Arbeitsteilung lässt Bakterien schneller wachsen
Archivmeldung vom 09.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittManche Bakterien nutzen ihre Nahrung so schlecht, dass von ihrem "Stoffwechselmüll" noch andere Mikroben leben können. Biologen der Universitäten Bonn und Barcelona haben nun einen möglichen Grund für diese Ineffizienz entdeckt. Demnach wachsen Bakterien unter Umständen schneller, wenn sie nicht das letzte Quäntchen Energie aus ihrer Nahrung pressen, sondern "kurze" Stoffwechselwege bevorzugen.
Es gibt daher viele Stoffwechselwege, die augenscheinlich immer in Arbeitsteilung durchgeführt werden. Die Wissenschaftler postulieren jedoch, dass es auch in diesen Fällen in der Natur "Komplett-Verwerter" geben müsse - und erklären, wie man sie finden kann. Die Studie ist jetzt in der Zeitschrift "Trends in Microbiology" erschienen.
Wenn der Kamin nicht richtig zieht, bleibt jede Menge Asche
und angekohltes Holz zurück. Ähnlich ineffizient gehen manche Bakterien mit
ihrem Brennstoff um - beispielsweise die so genannten "Nitrifizierer": Sie
"verbrennen" Ammoniak zu Nitrit. Das enthält aber immerhin noch soviel Energie,
dass es einer zweiten Nitrifizierer-Gruppe als Nahrung dient: Diese setzt es zum
Endprodukt Nitrat um. Bislang wurde noch kein Mikroorganismus entdeckt, der
Ammoniak direkt zu Nitrat umsetzt. Bekannt ist das schon seit 1890, eine gute
Erklärung dafür steht jedoch noch aus.
Eine solche meint Dr. Jan Kreft
zusammen mit Kollegen aus Barcelona nun gefunden zu haben. In einer kürzlich
veröffentlichten Studie zeigt der Mitarbeiter der Theoretischen Biologie, dass
kurze Stoffwechselwege einen evolutiven Vorteil darstellen können - und zwar aus
zwei Gründen: "Zunächst einmal wird jeder Stoffwechselschritt in Organismen
durch ein spezifisches Zelleiweiß katalysiert, ein Enzym", erläutert Kreft. "Die
Zellmaschinerie kann aber nur eine bestimmte Enzymmenge pro Zeiteinheit
synthetisieren. Für eine Reaktionskette von fünf Schritten muss das Bakterium
fünf Enzyme herstellen, bei zehn Schritten entsprechend zehn. Dazu benötigt die
Zelle natürlich länger: Sie produziert in derselben Zeit von jedem Enzym weniger
Kopien." Folge: Der Durchsatz durch die Stoffwechselkette sinkt.
Dazu
kommt das Problem mit den Zwischenprodukten - je mehr Glieder die
Stoffwechselkette hat, desto mehr Schwund: Zwischenprodukte können mit anderen
Substanzen in der Zelle reagieren oder sonstwie verloren gehen. Mitunter stören
sie die geregelten Abläufe in der Zelle und wirken giftig. Kurz:
"Zwischenprodukte verursachen Kosten", sagt Kreft. "Ein Bakterium wird daher
versuchen, ihre Gesamt-Konzentration möglichst niedrig zu halten - je länger die
Kette, desto niedriger die Konzentration der einzelnen Zwischenprodukte." Das
bremst den Durchsatz zusätzlich aus. Krefts Fazit: "Ein zusätzlicher Schritt
lohnt nur, wenn dabei viel zusätzliche Energie herausspringt. Die Umsetzung von
Nitrit zu Nitrat bringt für den Aufwand einfach nicht genug ein." Nitrifizierer,
die sich die Arbeit teilen, wachsen daher schneller als "Komplett-Verwerter" und
setzen sich normalerweise durch - und das, obwohl sie so schlechte
Futterverwerter sind.
Wenn Nahrung ein knappes Gut ist, können sich
Bakterien diesen Luxus aber nicht leisten. Das ist beispielsweise in so
genannten "Biofilmen" der Fall - "das sind Bakterienbeläge, wie sie zum Beispiel
auf Steinen in Flüssen oder Kläranlagen vorkommen", erklärt der Biologe. Die
Mikroben in derartigen Schichten sind relativ unbeweglich; zudem ist das
Nahrungsangebot gerade in tieferen Bereichen begrenzt. Wenn nun ein Bakterium
die Nahrung unvollständig nutzt, um dadurch schneller wachsen zu können, setzt
es mehr Nahrung weniger effizient um, weshalb in seiner Umgebung die
Nährstoffkonzentration stärker abnimmt: Seinen Nachbarn (die ja durch Teilung
aus ihm hervorgegangen sind) und ihm selbst droht die Hungersnot.
Der
"Stinkende Komplettverwerter" schont seine Ressourcen
"Spar-Bakterien",
die durch längere Stoffwechselwege langsamer wachsen, dafür aber effizienter mit
den Ressourcen umgehen, lassen für ihre Nachbarn dagegen mehr übrig. In
Biofilmen sollten Komplettverwerter daher einen Selektionsvorteil haben, weil
sie noch das letzte Quentchen Energie aus ihrer Nahrung herauskitzeln. "Um
Bakterien zu finden, die den kompletten Weg vom Ammoniak zum Nitrat
katalysieren, muss man wahrscheinlich in Biofilmen suchen", sagt Kreft.
Dass er und seine Kollegen Recht haben könnten, beweist eine Mikrobe
namens "Holophaga foetida". Der "stinkende Komplettverwerter" (so die deutsche
Bezeichnung) verwertet ringförmige (aromatische) Kohlenstoff-Verbindungen und
nutzt dazu einen relativ langen Stoffwechselweg. Holophaga wächst langsam und
kommt vor allem in Sedimenten vor, wo er wahrscheinlich in Biofilmen wächst. Er
hat zwei Konkurrenten, die denselben Prozess arbeitsteilig in zwei Schritten
durchführen. Diese vermehren sich schneller als Holophaga, sind aber dennoch
seltener - eventuell wegen der schlechteren Futterverwertung.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.