Gravitationswellen: Sternenglanz für Jenaer Forscher
Archivmeldung vom 20.10.2017
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtVor gut 130 Millionen Jahren kollidierten zwei Neutronensterne in der Galaxie NGC 4993. Die gigantische Explosion dieser extrem dichten Himmelskörper wurde am 17. August dieses Jahres von zahlreichen Observatorien weltweit aufgezeichnet. Für Physiker und Astronomen wurde das Himmelsphänomen, das jetzt verkündet wurde, zu einer wahren Sternstunde; ein Teil des Glanzes fällt auch auf die Universität Jena.
„Die Kollision der beiden Neutronensterne konnte beobachtet werden, weil zunächst die Gravitationswellen aufgezeichnet wurden, die dem kosmischen Ereignis vorausgingen“, sagt Prof. Dr. Bernd Brügmann von der Universität Jena. Der Inhaber des Lehrstuhls für Gravitationstheorie spricht von einer einzigartigen globalen Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die den bahnbrechenden Erfolg ermöglichte.
Platin und Gold im interstellaren Raum
Nachdem das LIGO (Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory) in den USA und das Virgo-Interferometer in Italien die der Kollision der Sterne vorausgehenden Gravitationswellen aufgezeichnet hatten, richteten Astronomen weltweit ihre Teleskope auf die Galaxie NGC 4993, die sich mit etwa 130 Millionen Lichtjahren relativ nah an unserem Sonnensystem befindet. Beobachtet wurden der Lichtblitz der Explosion und das tagelange Abklingen der Strahlung, wodurch weitere erhellende Erkenntnisse gelangen. Wie Prof. Brügmann erläutert, entstehen durch die nach der Sternenkollision ablaufenden Prozesse schwere Elemente wie Platin und Gold, die in den interstellaren Raum geschleudert werden. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass die schweren Elemente von Supernovas stammen, d. h. von der Explosion einzelner Sterne. „Die detaillierte Beobachtung einer sogenannten Makronova nach der Kollision von Neutronensternen ist ein fantastisches Ergebnis, weil sie die beobachtete Häufigkeit der schweren Elemente wesentlich besser erklärt als das Modell der Supernovas“, sagt Prof. Brügmann. Das bedeute, dass etwa das Gold auf der Erde zum größten Teil dereinst aus dem Staub einer solchen Sternenkollision entstanden ist.
Als jüngst der Nobelpreis für Physik vergeben wurde, stand der Nachweis der von Einstein vorhergesagten Gravitationswellen im Fokus. Gelungen war dieser Nachweis durch die Beobachtung der Kollision zweier Schwarzer Löcher. In der Begründung der Jury wurden neben der brillanten experimentellen Leistung u. a. Arbeiten zitiert, an denen Prof. Bernd Brügmann und der inzwischen emeritierte Prof. Dr. Gerhard Schäfer beteiligt waren. Die beiden Forscher und ihre Mitarbeiter von der Universität Jena trugen zu den theoretischen Grundlagen bei, durch die 2016 der wissenschaftliche Durchbruch gelang.
Die Entdeckungen beruhen auf möglichst exakten Vorhersagen durch Modelle
Wie Prof. Brügmann sagt, beruhen die jüngsten Entdeckungen in den Weiten von Zeit und Raum zunächst auf möglichst exakten Vorhersagen durch Modelle, die in der Theoretischen Physik u. a. in Jena erarbeitet werden. Für die Kollision von Neutronensternen entwickelt die Arbeitsgruppe von Brügmann Computerprogramme, die auf einigen der größten Supercomputer Europas laufen. An den am Anfang der Woche veröffentlichten, bahnbrechenden Ergebnissen zu Gravitationswellen ist so auch Dr. Tim Dietrich beteiligt, der in Jena promovierte und 2017 einen Promotionspreis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erhielt. Dietrich forscht in Kooperation mit Jena am Albert-Einstein-Institut in Potsdam weiter zur numerischen Relativitätstheorie. Zukunftsweisend ist zudem das Promotionsthema von Reetika Dudi, Doktorandin im Graduiertenkolleg für Quanten- und Gravitationsfelder in Jena, die an der numerischen Datenanalyse für Gravitationswellen von Neutronensternen arbeitet. Davon kann so mancher Doktorand nur träumen. Noch vor kurzem war dieses Thema für die LIGO/Virgo-Kollaboration nur eines unter vielen, bis die verblüffende Entdeckung genau solch einer Quelle ihr Thema in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Durch Dudi und Dietrich hat die Universität Jena ihren Anteil am Sternenglanz der neuesten Gravitationswellenforschung.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)