Entstanden Knochen zuerst in der Haut?
Archivmeldung vom 08.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Was verbindet den Menschen mit einem Lanzettfischchen, dem Schleimaal und dem Katzenhai?" Dieser Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik und ihre Kollegen aus Berlin, Hamburg und Tübingen nachgegangen. Sie untersuchten anhand wichtiger Vertreter der Chorda-Tiere, zu denen auch die Wirbeltiere gehören, die phylogenetischen Ursprünge von Knorpeln, Knochen, Zähnen und Skelett.
Dabei nahmen sie auf molekularer Ebene bestimmte Entwicklungsgene (Runx 1-3) unter die Lupe, die eine Schlüsselrolle in der Skelettentwicklung spielen. Die Ergebnisse verblüfften die Forscher: Denn die Aktivitäten dieser Gene ließen sich mehrere hundert Millionen Jahre zurückverfolgen. Runx-Gene waren sowohl im Kiemendarm von Lanzettfischchen, im Knorpel von Schleimaalen sowie im Knorpel und den zahn-ähnlichen Hautschuppen des Katzenhais aktiv. Letzteres lässt auf eine gemeinsame Vorläuferstruktur von Knochen und den zahn-ähnlichen Hautschuppen beim Hai schließen. (PLoS Genetics, 6. März 2008)
Die Skelettentwicklung ist in der Stammesgeschichte
der Wirbeltiere von großer Bedeutung, jedoch ist über die molekulare
Entstehung des Skeletts noch wenig bekannt. Bei den Säugetieren werden
sogenannte Runx-Gene (Runx 1-3) beschrieben, die eine wichtige Rolle
bei der Blutbildung (Hämatopoese) spielen oder für die
Skelettentwicklung unerlässlich sind. Sie beeinflussen die
Knochenbildung und Zahnentwicklung, die Reifung von Knorpelzellen und
regulieren direkt das "Indian hedgehog"-Gen (Ihh), ein weiteres
essentielles Gen für die Knorpel- und Knochenentwicklung.
Die
Säugetiere gehören - evolutionsgeschichtlich - zur Klasse der
Wirbeltiere. Die Wirbeltiere (Vertebraten) werden wiederum mit den
stammesgeschichtlich viel älteren Manteltieren (Tunicata) und
Schädellosen (Acrania) zu den Chordatieren zusammengefasst. Diese
tragen ein im Rückenbereich liegendes elastisches Achsenskelett (Chorda
dorsalis), das Rumpf und Bewegungssystem zusammenhält. Bei den
Wirbeltieren bildete sich die Chorda zugunsten der Wirbelsäule stark
zurück. Die Reste der Chorda finden sich beim Menschen noch in der
Bandscheibe wieder.
Jochen Hecht und Volkhard Seitz, beide
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in
Berlin, haben die Anzahl und Expression von Runx-Gene und ihre
Interaktion mit Hedgehog-Genen an Lanzettfischchen, Schleimaalen und
Katzenhaien untersucht. Ihr Ziel war es mithilfe dieser Organismen, die
unterschiedliche evolutionäre Epochen repräsentieren, einen
Zusammenhang zwischen Genentwicklung und Skelettentwicklung
herzustellen. Die zentrale Frage dabei: Wann entstand in der Evolution
das Skelett, aus welchen Strukturen entwickelte es sich?
Lanzettfischchen
(Branchiostoma lanceolatum) sind sehr ursprüngliche Chordatiere ohne
Schädel (Acrania). Sie leben an den Küsten der Meere, meist halb
eingegraben in Sand oder Schlamm und filtern dort Plankton und kleine
organische Partikel als Nahrung aus dem Wasser. "Bei diesem sehr nahen,
lebenden Verwandten der Wirbeltiere konnten wir lediglich ein einzelnes
Runx-Gen nachweisen", sagt Jochen Hecht. "Es findet sich in ihrem
Kiemenbereich, der durch zellfreie knorpelartige Spangen stabilisiert
wird". Zusammen mit dem Runx-Gen wird ein Hedgehog-Gen exprimiert,
desssen Aktivität bereits - wie bei den Säugetieren - durch das
Runx-Gen beeinflusst wird.
Anders beim Schleimaal (Myxine glutinosa): Dieses sehr ursprüngliche Wirbeltier, das noch keine Kiefer besitzt (Agnatha), ist vorwiegend ein Aasfresser. Es lebt weltweit in den Meeren in Wassertiefen bis über tausend Metern. Schleimaale besitzen zwei Knorpeltypen - eine weiche und eine härtere Form. Darin isolierten die Wissenschaftler zwei Runx-Gene. In der härteren Knorpelform war vor allem ein Gen sehr aktiv. "Dies lässt auf eine sehr wichtige Rolle dieses Gens bei der Knorpel- und Knochenentwicklung schließen", sagt Hecht.
In den Hautzähnen (Placoidschuppen) des kleingefleckten Katzenhais (Scyliorhinus canicula), die die Haihaut rauh und äußerst widerstandsfähig machen, konnten die Wissenschaftler eine hohe Aktivität aller drei Runx-Gene feststellen. Da Haifische stammesgeschichtlich sehr alt sind und als Knorpelfische keinen Knochen besitzen, könnte dies darauf hindeuten, dass Knochen während der Evolution zuerst in der Haut entstanden sind und erst später zur Verstärkung des Skeletts benutzt wurden. Möglich wäre es allerdings auch, dass Katzenhaie einmal Knochen besaßen, diese aber sekundär wieder reduziert haben.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.