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Forschungsprojekte tragen zur EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten bei

Archivmeldung vom 29.01.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.01.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Die Mahonie (Mahonia aquifolium) stammt aus dem Nordwesten der USA und kam als Zierstrauch nach Europa. Seitdem breitet sie sich invasionsartig aus. Quelle: Foto: André Künzelmann/UFZ (idw)
Die Mahonie (Mahonia aquifolium) stammt aus dem Nordwesten der USA und kam als Zierstrauch nach Europa. Seitdem breitet sie sich invasionsartig aus. Quelle: Foto: André Künzelmann/UFZ (idw)

Seit 1. Januar 2015 gilt in allen EU-Staaten eine neue Verordnung über invasive gebietsfremde Arten. Damit will die Europäische Union gegen einen der Faktoren aktiv vorgehen, die die Artenvielfalt und damit die Ökosystemleistungen bedrohen. Die neue Verordnung hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der Behörden sowie den Handel mit Tieren und Pflanzen. In die Gesetzgebung sind auch Ergebnisse von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) eingeflossen.

Die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) stammt ursprünglich aus Nordamerika und hat sich bereits in weiten Teilen Europas ausgebreitet. Ihre Pollen sind aggressive Allergie-Auslöser. Quelle: Foto: Klaus-Dieter Sonntag,fotoplusdesign.de/ UFZ (idw)
Die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) stammt ursprünglich aus Nordamerika und hat sich bereits in weiten Teilen Europas ausgebreitet. Ihre Pollen sind aggressive Allergie-Auslöser. Quelle: Foto: Klaus-Dieter Sonntag,fotoplusdesign.de/ UFZ (idw)

In der EU und den angrenzenden europäischen Ländern kommen rund 12.000 gebietsfremde Arten vor, von denen geschätzte 10 bis 15 Prozent als invasiv gelten. Das heißt, diese invasiven Arten verdrängen einheimische Arten, beeinträchtigen funktionierende Ökosysteme oder verursachen ökonomische Schäden. Da es inzwischen sehr viele invasive gebietsfremde Arten gibt, muss die Politik Prioritäten setzen. Bis zum 2. Januar 2016 soll dazu die so genannte „Unionsliste“ erstellt werden für Arten, von denen länderübergreifende Gefahren ausgehen. Voraussetzung für die Aufnahme in diese Liste ist, dass die entsprechende Art in mindestens drei EU-Staaten als „invasiv gebietsfremd“ eingestuft wird. Eine wichtige Vorarbeit hat hier das EU-Projekt DAISIE geleistet. Zwischen 2005 und 2008 haben die Forscher eine Datenbank erstellt, die inzwischen detaillierte Informationen zu 12.122 Arten sowie 2.440 Experten zu biologischen Invasionen in Europa enthält. Außerdem wurde auch eine Liste der 100 problematischsten Arten erstellt – inklusive Vorkommen und Risikobewertung. Die EU und ihre Mitgliedsländer stehen jetzt vor der Herausforderung, zu entscheiden, welche davon in die Unionsliste übernommen werden sollen. Dabei dürfen sie aber nicht bei einer reinen Risikobetrachtung stehenbleiben, sondern müssen auch den Nutzen von Arten und regionale Aspekte einbeziehen. „Eine Art, die zum Beispiel in Norwegen ein Problem sein kann, muss dies im Süden Italiens dagegen nicht sein. Es wird nicht leicht, sich auf einen europaweiten Nenner zu einigen und trotzdem die regionalen Bedingungen bei der Abschätzung der gesundheitlichen, ökonomischen und ökologischen Gefahren zu berücksichtigen“, schätzt der Biologe Dr. Stefan Klotz vom UFZ ein. In der europäischen Regelung sieht er trotzdem einen großen Schritt in die richtige Richtung, da europäische Länder vergleichsweise klein sind. Rein nationale Konzepte können deshalb nicht effektiv sein, da die Arten bekanntermaßen nicht an den Grenzen halt machen.

