Ist die heutige Zirkulation im Arktischen Ozean eine Ausnahme?
Archivmeldung vom 03.12.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zirkulation im Arktischen Ozean, wie wir sie heute kennen, stellt, verglichen mit der geologischen Vergangenheit, eine Ausnahmesituation dar. Dies zeigten Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel anhand von geochemischen Analysen an Meeressedimenten aus dem zentralen Arktischen Ozean.
Während des überwiegenden Teils der letzten 15 Millionen Jahre wurde demnach die Zirkulation stark durch die Bildung von Meereis beeinflusst und nicht, wie heute, durch einfließendes Wasser aus dem Atlantik bestimmt. Das legt auch nahe, dass das Bildungsgebiet des Nordatlantischen Tiefenwassers, das für die globale Zirkulation und den Wärmeaustausch zwischen niedrigen und hohen Breiten von großer Bedeutung ist, in diesen Zeiten weiter im Süden lag und den Arktischen Ozean daher nicht so stark beeinflussen konnte.
Der Arktische Ozean steht nur in begrenztem Austausch mit
dem globalen Ozean, wobei die Framstraße zwischen Grönland und Svalbard die
einzige Tiefenwasserverbindung zum Atlantischen Ozean darstellt. Hauptsächlich
über diesen Weg wird der tiefe Arktische Ozean heute mit Sauerstoff versorgt.
Heute verhindert eine ausgeprägte und stabile Süßwasser-Schicht an der
Oberfläche des Arktischen Ozeans, die durch die großen russischen Flüsse erzeugt
wird, die Tiefenwasserbildung im Arktischen Ozean selbst nahezu vollständig. Die
Ergebnisse von Dr. Brian Haley und Kollegen vom IFM-GEOMAR zeigen nun, dass
diese Situation im überwiegenden Teil der vergangenen 15 Millionen Jahre nicht
die Regel sondern eher die Ausnahme war.
Die Kieler Forscher machten ihre
Entdeckung, als sie geochemische Analysen an Sedimenten der Arctic Coring
Expedition (ACEX, Leg 302 des Integrated Ocean Drilling Programms (IODP)) und
einer Polarstern Expedition durchführten, die nahe des Nordpols auf dem
Lomonosov-Rücken in 1000-1200 m Wassertiefe gewonnen worden waren. Sie
rekonstruierten das Meerwasser-Isotopenverhältnis des Elements Neodym
(143Nd/144Nd) in der Vergangenheit aus den Sedimenten. Das Neodym, das in
Gesteinen abhängig von deren Alter und Typ charakteristische
Isotopenverhältnisse hat, wird durch Verwitterung in den Ozean transportiert und
liefert dort Informationen über die Herkunft von Wassermassen. Zu ihrer
Überraschung stellten die Geochemiker fest, dass die Isotopen-Signatur des
Meerwassers der letzten 15 Millionen Jahre, mit Ausnahme der Ablagerungen aus
den Warmzeiten der letzten 400.000 Jahre, sehr stark unterschiedlich zum
heutigen Signal war. "Noch erstaunlicher ist", so Dr. Brian Haley, Erstautor der
Studie vom IFM-GEOMAR, "dass diese Signatur auf einen starken Einfluss der
Verwitterung basaltischer Gesteine hinwies. Solche Gesteine existieren jedoch in
den Landmassen um die Arktis herum ausschließlich in Form der sibirischen
'Putorana-Flutbasalte'".
Aus dieser geologisch einmaligen Situation konnten,
zusammen mit Rekonstruktionen der kontinentalen Eisbedeckung der letzten 140.000
Jahre, Rückschlüsse über die Strömungsgeschichte des tiefen Arktischen Ozeans
gezogen werden. Die Basaltsignatur kann nur dadurch in den tiefen Arktischen
Ozean gelangt sein, dass sich in Kaltzeiten große Mengen neuen Meereises nahe
den Basaltgebieten in der Karasee gebildet haben. Wie kam das Signal zum
Meeresboden? "Bei der Eisbildung "friert" das Salz aus, und es entstehen extrem
salzhaltige Lösungen, die dichter als das umgebende Meerwasser sind. Diese
sinken in die Tiefe ab und transportieren dabei die gelöste Neodym-Signatur der
Basalte zum Meeresboden, wo die Sedimentkerne gewonnen wurden", erklärt Prof.
Martin Frank, Co-Autor der Studie. Ferner lassen die gemessenen
Isotopenverhältnisse nur den Schluss zu, dass der Einstrom Atlantischen Wassers
in den Arktischen Ozean während des größten Teils der letzten 15 Millionen Jahre
und während der Eiszeiten der letzten 400.000 Jahre im Vergleich zu heute stark
erniedrigt war. Dies legt nahe, dass das Zentrum der Atlantischen
Tiefenwasserbildung in diesen Zeiten nicht wie heute in der
Norwegisch-Grönländischen See, sondern weiter südlich lag.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.