachtungen von ALMA ergeben, dass sich die Blase mit einer Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Stunde ausbreitet. Zusammen mit der Größe der Blase ergibt das ein Alter von rund 1800 Jahren. Daraus ergibt sich eine Umlaufdauer des Begleitsterns von rund 350 Jahren“, rechnet Dr. Maercker vor.

Gigantischer Massenverlust während des thermischen Pulses

Zusätzlich lässt sich aus dem Abstand der einzelnen Windungen und der Umlaufdauer des Begleitsterns berechnen, wie sich die Geschwindigkeit des Windes vom Roten Riesen seit dem Ausstoß der Blase verändert hat. Die Helligkeit der einzelnen Windungen macht es möglich, die Menge an Materie zu bestimmen, die zu jedem Zeitpunkt in den letzten 1800 Jahren vom Stern weggeblasen wurde. „Damit konnten wir erstmals beobachten, wie ein Stern während und nach einem thermischen Puls Materie verliert“, sagt Dr. Maercker. „Der Massenverlust während eines Pulses ist rund 30 Mal größer als während der pulsfreien Zeiten“, berichtet der Astronom. „Das ist rund drei Mal mehr, als bislang vermutet wurde.“ Bisher entzog sich dieses Phänomen während eines thermischen Pulses der Beobachtung und war nur Gegenstand theoretischer Betrachtungen. „Unsere Ergebnisse liefern erstmals durch Beobachtung die Grundlage, noch viel mehr über den Ausstoß der in den Sternen generierten chemischen Elemente ins Weltall zu erfahren“, sagt Dr. Maercker.

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (idw)

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