Konsequenzen bis hin zum Blumenbeet oder dem Wohnzimmeraquarium

Im Gegensatz zu einer Richtlinie, die nur den Rahmen vorgibt und erst in nationales Recht umgesetzt werden muss, gilt die neue Verordnung direkt seit Jahresbeginn in allen Mitgliedstaaten. Unmittelbare Rechtsfolgen ergeben sich aber erst, wenn die Unionsliste erarbeitet ist. „Die Unionsliste ist das Schlüsselelement der Verordnung. Sobald die Liste vorliegt, gelten für die dort gelisteten Arten umfassende Besitz- und Vermarktungsverbote. Außerdem ergeben sich für die Mitgliedstaaten Verpflichtungen, nicht nur diese Verbote durchzusetzen, sondern auch weitergehende Management- und Beseitigungsmaßnahmen zu treffen, sofern dies mit angemessenem Aufwand möglich ist“, unterstreicht der Umweltjurist Prof. Wolfgang Köck vom UFZ Konsequenzen, die vor allem den kommerziellen Handel treffen werden. Für Privatpersonen mit Haustieren gilt eine Übergangsregelung. Sie dürfen ihr Haustier, auch wenn es auf der Unionsliste geführt wird, bis zum Ende der natürlichen Lebensdauer behalten, sofern alles getan wird, um eine Fortpflanzung oder ein Entkommen auszuschließen. Prof. Köck sieht die größten Probleme bei der Einbeziehung von Nutzenerwägungen in die Risikobewertung; denn die Wissenschaft hat sich bisher im Wesentlichen auf die Risikoseite konzentriert. Für die Nutzenseite fehlt es demgegenüber an einer systematischen Wissensaufbereitung, so dass der Prozess der Listenerstellung sehr kompliziert werden könnte.

Wissenschaftsbeteiligung als ein zentrales Element

„Die Beteiligung der Wissenschaft ist wichtig, damit eine angemessene Wissensgrundlage zur Verfügung steht, um die von invasiven gebietsfremden Arten verursachten Probleme lösen zu können“, erkennt die neue Verordnung explizit an und sieht die Etablierung eines wissenschaftlichen Forums vor, um Forscher mit einzubinden – z.B. für die Erstellung und Aktualisierung der Unionsliste, für Risikobewertungen oder Dringlichkeitsmaßnahmen. Ein erstes Treffen dazu hat im Januar im spanischen Sevilla stattgefunden. Bereits jetzt hat sich die Beratung durch die Wissenschaft gelohnt: „Es war ursprünglich einmal geplant, die Liste der Arten, die aktiv bekämpft werden sollen, auf 50 Arten zu beschränken“, berichtet Biologe Prof. Ingolf Kühn vom UFZ. „Nach Protesten aus der Wissenschaft sind diese Pläne dann aber wieder fallengelassen worden. Es ergibt einfach keinen Sinn, willkürlich eine Zahl festzulegen bevor die Mitgliedsstaaten nicht ihre Informationen abgeliefert haben. Außerdem können sich Ökosysteme sehr dynamisch entwickeln. Wir müssen daher auch in Zukunft flexibel auf die aktuellen Entwicklungen reagieren können.“

Vorsorge ist billiger als Nachsorge

Die neue Verordnung ist keine reine Bekämpfungsverordnung, sondern hat einen starken präventiven Charakter, da Arten, wenn sie sich erst einmal etabliert haben, kaum oder nur mit hohen Kosten noch zu bekämpfen sind. Daher sollen vorrangig Arten in die Liste aufgenommen werden, die noch nicht in der EU vorkommen oder erst am Anfang stehen, aber ein großes Gefahrenpotenzial besitzen. Beim berüchtigten Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) oder der allergieauslösenden Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) rechnen Experten deshalb nicht damit, dass diese auf der Unionsliste landen werden, da die Kosten einfach zu hoch wären. „Aussichtsreiche Kandidaten“ sind bisher mehrere Arten, die bereits in einer früheren Naturschutzverordnung enthalten waren und daher in der neuen Verordnung explizit genannt werden. Dazu zählen Schönhörnchen (Callosciurus erythraeus) aus Asien sowie Grauhörnchen (Sciurus carolinensis), Fuchshörnchen (Sciurus niger), Schwarzkopfruderenten (Oxyura jamaicensis), Ochsenfrösche (Rana catesbeiana), Zierschildkröten (Chrysemys picta) und Rotwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans), die alle aus Nordamerika stammen.

Auf die Naturschutzbehörden kommt anschließend einiges an Arbeit zu: Sie müssen innerhalb von eineinhalb Jahren die Wege ermitteln, auf denen die geächteten Arten in die EU eingeschleppt werden, Aktionspläne aufstellen und ein Überwachungssystem etablieren. Gleichzeitig soll so der Informationsaustausch verbessert und eine Art „Frühwarnsystem“ entstehen, damit noch nicht betroffene Regionen rechtzeitig reagieren können.

Mit der neuen EU-Verordnung wird ein zentrales Element der 2011 verabschiedeten EU-Strategie zum Schutz der Biodiversität umgesetzt. Die Verordnung wird in den kommenden Jahren weitreichende Konsequenzen haben für Behörden, Händler bis hin zum Endverbraucher, denn sie setzt ehrgeizige Ziele zur Lösung von Problemen, die die zunehmende Globalisierung für die Natur mit sich bringt.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ (idw)

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