Zucht-Jakobsmuscheln entwickeln eigene Gen-Merkmale
Archivmeldung vom 09.02.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Jakobsmuschel ist eine der größten essbaren Muscheln und gilt unter Gourmets als Delikatesse. Um den Bedarf nach den Muscheln zu decken, züchtet die Fischerei-Industrie die Schalentiere in Aquafarmen am Meer. Verhaltensökologen der Universität Bielefeld belegen in einer neuen Analyse: Die gezüchteten Muscheln haben eine eigene genetische Komposition ausgeprägt. Damit unterscheiden sie sich in ihren Gen-Merkmalen von natürlichen Vorkommen.
Die Biologen haben insgesamt neun Populationen der Jakobmuschel (Pecten maximus) an der Küste von Nordirland untersucht. Ihre Ergebnisse stellen sie am heutigen Mittwoch (8.2.2017) im Forschungsmagazin „Royal Society Open Science“ vor.
„Von den neun untersuchten Populationen der Jakobsmuschel unterscheidet sich nur eine genetisch deutlich von den anderen, und das ist die künstlich gezüchtete Art“, berichtet Joseph Hoffman, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Verhaltensökologie. Neuzüchtungen werden zum Beispiel in Gitterkäfigen an Küsten kultiviert. Mitunter geraten junge Jakobsmuscheln durch das Gitter in die Freiheit und können so eigene Populationen bilden. Mit dem Begriff Population beschreiben Biologen eine Gruppe von Organismen einer Art, die gemeinsam in einem Gebiet lebt und durch Fortpflanzung über Generationen genetisch verbunden ist.
Die Forscher haben die genetische Architektur der Muschelpopulationen analysiert. „Die genetische Architektur ist das Gerüst der Erbanlagen, das bestimmt, welches äußere Erscheinungsbild ein Organismus annehmen kann – wie groß zum Beispiel eine Muschel werden kann oder ob sie eine rote Maserung ausbilden kann“, sagt David Vendrami. Der Doktorand untersuchte insgesamt 180 Muschel-Proben. Das Agri-Food and Biosciences Institute in Belfast (Nordirland) sammelte sie im Februar 2015 bei einer Exkursion an der nordirischen Atlantikküste.
Die Forschenden haben nicht nur belegt, wie sich Züchtungen auf die Vorkommen der Jakobsmuscheln auswirken. Ihre Untersuchung beweist auch, dass diese Muscheln ihre Form und innere Färbung sehr flexibel an ihre Umweltbedingungen anpassen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Züchtung oder die acht natürlichen Populationen handelt. „Wir haben geprüft, inwieweit die Erbanlagen und das Erscheinungsbild zusammenhängen. Das ist aber sehr wahrscheinlich nicht der Fall. Die äußeren Eigenschaften der Muschel hängen sehr wahrscheinlich von der Umgebung ab“, sagt Vendrami.
Die Bielefelder Wissenschaftler haben die Untersuchung auch genutzt, um ein klassisches DNA-Analyse-Verfahren mit einem neuen Verfahren zu vergleichen. Das klassische Verfahren wertet wiederholte, kurze DNA-Abschnitte (Mikrosatelliten) aus, um Proben von verschiedenen Organismen zu vergleichen. Das moderne Verfahren (RAD-Sequenzanalyse) analysiert in kürzerer Zeit tausendfach mehr DNA-Abschnitte aus. „Das neue Verfahren übertrifft den klassischen Ansatz deutlich dabei, Unterschiede in den Populationen zu finden“, sagt David Vendrami.
In seiner künftigen Forschung gehen Hoffman, Vendrami und ihre Kollegen über Nordirland hinaus. Sie untersuchen Proben von der ganzen atlantischen Küste, von Norwegen bis Portugal, sowie aus dem Mittelmeer, um zu erfahren, wie die Jakobsmuscheln und andere Schalentiere in ihrem Wachstum auf unterschiedliche Umweltbedingungen reagieren.
Für die aktuelle Studie haben die Bielefelder Forscher mit einer Reihe von Partnern zusammengearbeitet: der University of Cambridge (England), der Universität Duisburg-Essen, der Forschungseinrichtung British Antarctic Survey (Cambridge), und dem Agri-Food and Biosciences Institute in Belfast (Nordirland).
David Vendrami ist Mitglied des Marie-Curie-Netzwerks „Calcium in a Changing Environment“ (CACHE, Kalzium in einer sich ändernden Umwelt). Darin untersuchen zehn Doktoranden aus ganz Europa in verschiedenen Disziplinen Europas kommerziell wichtigste Muschel-Arten. Das Netzwerk wird von der Europäischen Union gefördert. Die Marie-Curie-Netzwerke sind ein Teil des Rahmenprogramms für exzellente Forschung und Innovation der Europäischen Union.
Quelle: Universität Bielefeld (idw)