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Der bislang beste Blick auf verschmelzende Galaxien im frühen Universum

Archivmeldung vom 28.08.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.08.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Verschmelzende Galaxien im frühen Universum unter einer kosmischen Lupe.
Verschmelzende Galaxien im frühen Universum unter einer kosmischen Lupe.

Bild: ESO/NASA/ESA/W. M. Keck Observatory

Ein internationales Astronomenteam hat mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) und vielen weiteren Teleskopen die bislang besten Aufnahmen einer Kollision zweier Galaxien gewinnen können, die zu einem Zeitpunkt stattfand, als das Universum nur halb so alt war wie heute. Dabei nutzten sie eine galaxiengroße Lupe - nur so konnten feine Details sichtbar gemacht werden. Die Untersuchungen der Galaxie H-ATLAS J142935.3-002836 haben gezeigt, dass dieses komplexe, weit entfernte Objekt einer wohlbekannten Galaxienkollision ähnelt, die gerade in unserer kosmischen Nachbarschaft abläuft: die der Antennengalaxien.

Schon der berühmte fiktive Detektiv Sherlock Holmes konnte mit einer Lupe kaum zu erkennende, aber wichtige Hinweise für die Lösung seiner Kriminalfälle auffinden. Astronomen haben nun die Kräfte von vielen Teleskopen auf der Erde und im Weltall [1] und einer gigantischen kosmischen Lupe miteinander vereint, um einen Fall von starker Sternentstehung im frühen Universum zu untersuchen.

“Meistens ist das was wir Astronomen erreichen können durch die Leistungsfähigkeit unserer Teleskope begrenzt, aber manchmal lassen sich unsere Möglichkeiten Details zu erkennen von solchen natürlichen Lupen, wie sie das Universum selbst erzeugt, enorm verstärken”, erlärt Hugo Messias von der Universidad de Concepción in Chile und vom Centro de Astronomia e Astrofísica da Universidade de Lisboa in Portugal, der Erstautor der Studie, in der über die Ergebnisse berichtet wird. “Aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie folgt, dass Licht sich nicht geradlinig ausbreitet, sondern ähnlich wie in einer Linse abgelenkt wird, wenn genügend Masse in Form von Materie im Weg liegt.”

Derartige kosmische Linsen werden von massereichen Strukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen gebildet. Sie lenken das Licht dahinterliegender Objekte durch ihre starke Schwerkraft ab, dies nennt man den Gravitationslinseneffekt. Der Verstärkungseffekt einer solchen Gravitationslinse ermöglicht es den Astronomen, Objekte zu untersuchen, die sonst nicht sichtbar wären und so zum Beispiel Galaxien aus unserer kosmischen Nachbarschaft mit weit entfernt liegenden Artgenossen zu vergleichen, die man heute so sieht wie sie zu einer Zeit waren, als das Universum deutlich jünger war.

Damit ein solches Gravitationslinsensystem funktioniert, müssen die Linsengalaxie, die weiter entfernt liegende und wir als Beobachter aber sehr präzise angeordnet sein.

“Allein der Zufall bestimmt, ob die Anordnung passt. Gravitationslinsen sind sehr selten und außerdem oft schwer als solche zu identifizieren”, ergänzt Hugo Messias “Aber aktuelle Studien haben gezeigt, dass man im fernen Infrarot und bei Millimeterwellenlängen viel effizienter bei der Suche nach ihnen ist.”

H-ATLAS J142935.3-002836 (oder kurz H1429-0028) ist eine solche Gravitationslinse und wurde im Rahmen des Herschel Astrophysical Terahertz Large Area Survey (H-ATLAS) entdeckt. Auf Aufnahmen im sichtbaren Licht ist sie nur sehr schwach, dennoch zählt sie zu den hellsten Gravitationslinsenobjekten im fernen Infrarot, die man bislang finden konnte, und das obwohl wir es heute in dem Zustand sehen, in dem es sich befand als das Universum nur halb so alt war wie heute.

