Wenn der Roboter klettert wie eine Ratte
Archivmeldung vom 04.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gibt viele Regionen, die sind für den Menschen einfach nicht zugänglich oder viel zu gefährlich. Dann greift man gerne auf Roboter zurück. Doch diese sind längst nicht so weit entwickelt, wie es Science-Fiction-Filme vorgaukeln. Vor allem wenn es steil nach oben geht, hinken Roboter der Natur noch weit hinterher.
Dies will ein neues Projekt ändern, bei dem Thüringer Wissenschaftler einen
Kletterroboter entwickeln und gemeinsam mit der Industrie bauen wollen, für den
selbst steile Anstiege kein Problem darstellen werden. Für dieses Thüringer
Bionik-Projekt hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) jetzt 3,45 Millionen
Euro für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Bei "InspiRat - Bionisch
inspirierter Kletterroboter für die externe Inspektion linearer Strukturen" - so
der offizielle Projekttitel - arbeiten unter der Federführung von Prof. Dr.
Hartmut Witte, Biomechatroniker der TU Ilmenau, Zoologen und Radiologen der
Universität Jena, das Max-Planck-Institut (MPI) für Metallforschung in Stuttgart
und die TETRA Gesellschaft für Sensorik, Robotik und Automation mbH in Ilmenau
zusammen.
Jeder Kletterer kennt das Problem: Je steiler es aufwärts geht,
umso näher rückt der Körper automatisch an das Hindernis, wodurch wiederum die
kontrollierten Bewegungen von Armen und Beinen erschwert werden. Die Natur löst
dieses Problem mit unterschiedlichen Verfahren, die aber auf ähnlichen
Prinzipien beruhen. Diese Prinzipien wollen die Thüringer Forscher der Natur
abschauen und auf den vierbeinigen Roboter übertragen. "Inspirat", so der
vorläufige Name des Roboters, verweist auf die "Inspiration durch die Ratte".
Und wie diese soll der kleine künstliche Kletterer sich zukünftig in allen
möglichen Schächten zurechtfinden. In Aufzugsschächten von Hochhäusern
inspiziert der Roboter Versorgungsleitungen oder in Schlössern ohne Baupläne den
Verlauf von Rohren und Schächten. "Der Markt für einen möglichen Einsatz ist
weit und birgt enormes wirtschaftliches Potenzial", weiß Dr. Andreas Karguth von
der TETRA Gesellschaft.
In Jena werden vor allem die
Grundlagenerkenntnisse zur Biologie des Kletterns für das Gemeinschaftsprojekt
erforscht. Dazu bringen Prof. Dr. Martin S. Fischer und Prof. Dr. Hartmut Witte
jahrzehntelange Erfahrungen in der Bewegungsforschung mit, arbeiten sie doch
bereits seit über 15 Jahren zusammen. Das neue Projekt ermöglicht jedoch einen
weiteren Fortschritt, denn nun kann eine hochfrequente Röntgenvideoanlage
beschafft werden, die bislang weltweit einzigartig ist. Der Prototyp im Wert von
rund 1,5 Millionen Euro ermöglicht es, auf einem großen Röntgenschirm mit einen
Durchmesser von 45 cm Bewegungen hochauflösend mit bis zu 500 Bildern in der
Sekunde (!) aus zwei Raumrichtungen, also biplanar, aufzunehmen. Damit können
die Jenaer Forscher den Tieren unter die Haut schauen und erstmals die
Bewegungen der Gliedmaßen und des gesamten Skeletts in bisher nie gekannter
Auflösung erforschen. Die Anlage wurde vom Institut für Diagnostische und
Interventionelle Radiologie und seinem Direktor Prof. Dr. Werner A. Kaiser sowie
den Zoologen der Universität Jena mit der Siemens AG entwickelt. "Das
intelligente Herz dieser einmaligen Anlage ist der Radiologe Dr. Alexander
Petrovitch", unterstreicht Fischer die Bedeutung der Kooperation.
Prof.
Dr. Hartmut Witte von der TU Ilmenau wird die zoologischen Erkenntnisse der
Jenaer in die Technische Biologie und Bionik überführen. Der deutschlandweit
einzige Professor für Biomechatronik hat eben solche langjährigen Erfahrungen in
der Entwicklung von Robotern wie Prof. Dr. Stanislav N. Gorb vom Stuttgarter MPI
bei der Untersuchung von Mikrohaft- und -greifmechanismen. All diese vereinten
Erkenntnisse sollen dann von der TETRA GmbH in ein Produkt umgesetzt werden,
"das auf diesem zukunftsträchtigen Markt eine große Chance haben wird", wie
Witte zuversichtlich betont.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.