Die nähere Untersuchung dieses Objektes ist somit an der Grenze dessen, was überhaupt möglich ist. Das internationale Astronomenteam startete daher eine ausgedehnte Nachbeobachtungskampagne, an denen einige der leistungsfähigsten Teleskope der Welt beteiligt waren – sowohl vom Erdboden aus, als auch aus dem Weltall. darunter waren das NASA/ESA Hubble Space Telescope, ALMA, das Keck-Observatorium, das Karl Jansky Very Large Array (JVLA) und viele andere mehr. Die verschiedenen Teleskope lieferten dabei unterschiedliche Ansichten in verschiedenen Wellenlängenbereichen, die sich zu einem einzigartigen Einblick in die Natur dieses ungewöhnlichen Objekts vereinigen ließen.

Die Hubble- und Keck-Aufnahmen zeigten detailliert einen durch den Gravitationslinseneffekt bedingten Lichtring um die Vordergrundgalaxie. Gleichzeitig konnte man anhand dieser hochaufgelösten Aufnahmen nachweisen, dass die Linsengalaxie eine Scheibengalaxie ähnlich unserer Milchstraße ist, die wir von der Seite sehen, und dass Teile des Hintergrundlichts von den großen Staubwolken, die sie enthält, verdeckt werden.

Dieser Abdunklungseffekt ist für ALMA und das JVLA allerdings kein Problem mehr, denn diese beiden Einrichtungen beobachten den Himmel bei längeren Wellenlängen, so dass sie von Staub nicht beeinflusst werden. Die Wissenschaftler konnten daraufhin anhand der Kombination der Daten feststellen, dass das Hintergrundobjekt in Wirklichkeit zwei gerade miteinander kollidierende Galaxien sind. ALMA und das JVLA wurden damit die Hauptakteure bei der weiteren Charakterisierung des Objekts.

ALMA hat dabei insbesondere Kohlenstoffmonoxid in den Galaxien vermessen, über das man die Mechanismen der Sternentstehung detailliert untersuchen kann. Anhand der ALMA-Beobachtungen konnte man außerdem die Bewegung der Materie in der weiter entfernten Galaxie bestimmen. Für den Nachweis, dass die von der Gravitationslinse abgebildeten Objekte in der Tat kollidierende Galaxien sind, in denen sich Hunderte neue Sterne pro Jahr bilden, war dies essentiell. Eine der beiden wechselwirkenden Galaxien zeigt zudem Anzeichen für eine Eigendrehung, was darauf hin deutet, dass sie vor dieser Begegnung eine Scheibengalaxie gewesen ist.

Das System wechselwirkender Galaxien ähnelt damit einem bekannten Himmelsobjekt, das sich viel näher an uns befindet: den Antennengalaxien. Dabei handelt es sich um den spektakulär aussehenden Zusammenstoß zweier Galaxien, bei denen man davon ausgeht, dass sie zuvor eine Scheibenstruktur hatten. Die Antennengalaxien erzeugen allerdings nur Sterne mit einer Rate von wenigen zehn Sonnenmassen pro Jahr, während H1429-0028 Gas mit mehr als 400 Sonnenmassen pro Jahr in Sterne umsetzt.

Rob Ivison, wissenschaftlicher Direktor der ESO und einer der Koautoren der neuen Studie schließt: “ALMA war der Schlüssel zur Lösung des Rätsels dieses Objekts, weil wir mit seiner Hilfe die Information über die Geschwindigkeit des Gases in den Galaxien bekommen konnten. Das wiederum hat es möglich gemacht, die verschiedenen Komponenten zu identifizieren und auseinanderzuhalten, so dass wir die klassische Signatur einer Galaxienverschmelzung rekonstruieren konnten. Unsere Studie hat eine Galaxienkollision auf frischer Tat dabei ertappt, wie sie besonders starke Sternentstehung auslöst.”

Endnoten

[1] Unter der Armada von Instrumenten, die man für die Enträtseltung dieses Falls eingesetzt hat, befanden sich nicht weniger als drei ESO-Teleskope – ALMA, APEX und VISTA. Die anderen beteiligten Teleskope und Druchmusterungen waren das NASA/ESA Hubble Space Telescope, das Gemini South-Teleskop, das Keck II-Teleskop, das NASA Spitzer Space Telescope, das Jansky Very Large Array, CARMA, IRAM, sowie SDSS und WISE.

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie

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